Dazu noch ein Artikel aus dem Kölner Stadtanzeiger, Eifel extra, vom 20.07.2004:
Sorry für die Bomben aufs Dorf
VON F.A. HEINEN, 07:15h
Die britische Presse würdigte die Sühne-Bekundung mit dicken Schlagzeilen.
Zülpich - Die Situation in der Nacht zum 1. Mai 1942 war dramatisch. Britische Nachtjäger hatten über dem englischen York deutsche Bomber abgefangen. Eine Do 217 mit dem Piloten Willi Schludecker am Steuerknüppel geriet dabei in arge Bedrängnis. Schludecker warf seine vier Bomben in Richtung einer Bahnlinie ab. Tatsächlich fielen die Zehn-Zentner-Bomben jedoch auf das kleine Dorf Bolam / Sunderland. Eine explodierte vor dem Pfarrhaus, eine andere schlug als Blindgänger in die Kirche St. Andrew ein, die schwer beschädigt wurde. Verletzt wurde niemand.
62 Jahre nach diesem Luftangriff flog der damalige Bomberpilot aus Zülpich erneut nach England. Vor wenigen Tagen entschuldigte er sich bei den Bewohnern Bolams für seinen damaligen Bomben-Fehlwurf. Der britischen Presse war diese spektakuläre Entschuldigung manche Titelseite wert: „German pilot says sorry for bombing an English church over 60 years ago.“
Der heute 84-jährige Willi Schludecker wuchs im badischen Bühl auf und meldete sich als junger Mann freiwillig zur Luftwaffe. Er wollte Kampfflieger werden. Kurz vor Kriegsbeginn begann seine Flugausbildung mit 45 Minuten Kunstflug. Der Lehrer hatte vorher verkündet: „Bei mir hat sich noch jeder übergeben.“ Schludecker nicht, was den Lehrer eine Kiste Bier kostete. Bald darauf absolvierte der Flugschüler auf einem Stieglitz-Doppeldecker seinen ersten Alleinflug.
Nach der Blindflugausbildung ging es zur Kampffliegerschule, wo Schludecker auf den damals gängigen Bombertypen trainiert wurde. Anfang 1941 kam er zum Kampfgeschwader 2 mit dem Einsatzgebiet Balkan und Russland. Dreimal wurde seine Maschine abgeschossen, einmal musste er 50 Kilometer jenseits der Front notlanden. Zwei Beobachter starben bei diesen Bruchlandungen, aber Schludecker hatte Glück.
Anfang 1942 flog das Geschwader von Holland aus mit der Do 217 Einsätze gegen England. Diese Nachtflüge waren riskant, denn die britische Luftabwehr schlief nicht. „Besonders gefährlich war Southampton“, erinnerte sich Schludecker jetzt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Einmal kam er mit nur noch einem laufenden Motor von der Insel zurück.
Mit 300 km / h in den Wald
Am 23. Juli 1942 war nach Beschuss durch britische Jäger die Steuerung der Maschine nahezu vollständig ausgefallen. Der holländische Flugplatz, auf dem Schludecker notlanden wollte, lag in einer Waldschneise. Mit 300 km / h schlug die Maschine in den Wald, wobei der Pilot schwer verletzt wurde.
Der Flug, der mit dem Bombenabwurf in die Kirche von Bolam endete, setzte sich damals auch für die deutsche Besatzung dramatisch fort. Schludecker entzog sich den britischen Nachtjägern durch einen Sturzflug mit anschließendem abruptem Abfangen in 50 Metern Höhe. Anschließend flog die Do zwar noch, aber deutlich langsamer. Sie hatte durch die Überbeanspruchung die Flügel total verbogen.
Bei Kriegsende geriet Schludecker in US-Gefangenschaft, ein halbes Jahr später war er wieder frei. Aus dem Pilot wurde der Elektromonteur Schludecker, den es nach Zülpich verschlug, wo eine neue Brikettfabrik mit einem Kraftwerk gebaut wurde. Der Ex-Bomberpilot wurde Leiter der Elektro-Technik der Fabrik.
Der britische Lokalhistoriker Bill Norman spürte im Jahr 2000 den Ex-Bomberpiloten Schludecker in Zülpich auf. Es entwickelte sich ein Kontakt, der in mehreren Reisen nach Großbritannien mündete. Unter anderem traf der Zülpicher dort mit Peter McMillan zusammen, dem Piloten des britischen Beaufighter-Jägers, der den deutschen Bomber 1942 über Bolam unter Feuer genommen hatte. McMillan hatte damals angenommen, der Deutsche sei ins Meer gestürzt.
Bei seiner jetzigen Entschuldigungstour wurde Schludecker in York freundlich aufgenommen. Der 84-Jährige: „Ich hatte das Bedürfnis, die Kirche mal zu sehen und mich zu entschuldigen.“ Er wollte den Leuten in Bolam erklären, wie es zu dem Bombenabwurf in die Kirche kam. Der BBC sagte der Deutsche: „Ich will Ihnen sagen, dass es mir wirklich Leid tut, dass ich Ihre Kirche beschädigt habe. Zum Glück wurde niemand verletzt.“