Die lauten Rasenmäher von Zeltweg
VON NORBERT RIEF
360 Grad Österreich: Seit fast zehn Jahren lebt man in Zeltweg mit dem Eurofighter. Jetzt hoffen manche auf das endgültige Aus für den Abfangjäger.
Man hat in Zeltweg gern seine Ruhe. "Lärmbelästigende Gartenarbeiten dürfen nur von Montag bis Samstag in der Zeit von 7 bis 12 Uhr und von 14 bis 19 Uhr ausgeführt werden", heißt es in der "Lärmschutz- und Luftreinhalteverordnung" der Stadtgemeinde. Wer außerhalb dieser Zeiten seinen Rasenmäher anwirft, kann nur auf verständnisvolle Nachbarn hoffen, sonst gibt es schnell eine Beschwerde bei der Gemeinde oder der Polizei.
Manchmal freilich erschüttert auch in der gesetzlich vorgeschriebenen Mittagsruhe ein ohrenbetäubender Lärm die kleine Stadt im oberen Murtal in der Steiermark, gegen den ein Rasenmäher ein Pianokonzert ist - und dann weiß man, dass wieder einmal jemand unerlaubt in den österreichischen Luftraum eingedrungen ist.
"Daran gewöhnt man sich nie", sagt ein älterer Herr in der Walzergasse. "Das ist ja keine Autobahn, die einen permanenten Geräuschpegel hat, sondern das sind Flugzeuge." Und ziemlich prominente. Hier in Zeltweg, genauer gesagt im Fliegerhorst Hinterstoisser, sind Österreichs 15 Eurofighter stationiert. Jene Abfangjäger, die man uns - glaubt man der aktuellen politischen Diskussion - mit ziemlich miesen Tricks angedreht hat.
Normalerweise gilt auch für sie eine "Luftreinhalteverordnung": Normflugbetrieb ist zwischen acht und 16.30 Uhr, wobei zwischen 11.45 Uhr und 13.30 Uhr keine Normstarts erfolgen dürfen. Gibt es in dieser Zeit dennoch Starts, dann sind es Alarmeinsätze, die noch dazu ein wenig lauter sind, weil die Eurofighter in diesen Fällen mit eingeschaltetem Nachbrenner starten, um möglichst schnell an Höhe zu gewinnen.
In Zeltweg verfolgt man daher mit großem Interesse, was oben in Wien passiert. Als Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) im März dieses Jahres im Nationalrat meinte, es könne eine Entscheidung geben, "dass wir ab einem gewissen Zeitpunkt die Eurofighter aufgeben könnten", haben manche schon den Champagner eingekühlt. "Das wäre ein Segen für das ganze Tal, wenn die weg wären", meint eine Dame in Küchenschürze, die im Garten ihre Salatpflanzen pflegt.
Feier ohne Oberbefehlshaber
Vor fast genau zehn Jahren - im Juli 2007 - landete der erste Eurofighter in Zeltweg, empfangen übrigens nur von ein paar Militärs und dem damaligen Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP). Der zuständige Verteidigungsminister, Norbert Darabos, und der Oberbefehlshaber des Bundesheeres, damals Bundespräsident Heinz Fischer (beide SPÖ), waren nicht zum Empfang dieses "Meilensteins in der Geschichte unseres Bundesheeres" (Tirols heutiger Landeshauptmann, Günther Platter, im Mai 2003 als Verteidigungsminister zur Anschaffung der Eurofighter) erschienen.
Anfangs gab es noch regelmäßig Proteste gegen die Stationierung der Eurofighter in der Steiermark, im Laufe der Zeit wurden sie weniger und flammten in den vergangenen Jahren nur noch hin und wieder auf. Eigentlich fand man sich auch im Murtal mit den Abfangjägern ab, bevor Anfang des Jahres Minister Doskozil die Causa mit seiner Anzeige wegen arglistiger und betrügerischer Täuschung beim Kaufpreis der Jets wiederbelebte. Seither sind die Eurofighter mehr oder weniger der Gottseibeiuns der österreichischen Landesverteidigung. Verfolgt man die Diskussion über die Mängel der Flugzeuge, wundert es einen, dass sie überhaupt fliegen können.
Im Verteidigungsministerium hat man von den Debatten jedenfalls genug. Journalisten verweigert man den Besuch des Fliegerhorsts Hinterstoisser, nur die Austria Presse Agentur durfte kürzlich mit einem Piloten sprechen und unter anderem berichten, dass "man einfach funktioniert" und nicht lang darüber nachdenke, was alles passieren könne. Beispielsweise, wenn die Temperaturen unter fünf Grad Celsius fallen. Denn in diesen Fällen seien die Eurofighter nicht flugtauglich, wurde jetzt im Untersuchungsausschuss des Nationalrats bekannt.
Eh besser für das Budget des Heeres, denn eine Flugstunde kostet etwa 70.000 bis 80.000 Euro. Das summiert sich, wenn eine "Rotte" (zwei Eurofighter) für eine Übung oder einen Alarmstart abheben. Das kann sich das ausgehungerte Bundesheer nicht oft leisten. Vielleicht ist es auch deshalb etwas ruhiger geworden in Zeltweg.
Pragmatischer Bürgermeister
Nie gestört hat der Fluglärm den Bürgermeister. "Entweder will man eine Luftraumüberwachung, und dazu gehören eben Flugzeuge, die für einen Moment laut sind, oder man will Ruhe haben - dann hat man keine Luftraumüberwachung", mein Hermann Dullnig. Er ist seit sieben Jahren Ortschef in Zeltweg, seit 27 Jahren ist er in der Gemeindepolitik tätig, und aus seinem pragmatischen Zugang zum Thema hat er nie einen Hehl gemacht. "Sicher regen sich manche über den Lärm der Eurofighter auf", sagt er. "Aber andere regen sich über die Rasenmäher auf."
Die sind einigen in Zeltweg auf jeden Fall bedeutend lieber als Abfangjäger. In der Walzergasse hat sich in der Zwischenzeit ein kleines Grüppchen Menschen versammelt, die darüber reden, wie angenehm es wäre, würde Österreich seine Luftraumüberwachung überhaupt auslagern. "Wir haben ja keine wirklichen Feinde um uns." Einer berichtet, dass ihm schon die Äpfel schwarz geworden seien von den Flugzeugen. "Nach einer Airpower (Flugshow, Anm.) war alles kohlrabenschwarz." Er vermutet Kerosin oder hohe Abgastemperaturen. Das, erklärt man beim Fliegerhorst, könne man ausschließen. Die Eurofighter mögen für viel verantwortlich sein - für zerstörte Landeshauptmannträume im Burgenland etwa -, für schwarze Äpfel aber eher nicht.