ramier
Astronaut
http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,488851,00.htmlMit Algenkraftstoff über den Wolken
Kraftstoffe aus Algen oder Rüben, effizientere Flugzeuge, neuartige Sparjets mit Propellerantrieb: Unter dem Druck der Klimadebatte lässt sich die Luftfahrtindustrie einiges einfallen, um den schwarzen Peter als CO2-Sünder abzugeben - oder ist das nur fauler PR-Zauber?
Paris - Die boomende Luftfahrtindustrie sieht sich in der Klimadebatte als Großverschmutzer an den Pranger gestellt. Durch Forderungen nach Ticket-Abgaben, Kerosinsteuer und der Teilnahme am Emissionshandel drohen deutliche Kostensteigerungen bei den Airlines, die sich ab Montag auf der Luftfahrt-Messe in Le Bourget bei Paris mit den Flugzeugbauern treffen. Möglichst schnell will die Branche deshalb "grüner" werden und Flugzeuge zum Einsatz bringen, die weniger CO2 ausstoßen.
Seit Monaten kämpfen die Luftfahrt-Konzerne für ein besseres Klimaschutz-Image. Ihnen zufolge steht der Flugverkehr weltweit nur für etwa zwei Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes, der zum Treibhauseffekt beiträgt. Doch weltweit wird es immer mehr Flugverkehr geben: Die Branche erwartet in den kommenden 20 Jahren einen Zuwachs um fünf Prozent pro Jahr und eine Verdopplung der Flugzeugzahl auf fast 36.000 Maschinen. Passiert nichts, steigt die Umweltbelastung - und damit der Druck, den Flugverkehr über Steuern und Abgaben einzudämmen.
Weniger Verbrauch als ein Familienauto?
Airbus wirbt deshalb mit dem Slogan "Greener - Cleaner" ('Grüner - Sauberer') für sein neues Großraumflugzeug A380 und zeigt den weltgrößten Passagierjet vor Tropenwald-Kulisse oder idyllischen Inseln. "Wir brauchen keinen Öko-Populismus", erklärt Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber in Anzeigen. "Weiter hilft uns allein mehr Öko-Rationalismus." Die Kranich-Linie hat demnach seit 1991 ihre "CO2-Effizienz um rund 30 Prozent gesteigert". Und ihre bestellten A380 und Boeing 747-8 hätten nur noch einen Verbrauch von 3,4 Litern pro Passagier und hundert Kilometer. Airbus gibt für den A380 sogar nur 2,9 Liter an - "weniger, als wenn Sie ein durchschnittliches Familienauto fahren".
Für Almut Gaude vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) gehören solche Zahlen zum "Grün-Waschen" durch die Marketing-Abteilungen. "Schadstoffe, die durch Flugzeuge ausgestoßen werden, sind drei Mal klimaschädlicher als Treibhausgase, die am Boden entstehen", sagt sie. Die Luftfahrt sei deshalb in deutlich höherem Maße für den Hitzestau in der Atmosphäre verantwortlich als behauptet.
Dass angesichts des steigenden Umweltbewusstseins bei den Passagieren etwas passieren muss, wissen die Flugzeugbauer. Airbus hat sich verpflichtet, den CO2-Ausstoß seiner Flugzeuge bis 2020 zu halbieren. Der Boeing-Umweltbeauftragte Bill Glover sagt, die Industrie wolle bis dahin den Kerosin-Verbrauch um 25 Prozent reduzieren. "Das dürfte es der Branche erlauben, ihren Beitrag zu den CO2-Emissionen bei zwei Prozent zu halten."
Heck-Propeller und Algenkraftstoffe
Ganz bei null anfangen müssen die Flugzeugbauer dabei nicht. Die hohen Treibstoffpreise lassen die Kunden seit Jahren nach spritsparenderen und damit auch umweltfreundlicheren Maschinen rufen. Airbus und Boeing setzten deshalb bei neuen Modellen leichtere Kohlefaser statt Metall ein. Das Boeing-Flugzeug 787 Dreamliner soll damit 20 Prozent weniger Kerosin verbrauchen. Der Billigflieger easyJet hat ein eigenes Konzept für einen "ecoJet" entwickelt: Eine Maschine mit Propellern am hinteren Leitwerk, die 50 Prozent weniger CO2 ausstoßen soll. EasyJet will jetzt Airbus oder Boeing überzeugen, das Flugzeug bis 2015 zu bauen.
Der nächste Technologiesprung steht bei den Triebwerksbauern an: Der US-Hersteller Pratt & Whitney will mit einer neuen Technologie im nächsten Jahrzehnt eine Kerosin-Einsparung von zwölf Prozent ermöglichen. Auch an umweltfreundlicherem Biotreibstoff aus Rüben oder Zuckerrohr wird geforscht. "Doch dazu bräuchte man Felder von der Größe Floridas, allein um zehn Prozent der US-Transporteure zu versorgen", sagt Philippe Rochat vom Luftfahrtverband IATA. Boeing arbeitet deshalb an einem Kraftstoff auf Basis von Algen, die sich wesentlich platzsparender produzieren lassen. Mit Kerosin gemischt soll er die CO2-Emissionen um die Hälfte verringern. Ob das funktioniert, soll ein Testflug im kommenden Jahr zeigen.
(Bild des Easyjet Konzepts ist im Artikel zu finden)