Hat Udet den DB 603 sabotiert?

Diskutiere Hat Udet den DB 603 sabotiert? im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Hallo zusammen, die überlange Entwicklungsgeschichte des DB 603 wundert sehr. Steckt Ernst Udet dahinter? In "German Aircraft Industry and...

HolgerXX

Fluglehrer
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Hallo zusammen,

die überlange Entwicklungsgeschichte des DB 603 wundert sehr. Steckt Ernst Udet dahinter? In "German Aircraft Industry and Production 1933-1945", von Ferenc A. Vajda und Peter Dancey, wird auf Seite 115 behauptet: "Between 1937 and 1940 Udet had stopped nearly all work on the DB 603". Kennt dazu jemand eine andere Quelle? Oder stimmt es vielleicht nicht?
Danke für Antworten!

Grüße, Holger
 
innwolf

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Space Cadet
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Hallo,
Geschichte. Aber technologisch gefragt, was sprach für den DB603 statt Doppelstern-Motore? War das nicht schon 1937 eine ernsthafte Fragestellung? Die Aerodynamik war ja bei Sternmotoren mit NACA-Haube auch gut.
Gruß
 
FREDO

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Welche Quelle ziehen Dancey und Vajda zu Rate?
 

HolgerXX

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Fredo, es gibt dort keine Quellenangabe. Die Aussage kann also frei erfunden sein.

Grüße, Holger
 
Junkers-Peter

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Mir liegen zwei Quellen zu dem Sachverhalt vor.
  • DB-Zentrale Stuttgart/UT, Sektor Entwicklung: "Zeitlicher Ablauf in der Entwicklung des Flugmotors DB 603 A, D, E/F, G/K, L/M, N/P, S, SS, U, WX" vom 10.02.44
  • Entwurf Nallinger: "Daimler-Benz Flugmotoren-Entwicklung DB 603" v. 24.03.45

Sinngemäß steht dort, dass Helmut Sachse, Leiter Referat Motorenentwicklung LC II im RLM, sich Ende 1936 gegen den DB 603 ausgesprochen habe, da ein Motor dieser Größe bereits bei BMW mit dem 801 in der Entwicklung sei und deshalb eine Parallelentwicklung als flüssigkeitsgekühlter Motor nicht notwendig sei. Trotz Interventionen von DB erhielt die Firma in März 1937 ein von Udet unterschriebenen Brief, dass die Entwicklung des 603 einzustellen sei. Es durfte am Motor nicht weitergearbeitet werden.

Die Unterschrift von Udet halte ich nicht für besonders bemerkenswert, da er als Generalluftzeugmeister solche Dinge eben abzuzeichnen hatte. Viel interessanter ist die Rolle von Helmut Sachse. Dieser ging später zu BMW und hatte maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des BMW 801. Eventuell war er schon früher während seiner Zeit im RLM als (geheimer) Lobbyist für BMW tätig und die Entscheidung gegen den 603 war von persönlichen Interessen geleitet.
 

78587?

Space Cadet
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Ich hatte mal vor langen Jahren, ein interessantes Gespräch mit einem ehemaligen Mitarbeiter von Fritz Nallinger.
Der hatte mir von einem Umstand berichtet, der es begründen könnte, warum der "603" nicht wirklich bzw erst spät in die Luft-Rüstung mit einbezogen wurde. Es ging um ein technisches Problem, bei den Zahnrädern des Luftschrauben-Getriebes. Konkret um das Schleifen des Zahn-Moduls. Es gab wohl nur einen Hersteller von Werkzeugmaschinen der das konnte, und der lag in der Schweiz (meine Vermutung: Max Maag – Wikipedia). Es soll wohl keine Einigung zum Erwerb solcher Maschinen gegeben haben, stattdessen mussten alle Vorbearbeiteten und Gehärteten Zahnräder zum "Modul Schleifen" in die Schweiz geschafft werden, und kamen dann wieder zurück. Dort hätte man wohl auch die "Kapazität" gesteuert.
Das man in Berlin über so ein Umstand natürlich nicht erfreut war, liegt auf der Hand, war man doch abhängig und musste mit der Schweiz "Lösungen" erarbeiten.

.
 

HolgerXX

Fluglehrer
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Danke für die Antworten. Junkers-Peter, darf ich mal fragen, wie man zur Einsicht in solche Dokumente kommt? "Daimler fragen" wäre natürlich eine Antwort...

Grüße, Holger
 
Junkers-Peter

Junkers-Peter

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Die Dokumente stammen in der Tat aus dem Werksarchiv von Daimler-Benz in Stuttgart-Untertürkheim, das ich vor Jahren besucht habe. Die Leute dort waren sehr nett und bemüht- und erstaunt, dass sich mal einer für die Flugmotoren interessiert und nicht für die Automobilgeschichte. :biggrin:

Leider sind die Findmittel nicht besonders gut. Aber die haben dort sehr viele Unterlagen und ich wage zu behaupten, dass sich noch niemand ansatzweise alles angesehen hat. Es gibt z.B. sehr viele Berichte des Technischen Außendienstes von DB zur Erprobung und Einsatz der He 177 mit DB 606/610. Die Sachen hat m.W. noch keiner ausgewertet.
 

HolgerXX

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Danke, Peter. Vielleicht sollte man wirklich mal dort was machen. Das Flugmotorenbuch (v. Gersdorff u.a.) lässt zum DB 603 Einiges an Wünschen übrig.

Grüße, Holger
 

Sens

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Da gab es nichts zu stoppen, denn es gab nicht einmal genügend 600/601 und der Bomber-Motor sollte der Jumo sein. Die Hersteller hatten ja keine Ahnung, das es schon 1939 in den Krieg geht.
 
AGO Scheer

AGO Scheer

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Ups, und plötzlich war Krieg!
 

Sens

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In Flugzeug Classic, Juni 2014, S. 32ff gibt es den Artikel -Konzeptlos- von Dietmar Hermann.
.....
"Daimler-Benz schlug im September 1936 dem RLM erstmals vor, den DB 603 mit einer geplanten Leistung von 1500 PS und einem Hubraum von 44,5 Litern zu entwickeln. Ein halbes Jahr später aber musste das Unternehmen die ersten Entwicklungsarbeiten stoppen. Andere Motorenmuster erhielten einen höheren Dringlichkeitsgrad. Erst Ende 1939, der zweite Weltkrieg hatte bereits begonnen, begann man sich von amtlicher Seite wieder für den DB 603 zu interessieren. Dies kam nicht von ungefähr, denn der damalige DB-Direktor Fritz Nallinger berichtete General Ernst Udet und auch Generalstabsingenieur Roluf Lucht über den Entwicklungsstand des DB 603 und zog dabei auch den Lizenzverkauf des Boliden ins Ausland in Betracht. Das Schreiben datiert vom 2. Dezember 1939.
Mit gesteigerter Volldruckhöhe
Kurze Zeit später, im Februar 1940, sagte Daimler Benz zu, von Oktober 1940 bis September 1941 dem RLM (Reichsluftfahrtministerium) 120 Null-Reihen-Antriebe zu liefern, darunter auch zehn Motoren mit sogenannten Grenzladern, die eine gesteigerte Volldruckhöhe erreichen sollten." .......
Über das Fachwissen von Dietmar Herrmann habe ich keine Erkenntnisse, doch die mir wichtig erscheinenden Daten habe ich fett markiert. Ansonsten gab es ja schon die Erklärung von AGO Scheer #5 Parallelentwicklung!
Schlussendlich lies die Luftwaffe drei Motoren in der gleichen Leistungsklasse parallel bauen: BMW 801, Jumo 213 und DB 603. Ob der Jumo 213 oder DB 603 die bessere Wahl gewesen wäre, sind nur noch Gedankenspiele für eine weitere Beschäftigung mit der Materie. .
 

HolgerXX

Fluglehrer
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Ich wollte mich noch für die Antworten bedanken. Das Informative habe ich bei mir archiviert. Dietmar Hermann ist übrigens ein renommierter Autor.

Grüße, Holger
 

Ta152

Testpilot
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Past die Wiederaufnahme der DB 603 Entwicklung vielleicht auch zeitlich mit den Kühlungsproblemen beim BMW 801 zusammen?
 
Junkers-Peter

Junkers-Peter

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Kühlungsprobleme? Der 801 hatte nicht mehr oder weniger Kühlprobleme als jeder andere Hochleistungsmotor. Als die Entwicklung des 603 offiziell wieder aufgenommen wurde, im Januar 1940, befanden sich gerade ein paar V-Motoren des 801 bis zum V15 auf den Prüfständen. Es gab noch keinerlei Flugerprobung oder sonstige Erfahrungen außerhalb der Prüfstände. Gerade im Januar 1940 hatte der V14 einen 100-Stundenlauf mit Belastungsspitzen bis 1800 PS ohne größere Beanstandungen absolviert.
 

Ta152

Testpilot
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Sind die Kühlprobleme bei den frühen FW 190 (Prototypen 0-Serie) eine weitere Nowarra Legende? Oder ist das ein reines FW 190 Problem gewesen?
 
Junkers-Peter

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Wenn es solche Probleme gegeben hat, dann waren diese wohl einbauseitig bedingt und hatten nichts mit dem Motor an sich zu tun.

Soweit mir die BMW-Berichte vorliegen, gab es in erster Linie Motorschütteln (das man übrigens über die gesamte Bauzeit des Motors nicht 100%ig in Griff bekommen hat), Probleme mit dem Ölkreislauf mit den entsprechenden Folgen wie Lagerschäden, Kurbelwellenbrüchen, Getriebeprobleme usw. und die üblichen Wehwehchen beim Serienreifmachen eines neuen Motors.
 
t7710

t7710

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Viel interessanter ist die Rolle von Helmut Sachse. Dieser ging später zu BMW und hatte maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des BMW 801. Eventuell war er schon früher während seiner Zeit im RLM als (geheimer) Lobbyist für BMW tätig und die Entscheidung gegen den 603 war von persönlichen Interessen geleitet.
Möglicherweise war Hellmuth Sachse der Einzige im RLM, der den Wildwuchs von Motorenprojekten bekämpft hat.
 
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