Um die Aversion der mittleren und älteren Bevölkerungsschichten im Iran gegen westliche Dominanz zu verstehen muss man etwas in die jüngere Geschichte zurück gehen.
Nachdem im August 1941 britische und sowjetische Truppen in Iran einmarschiert waren, wurde Reza Schah, der 1925 die Dynastie der Pahlavi begründet hatte, am 16. September 1941 zur Abdankung gezwungen und nach Südafrika ausgewiesen, wo er 1944 starb. Mit Billigung der Besatzungsmächte Großbritannien und Sowjetunion folgte ihm sein Sohn Mohammed Reza (1919-1980), der mit den Alliierten kooperierte und als ihr Verbündeter galt. Wirklich unabhängig wurde die Herrschaft Mohammed Rezas erst nach dem Ende der Besatzung 1946.
Am 1. Mai 1951 verkündete Mossadegh - der erste demokratisch gewählte Premierminister des Landes - die Verstaatlichung der iranischen Ölindustrie, um das Geld aus dem Ölgeschäft im Lande zu halten. Die Folge waren ein Boykott Irans durch fast alle internationalen Ölgesellschaften und eine Finanzkrise im Land. Trotzdem erhielt er vom Parlament für zwölf Monate Sondervollmachten.
Nach einem missglückten Versuch Mohammed Reza Schahs, Mossadegh seines Amtes zu entheben, und den darauf folgenden Kämpfen zwischen den Anhängern der beiden Kontrahenten floh der Schah ins Ausland. Am 19. August 1953 führten Teile der iranischen Armee mit Hilfe des amerikanischen Geheimdienstes CIA einen erfolgreichen Staatsstreich durch: Die USA befürchteten eine Annäherung Mossadeghs an die Sowjetunion. Mossadegh ergab sich der neuen Regierung Irans, der Schah kehrte aus dem Exil zurück. Für viele Iraner stand seither jedenfalls fest, dass alle wichtigen politischen Entscheidungen in Iran offenbar vom Ausland getroffen wurden. Dies galt bis zur Revolution 1979.
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Quelle:
Irans Geschichte: 1941-1979 - Vom Zweiten Weltkrieg bis zur Islamischen Revolution | bpb
Hintergrund für die Interventionen war nicht die Sicherung eines Landweges zur Versorgung der SU im 2. Weltkrieg - der war 1945 vorbei - sondern die Sicherung der iranischen Öl und Gasvorkommen.
Danach herrschte der Schah mit Unterstützung insbesondere der USA zu einem autokratischen Herrscher, der seinem Land mit Gewalt einen "westlichen säkularen Lebensstil", das Land "modernisieren" wollte, ohne aber demokratische Elemente zuzulassen. In dieser Zeit wurden auch die iranischen Streitkräfte mit den seinerzeit modernsten US-Waffensystemen ausgestattet (z.B. TOMCAT), und dem Iran die Entwicklung einer eigenen Atomenergiewirtschaft nahe gelegt.
Das alles hat "den Westen" bei der seinerzeitigen Bevölkerung als Kolonialmacht mit einem brutalen Handlanger (Schah) als Marionette erscheinen lassen.
Die Gegenreaktion war die Rückbesinnung auf nationale und religiöse Eigenheiten (ähnlich wie die katholische Kirche in Polen ein Hort des Widerstandes gegen die protestantischen Preußen, die orthodoxen Russen und später gegen die atheistischen Sowjets war). Am 30. März 1979 erfolgte eine Volksbefragung, in der die Bevölkerung aufgefordert wurde, für die Errichtung einer Islamischen Republik zu stimmen, was sie mit überwältigender Mehrheit tat. Am 1. April 1979 wurde die Islamische Republik offiziell ausgerufen und am 2. Dezember eine entsprechende Verfassung durch Volksabstimmung angenommen.
Zeitgleich wurde der westliche Zugriff auf die Öl- und Gasvorkommen des Landes beschränkt. Etwas, was insbesondere den Wirtschaftsinteressen der USA zuwider lief. Der Versuch eines Gegenputsches ist schon im Ansatz gescheitert (die Besetzung der US-Botschaft hatte seinerzeit durchaus einen Grund).
Die USA haben daher den regionalen Rivalen - Saudi Arabien - massiv ausgerüstet und versucht, den Iran mittels Sanktionen "in die Knie zu zwingen".
Dass das alles das Vertrauen in eine US-geführte Koalition nicht verstärkt, kann man sich vielleicht vorstellen. Dementsprechend hat auch der Iran seinerzeit begonnen, die regionalen Widerstandsgruppen gegen US-Dominanz zu fördern. Und ergänzend zu der von den USA ausgerüsteten (und ideologisch geschulten?) nationalen Streitkräfte wurden die "Revolutionsgarden" als zweite militärische Säule aufgebaut. Beide Säulen haben sich im Krieg gegen Saddam (der auch wieder von den USA massiv unterstützt wurde) ausgezeichnet geschlagen. Sie sind kampferprobt und lassen sich auch von scheinbar überlegenen Kräften nicht mehr einschüchtern. Der Einsatz von iranisch-afghanischen Milizen in Syrien tut ein Übriges.
Allerdings hat gerade die jüngere Generation durchaus Affinität zum westlichen Lebensstil entwickelt. Anstatt diese Generation und die Reformer zu fördern, wird immer wieder durch Druck versucht, den Iran "in die Knie zu zwingen". Das hat schon seit Jahrzehnten keinen Erfolg gehabt und selbst unmittelbar vor der US-Küste mit Kuba nicht geklappt. Trotzdem probieren es dominante Machtpolitiker wie DT immer wieder. Und verhärten damit die Fronten. Auch jetzt werden breite Bevölkerungsschichten im Iran eher auf wirtschaftliche Blüte verzichten, als gegenüber dem Druck der USA zu kapitulieren.
China - und auch Russland - treten dagegen als "Softpower" auf. Innenpolitische Entwicklungen sind insbesondere den Chinesen völlig egal. Sie erklären bei jeder Gelegenheit, sich nicht in die "inneren Angelegenheiten" eines Landes einmischen zu wollen. Die Wirtschaftskraft Chinas - als größter Importeur von iranischem Erdöl und präsenter Handelspartner für die Lieferung von Konsumgütern - und die militärische Hilfe Russlands (natürlich nicht ganz uneigennützig, sondern gegen harte Devisen und den Preis des diplomatischen Einflusses) helfen einem theokratischen Regime, die Sanktionen der USA zu überstehen.
Irans Streitkräfte sind zahlenmäßig inzwischen zu den größten Streitkräften der Welt angewachsen:
Militärisches Potenzial Irans so groß wie nie zuvor
Neben den noch aus Schahzeiten einsatzfähig gehaltenen Mustern kommen immer mehr Systeme sowjetischer bzw. russischer Herkunft, z.B. bei der Luftwaffe
Iranische Luftwaffe – Wikipedia
Dazu kommt die Entwicklung eigener Systeme mit einer zunehmend autarken Rüstungsindustrie
Iran präsentiert neues Flugabwehrsystem
Das "Dreieck" China - Iran - Russland ist in sich selbst überlebensfähig und unabhängig genug, um die Versuche von US-Sanktionen zu kontern.
Schon heute prägen chinesische Konsumgüter iranische Märkte. Es gibt eine direkte Bahnverbindung zwischen Teheran und China, und eine - dank jahrzehntelange Sanktionen - robuste iranische Wirtschaft.
Die Frage ist also nicht, ob man den Iran "in die Knie zwingen" kann, sondern allenfalls, ob man weiterhin bereit ist, China und Russland das Feld zu überlassen.