Kesselrings Rolle bei der Absetzung der schweren Bomberprojekte 1937: ungeklärt

Diskutiere Kesselrings Rolle bei der Absetzung der schweren Bomberprojekte 1937: ungeklärt im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Hallo zusammen, für die Ausarbeitung eines Vortrags über GFM Albert Kesselring konnte ich mich nicht nur auf seine Autobiographie "Soldat bis zum...

HolgerXX

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Hallo zusammen,

für die Ausarbeitung eines Vortrags über GFM Albert Kesselring konnte ich mich nicht nur auf seine Autobiographie "Soldat bis zum letzten Tag" stützen. Zum Einen, da die Darstellung bezüglich seines Kriegsverbrecherprozesses hätte einseitig sein können, zum Anderen, weil das Buch 1952 erschienen ist und deshalb sein späteres Wirken nicht abbilden kann. Zu diesem Zweck besorgte ich mir Kerstin von Lingen: "Kesselrings letzte Schlacht: Kriegsverbrecherprozesse, Vergangenheitspolitik und Wiederbewaffnung" (erschienen 2004 bei Ferdinand Schöning). Für ihr Ansinnen hätte von Lingen Kesselrings Werdegang auch weglassen können. Tat sie aber nicht. Was für mich die Gelegenheit war, die Rolle Kesselrings bei der Absetzung der Projekte schwerer Bomber (Dornier Do 19 und Junkers Ju 89) zu überprüfen. Das Ereignis (April 1937) fiel in die Ägide Kesselrings als Generalstabschef der Luftwaffe. Er selbst drückt sich in seinem Buch elegant um die Beschreibung des eigenen Wirkens dabei (keine Erwähnung auf den einschlägigen Seiten 39 - 41), während er sich zur Gelegenheit der Luftschlacht um England über das Fehlen strategischer Bomber beschwert (S. 100).

Von Lingen äußert sich dazu auf S. 42 (Anhang 1). Sie bezeichnet die Entscheidung als "eine der umstrittensten", obwohl außerhalb von Luftwaffe und Luftfahrtindustrie niemand davon Kenntnis gehabt haben dürfte. Zeitgenössischer Widerspruch ist nicht bekannt, sodass "umstrittenst" nur für die Nachkriegsdiskussion gelten kann. Die als Zitatgrundlage (Anm. 63) angegebene Ausarbeitung von Sam Lewis erwähnt keine Originalquellen (Anhang 2 - 3). Für die lustige Fortsetzung in Anmerkung 63 "Die leichteren Flugzeuge wurden damals im Volksmund "fliegende Kesselringe" genannt" liefert von Lingen keine Zitatbasis. Der Satz kann frei erfunden sein. Er enthält die Unterstellung, die Diskussion über den schweren Bomber wäre 1937 der Öffentlichkeit bekannt gewesen und hätte dort eine Rolle gespielt, was kaum glaubhaft erscheint.

Dass Kesselring dem traditionellen Heeresdenken verhaftet gewesen sein soll, könnte stimmen. Nicht überliefert ist jedoch die Behauptung, er hätte strategische Bombardierungen strikt abgelehnt. Anmerkung 66 (Lingen, S. 42, Anhang 1) beinhaltet ein glattes Falschzitat. Auf Seite 437 im Band 6 von "Das deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg" kommt Kesselring überhaupt nicht vor (Anhang 4, leider lässt der dicke Band einen besseren Scan mit meinen Mitteln nicht zu). Laut Register dieses Bandes erscheint er erst auf Seite 455, und dort in anderem Zusammenhang. Die Behauptung findet sich stattdessen bei Lewis, S. 273 (Anhang 2, wie gesagt ohne Zitatgrundlage). Einschlägige Äußerungen Kesselrings andernorts waren für mich nicht auffindbar.

Fundstellen von Interesse finden sich wieder in der ebenfalls durch von Lingen als Quelle angegebenen Biographie von Kenneth Macksey ("Kesselring: The Making of the Luftwaffe", New York 1978). Aber obwohl von Lingen das Werk von Macksey als wissenschaftlichen Anforderungen entsprechend darstellt (S. 24 Anm. 51), enthält auch dieses keine Veweise auf Originalzitate (S. 46 - 53, Anhang 5 - 8, davon erscheinen 6 und 7 aufgrund der technischen Beschränkung im anschließenden Posting). Was nicht nur in Bezug auf die hier angesprochene Problematik enttäuscht, sondern auch für den Versuch, Kesselrings "Heldentaten" im Ersten Weltkrieg nachzuweisen (ds., S. 23 - 27). Obwohl damals erst im Oberleutnants- bzw. Hauptmannsrang, soll er sich da bereits als gewiefter Taktiker erwiesen haben. Um so erstaunlicher dagegen erscheint der Umstand, dass Kesselring in seiner Autobiographie nichts davon erwähnt, da gibt er an, praktisch nur Stabs- und Generalstabsdienst geleistet zu haben (dort S. 14). Einen veritablen Verriss von Macksey liefert Stephen G. Fritz: https://www.h-net.org/reviews/showpdf.php?id=1527

Kesselrings Rolle bei der Absetzung der schweren Bomberprojekte bleibt demnach auch nach Auswertung der hier angegebenen Literatur ungeklärt. Unwidersprochen steht demnach die Begründung laut Lutz Budraß, Die deutsche Flugzeugindustrie 1918 - 1945, S. 528f Anm. 202, mit einer Kürzung der Haushaltsmittel.

Wer etwas zum Thema beitragen kann, möchte das bitte tun.

Grüße, Holger
 
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HolgerXX

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Hier die weiteren Scans von Macksey (Anhänge 7 und 8 nach Zählung oben), da er auf diesen Seiten zum "Uralbomber" Stellung nimmt bzw. der textliche Zusammenhang gewahrt werden sollte.
 
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Junkers-Peter

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Zur Rolle Kesselrings kann ich nichts sagen, da der Name in dem Zusammenhang weder in den mir vorliegenden Büchern noch Dokumenten vorkommt.

Den April 1937 als Zeitpunkt der Absetzung der Bomber kann man zwar überall lesen, der ist aber falsch. Bereits im August 1936 wurde Dornier angekündigt, dass kein langfristiges Interesse mehr an der Do 19 bestehe. Siehe auch das Entwicklungsprogramm vom 1. Oktober 1936, in dem erwähnt wird, dass keine Nullserie oder Beschaffung der Do 19 und Ju 89 beabsichtigt sei. Von der Ju 89 sollten lediglich zwei V-Muster gebaut werden.

Im November 1936 wurden dann übrigens die "Technischen Forderungen" für einen neuen Fernbomber (Bomber A) herausgebracht, aus denen später die He 177 als Sieger hervorging. Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürften die frühen Bomberprojekte Geschichte gewesen sein.

Ich empfehle übrigens zur Ju 89 von Kössler/Ott "Die großen Dessauer" (Planegg 1993). Darin findet sich noch immer die genaueste Beschreibung der Vorgänge, die zum Bau und schließlich zum Streichen der Bomberprojekte geführt haben. Dort wird auch erstmals die Rolle von Wever zurechtgerückt (Seiten 9-21).
 
Hagewi

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Die "leichten (nicht fliegenden) Kesselringe" werden wohl erstmals von Bekker in "Angriffshöhe 4000" erwähnt. Seite 223. Allerdings als ironische Truppenbezeichnung benannt. Wenn ich mich recht entsinne, finden sie sich danach auch noch in einigen anderen Veröffentlichungen.

Das alles im Zusammenhang mit den in den Jagdgeschwadern in der Endphase der Luftschlacht um England eingeführten Jaboaufgaben. Also mit großer Wahrscheinlichkeit ohne jeden Zusammenhang mit der Entscheidung um die schweren Bomber 1937 (oder auch 1936).
 
HoHun

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Moin!

Hier die weiteren Scans von Macksey (Anhänge 7 und 8 nach Zählung oben), da er auf diesen Seiten zum "Uralbomber" Stellung nimmt bzw. der textliche Zusammenhang gewahrt werden sollte.
Auf die Schnelle: Macksey impliziert hier, daß nur viermotorige Bomber strategische Bomber seien.

Das halte ich für völlig verfehlt. Wenn man sich die Geschichte der Bomberspezifikationen der RAF ansieht, dann war der RAF die Anzahl der Motoren ihrer Bomber ganz ausdrücklich egal. Die Bomberflotte der RAF sollte unter Einhaltung bestimmter taktischer Forderungen bei gegebenen Kosten für Anschaffung und Betrieb die größtmögliche Menge an Bomben ins Ziel bringen. Zweimotorige Muster wie die Whitley und die Wellington waren genauso strategische Bomber wie die Viermots. (Siehe "The RAF and Aircraft Design 1923–1939: Air Staff Operational Requirements" von Colin Sinnott.)

Ich habe mal eine Gegenüberstellung der Reichweiten-Nutzlast-Kombinationen der Ju 88A-1/A-5 und der B-17C gemacht (basierend auf den historischen Handbuchdaten). Man erkennt, dass bei geringer Eindringtiefe die Nutzlast schon einer Ju 88 durchaus ähnlich der einer B-17C war, die Boeing aber eine weit größere maximale Reichweite hatte. Offensichtlich wäre bei Anwendung der Flottenperspektive der RAF die Ju 88 eine bessere Wahl, wenn deren Eindringtiefe ausreichend ist und sie etwa die Hälfte einer B-17 kostet (was ungefähr hinkommen könnte).



(Beispiel: Eine Ju 88A-1 in Rüstzustand C bringt bei 1000 km Eindringtiefe 1000 kg Bomben ins Ziel, eine B-17C bei 1000 km etwa 2000 kg.)

Ansonsten ist mein Wissensstand etwa der von Junkers-Peter, wobei ich mich allerdings vor allem auf Hooton's "Phoenix Triumphant" stütze, das als Quellen für die Thematik der schweren Bomber Greens "Warplanes", Homzes "Arming the Luftwaffe" und Masons "Rise of the Luftwaffe" nennt, also Sekundärliteratur.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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HolgerXX

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Hallo Peter,

mit "April 1937" habe ich mich wohl etwas übertrieben festgelegt, bzw. zu leichtfertig übernommen. Der tatsächliche Entscheidungsprozess lässt sich weder aus Budraß noch aus Kössler/Ott (dort am einschlägigsten die Seiten 14/15) ganz genau herauslesen. Vielleicht muss ich da mir mal Arbeit auf den Plan setzen.
Die Aussage von Budraß ist noch dazu nicht ganz logisch. Eine Kürzung trifft schließlich den gesamten Rüstungshaushalt. Dass ein bestimmtes Projekt im Einzelnen betroffen ist, setzt mindestens eine weitere Überlegung voraus. Ein, so auch Budraß, "schwerer Bomber von langsamer Geschwindigkeit und mittlerer Reichweite" macht natürlich wenig Sinn, wenn kleinere Maschinen in etwa dieselbe Leistung bringen und der "Schwere" praktisch nur sein eigenes Gewicht zusätzlich schleppt.
Dennoch ist diese Sichtweise kurzsichtig. Vernachlässigt wird, dass die Motorenentwicklung weitergeht, stärkere Antriebe die Mitnahme von mehr Treibstoff und höhere Geschwindigkeiten ermöglichen. Die kantige Do 19 mag vielleicht beim Erstflug schon etwas veraltet erscheinen, aber die Short Stirling sieht auch nicht wesentlich anders aus und war nicht komplett erfolglos. Und rechnet man die Geschwindigkeit der glatteren Ju 89 auf stärkere Triebwerke um, kommt man in die Richtung der Werte der Britenbomber. Na gut, ein bisschen bessere Aerodynamik hätte auch geholfen.
Und was Kesselring angeht, seine Amtszeit als Generalstabschef dauerte von Juni 1936 bis Juni 1937. Er muss also auf jeden Fall beteiligt gewesen sein, auch und gerade weil er es nicht sagt. Kesselring war ein altes Schlitzohr. Von Lingen weist ihm die billigende Kenntnis eines Massakers an 15 amerikanischen Soldaten nach, wofür er nicht angeklagt wurde, und was er natürlich mit keinem Wort erwähnt.

Hallo Henning,

danke für die Infos. Die "leichten Kesselringe" beziehen sich bestimmt auf seine Verantwortung für ihren Einsatz als Oberbefehlshaber der Luftflotte 2. Mit der Kostenperspektive ist das so eine Sache, da scheint Ökonomismus durch, wie er vor allem auf deutscher Seite weit verbreitet war. Nicht berücksichtigt wird dabei die bessere Standfestigleit des viermotorigen Bombers, der vor allem die wertvolle Besatzung sicherer nach Hause bringt.

Vielen Dank noch einmal, und Grüße,
Holger
 

Sens

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Für die Rüstung in allen Bereichen fehlte es an Devisen. Sie waren der begrenzende Faktor für jedes Deutsche Rüstungsvorhaben. Die viermotorigen Bomber hatten keine Rolle in einem auf Europa begrenzten Krieg, der aus einer Reihe von schnellen Feldzügen bestehen sollte.
Für den Plan B gab ja ein erfolgversprechendes Exemplar. Es fehlte an Mitteln, es in großer Stückzahl zu produzieren, um den gewünschten Effekt im Zielraum zu erreichen. Mit der Sturzflugfähigkeit=Punktzielfähigkeit, wollte man das kompensieren. Wikiwand - Heinkel He 177
Die britischen viermotorigen Bomber waren praktisch auf Nachtangriffe beschränkt und konnten damit keine entscheidende Wirkung gegen militärische Ziele erreichen. Sie banden immerhin deutsche Kräfte in der Verteidigung und erst die amerikanischen Tagbomber mit Geleitschutz brachten 1943/44 die entscheidende Wende im Luftkrieg.
 
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Vielleicht wäre es angebracht, mal die Betrachtung auf die industriellen Möglichkeiten Deutschlands in den Fokus zu setzen.
Es ist vollkommen egal, was Kesselring wollte oder nicht.
Wenn die Kapazitäten nicht da sind, sind sie nicht da.

Zum Vergleich: den 1100 He 177 stehen rund 100.000 Bomber der Allierten gegenüber.

@Sens war 2 Minuten schneller.
 
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Junkers-Peter

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In die Zeit von Mitte 1936 bis Mitte 1937 fielen ja etliche Entscheidungen, auch in Sachen Ju 87 und Ju 88. Da ist mir Kesselring bisher nicht untergekommen in den Unterlagen. Bleibt die Frage, ob das an der schlechten Dokumentenlage liegt oder an Kesselring selber. Aber den genauen Entscheidungsprozess wirst du nicht mehr nachvollziehen können.

Im Lieferplan Nr. 4 vom 01.11.36 ist die Ju 89 noch drin mit 357 zu bauenden Maschinen. In einer Besprechung im Januar 1937 bei LC II (Flugzeugentwicklung) kann man lesen, dass eine 0-Serie und Serie der 89 und 19 nicht beabsichtigt ist. In dem Zeitraum fiel dann wohl die endgültige Entscheidung. Der Erstflug der Ju 89 V1 war übrigens einige Monate nach Absetzung des Baumusters im April 1937.

Und die Entscheidung über die Absetzung eines Flugzeugmusters fiel dann auch letzlich im Technischen Amt.

Die Ju 89 hatte sicher noch einiges Potential, besonders mit neuer Tragfläche ohne Doppelflügel.

@HoHun
Danke für das schöne Diagramm.
 

HolgerXX

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Hallo Peter,

sowohl Budraß als auch Kössler/Ott geben Einiges an Originalquellen an. Ich habe jetzt darauf spekuliert, solche könnten bei Forenteilnehmern vorliegen, zum Beispiel bei Dir. Wenn dem nicht so ist, müsste ich mich wohl irgendwann auf die Suche machen.

Grüße, Holger
 
Junkers-Peter

Junkers-Peter

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Von Seiten des RLM und des Generalstabs habe ich kaum was in Sachen der frühen Großbomber. Nur kurze Besprechungsnotizen, die aber nichts zum internen Entscheidungsprozess im RLM aussagen.

Noch kurz zum Potential: Mit der Ju 89 V2 wurden im Juni 1938 zwei Nutzlast-Höhenweltrekorde aufgestellt. Mit 5000 kg erreicht die Maschine eine Höhe von 9312 m und mit 10000 kg waren es noch 7242 m. An den Vorbereitungen war übrigens auch Willy Polte beteiligt, der Adjudant und persönliche Pilot von Milch.

Passend zu den damaligen Verwirrspielen wurde der Rekord von Junkers offiziell als von der Ju 90 erflogen eingereicht.
 

adama

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Das fehlen der deutschen strategischen Bomber wird als Fehler angesehen? Verstehe ich nicht. Glauben die Befürworter denn tatsächlich, dass eine deutsche Bomberwaffe England friedensbereit bomben konnte? Ein User hat ja schon darauf hingewiesen, dass es nicht darauf ankommt ob viermotorig oder zweimotorig. Es kommt darauf an, dass man die meisten Ziele erreichen und treffen kann. Das konnten auch die zweimotorigen Bomber der Luftwaffe. Das Hauptproblem der Bomber waren aber ihre Verluste, vor allem wenn sie ohne Begleitschutz fliegen mussten. Man hätte also einen Jäger gebraucht, der gegen Spitfire und Hurricane bestehen kann und eine große Reichweite hat. Deutschland hatte dafür die Me110 eingeplant und diese ist ihrer Rolle nicht gerecht geworden. Schon zum Ende der Battle of Britain haben die deutschen Bomber darum vor allem Nachts angegriffen, mit bescheidenen Erfolg. Viermotorige wären genauso gescheitert. Ja, im Laufe des Krieges wurden sogar immer öfter Jäger mit einer Bombe unter dem Rumpf gegen England losgeschickt, weil deren Erfolgsaussichten heil nach Hause zu kommen größer war, als die eines großen, langsamen Bombers. Aber es ist einfach illusorisch anzunehmen, dass eine Bomberflotte England so nebenbei, während das Groß der Luftwaffe in Russland kämpfte, England friedensbereit bomben konnte. Deutschland konnte nicht genügend Jäger für die Ostfront und die Heimatverteidigung gleichzeitig produzieren, wie hätte sie dann eine Bomberflotte bauen sollen und dafür auch noch Besatzungen bereitstellen können? (Es fehlte ab 1943 für die He177 an ausgebildeten Besatzungen und an Treibstoff, da Jäger Vorrang hatten)
Aufgrund der Entwicklung des Krieges, insbesondere der Entscheidung Russland anzugreifen, der USA den Krieg zu erklären, war die Entscheidung auf einen Viermot zu verzichten, goldrichtig. Es fehlte einzig ein Aufklärer für lange Strecken. Aber wie die Catalina zeigt, braucht man auch dafür nicht unbedingt einen Viermot.
 
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Das fehlen der deutschen strategischen Bomber wird als Fehler angesehen? Verstehe ich nicht. Glauben die Befürworter denn tatsächlich, dass eine deutsche Bomberwaffe England friedensbereit bomben konnte? Ein User hat ja schon darauf hingewiesen, dass es nicht darauf ankommt ob viermotorig oder zweimotorig. Es kommt darauf an, dass man die meisten Ziele erreichen und treffen kann. Das konnten auch die zweimotorigen Bomber der Luftwaffe. Das Hauptproblem der Bomber waren aber ihre Verluste, vor allem wenn sie ohne Begleitschutz fliegen mussten. Man hätte also einen Jäger gebraucht, der gegen Spitfire und Hurricane bestehen kann und eine große Reichweite hat. Deutschland hatte dafür die Me110 eingeplant und diese ist ihrer Rolle nicht gerecht geworden. Schon zum Ende der Battle of Britain haben die deutschen Bomber darum vor allem Nachts angegriffen, mit bescheidenen Erfolg. Viermotorige wären genauso gescheitert. Ja, im Laufe des Krieges wurden sogar immer öfter Jäger mit einer Bombe unter dem Rumpf gegen England losgeschickt, weil deren Erfolgsaussichten heil nach Hause zu kommen größer war, als die eines großen, langsamen Bombers. Aber es ist einfach illusorisch anzunehmen, dass eine Bomberflotte England so nebenbei, während das Groß der Luftwaffe in Russland kämpfte, England friedensbereit bomben konnte. Deutschland konnte nicht genügend Jäger für die Ostfront und die Heimatverteidigung gleichzeitig produzieren, wie hätte sie dann eine Bomberflotte bauen sollen und dafür auch noch Besatzungen bereitstellen können? (Es fehlte ab 1943 für die He177 an ausgebildeten Besatzungen und an Treibstoff, da Jäger Vorrang hatten)
Aufgrund der Entwicklung des Krieges, insbesondere der Entscheidung Russland anzugreifen, der USA den Krieg zu erklären, war die Entscheidung auf einen Viermot zu verzichten, goldrichtig. Es fehlte einzig ein Aufklärer für lange Strecken. Aber wie die Catalina zeigt, braucht man auch dafür nicht unbedingt einen Viermot.
Nein, die Zweimotorigen konnten nicht alle Ziele erreichen: Sie konnten nicht die irische See abdecken, keine Atlantikgeleitzüge angreifen und nicht die sowjetische Rüstungsindustrie - nicht umsonst hieß es schon 1936 "Uralbomber".

Grüße Rainer
 

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Man kann mobile Ziele nur angreifen, wenn man ihre genaue Position nach stundenlangen Anflug kennt. Die Fw-200C konnte fast 16 Stunden in der Luft bleiben. Auch bei stationären Zielen ein ungelöstes Problem. Man wusste schlicht nicht, was es an Rüstungsbetrieben in der SU gab. Auf deutscher Seite kannte man ja die Schwachpunkte der eigenen Rüstung. Für ein strategische Luftkriegsführung hat man weder das Material noch das Personal. Scheiterte eine zeitlich begrenzter Feldzug, dann hatte man ein Problem.
 
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Man wusste schlicht nicht, was es an Rüstungsbetrieben in der SU gab...
Das ist nicht zutreffend. Angriffe gegen Schlüsselpunkte der sowjetischen Industrie wurden geplant und in begrenztem Rahmen auch durchgeführt, z.B. gegen die Panzerproduktion in Gorki. Und dann gibt es ja schließlich noch die Aufklärung: Das Auffinden der Ziele war kein "ungelöstes Problem."

Gruß Rainer
 

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Luftangriffe auf Gorki – Wikipedia
Wer genau liest, dem fällt direkt auf, das, wie Du es richtig anmerkst, es nur vereinzelte Angriffe waren. Wichtiger noch, erst ab November 1941. Zu einem Zeitpunkt, wo Barbarossa längst entschieden sein sollte. Die, genauso wie die britischen Luftangriffe jener Zeit auf das Reich, nur eine sehr begrenzte Wirkung hatten.
Eine größere Stadt zu finden ist das kleinere Problem. Das viel kleinere Areal der jeweiligen Betriebe aus der Luft zu finden und mit einer begrenzten Bombenlast auch wirklich zu zerstören, ergab bestenfalls einen Propagandaerfolg. Schon Monate zuvor gelang es der deutschen Luftwaffe nicht, den Abtransport der Rüstungstechnik per Bahn in die Gebiete östlich der Wolga zu unterbinden.
In der Rückschau kennt man die Konsequenzen, doch die Zeitgenossen hatten bestenfalls eine Ahnung davon.
 
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Schon Monate zuvor gelang es der deutschen Luftwaffe nicht, den Abtransport der Rüstungstechnik per Bahn in die Gebiete östlich der Wolga zu unterbinden.
Genauso ist es.

Die Panzerwerke im Ural brauchten keine Luftangriffe fürchten.
Eine He 177 hätte es bis dahin geschafft - aber ohne jeden Jagdschutz.
 
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Luftangriffe auf Gorki – Wikipedia
Wer genau liest, dem fällt direkt auf, das, wie Du es richtig anmerkst, es nur vereinzelte Angriffe waren. Wichtiger noch, erst ab November 1941. Zu einem Zeitpunkt, wo Barbarossa längst entschieden sein sollte. Die, genauso wie die britischen Luftangriffe jener Zeit auf das Reich, nur eine sehr begrenzte Wirkung hatten.
Eine größere Stadt zu finden ist das kleinere Problem. Das viel kleinere Areal der jeweiligen Betriebe aus der Luft zu finden und mit einer begrenzten Bombenlast auch wirklich zu zerstören, ergab bestenfalls einen Propagandaerfolg. Schon Monate zuvor gelang es der deutschen Luftwaffe nicht, den Abtransport der Rüstungstechnik per Bahn in die Gebiete östlich der Wolga zu unterbinden.
In der Rückschau kennt man die Konsequenzen, doch die Zeitgenossen hatten bestenfalls eine Ahnung davon.
Das war aber nicht der Punkt. Es ging um die Behauptung, man habe nicht um den Standort wichtiger Industrieziele gewusst und die Zielfindung sei ein "ungelöstes Problem" gewesen - und das ist einfach falsch. Angesichts der sehr starken Zusammenfassung der sowjetischen Produktion in großen Fertigungszentren, der Abhängigkeit von wenigen Kraftwerken und der mangelhaften Luftabwehr, war die sowjetische Rüstungsindustrie sehr stark luftgefährdet. Ähnlich lag es zunächst mit den alliierten Geleitzügen, weil in den Weiten des Atlantik die Abwehr der Masse der Jäger wegfiel. Es fehlte schlicht an der Reichweite dahin zu kommen, "wo kein Jäger ist."

Gruß Rainer
 
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Wo hieß es schon 1936 "Uralbomber"? Würde mich interessieren.
Ja steht das in Frage? Der Begriff findet doch in der Sekundärliteratur seit Jahr und Tag Verwendung für die Fernbomber Do 19 und Ju 89.


Gruß Rainer
 
Thema:

Kesselrings Rolle bei der Absetzung der schweren Bomberprojekte 1937: ungeklärt

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