Der politische Direktor der Munoc-Mission über die Lage im Kongo und wieso Eu-Truppen notwendig sind
"Kongolesen haben Heidenrespekt vor hochtrainierten europäischen Soldaten"
Soldaten der Vereinten Nationen sichern in der Demokratischen Republik Kongo den Frieden zwischen den früheren Bürgerkriegsparteien. Eine EU-Eingreiftruppe soll die für Juni geplanten Wahlen schützen. Der politische Direktor der Blauhelm-Mission "Monuc", der Deutsche Albrecht Conze, erklärt, warum beide Einsätze nötig sind und wie sie sich unterscheiden.
Frankfurter Rundschau: Wozu werden in Kongo deutsche beziehungsweise europäische Soldaten gebraucht?
Albrecht Conze: Um den Wahlprozess in der Hauptstadt Kinshasa abzusichern. Diese Aufgabe können die Blauhelme nicht auch noch übernehmen. Die müssen im Osten des Landes Rebellen und Milizen kontrollieren.
Die für Mitte Juni geplanten Wahlen sind doch vor allem ein organisatorisches Problem - nach den Worten des UN-Generalsekretärs Kofi Annan sogar ein Albtraum. Wie können da Soldaten helfen?
Das Militär ist zur Sicherung der Integrität des Wahlprozesses nötig. Zwei der Präsidentschaftskandidaten unterhalten Privatarmeen: Joseph Kabila verfügt über eine fast 7000-köpfige Präsidentengarde und einer seiner Herausforderer, Jean-Pierre Bemba, hat nahe der Hauptstadt knapp 4000 Soldaten stehen. Durchaus möglich, dass der Wahlverlierer zur Gewalt greift und etwa die Wahlkommission, das Parlament sowie die Radio- und Fernsehstation besetzt.
Was können 300 EU-Soldaten gegen fast 10 000 Kongolesen ausrichten?
Die 10 000 marschieren ja nicht zusammen, die sind sich ja untereinander nicht grün. Außerdem handelt es sich um hungerleidende Fußsoldaten ohne jegliches militärisches Training. Die haben einen Heidenrespekt vor hochtrainierten europäischen Soldaten, auch wenn diese viel weniger sind. Wenn sie hier zwei Schützenpanzer mit EU-Soldaten den Boulevard hinauf- und hinunterfahren lassen, werden auch mehrere tausend kongolesische Soldaten am liebsten in ihrer Kaserne bleiben.
In Ostkongo wurde auf Blauhelme geschossen.
Aber nie im offenen Kampf. Da haben Milizen, die sich in ihren ökonomischen Interessen durch die Blauhelme gestört fühlten, Hinterhalte gelegt. Eine derartige Situation ist in Kinshasa undenkbar. Die hiesige Bevölkerung heißt die Europäer mit ganzem Herzen willkommen und fühlt sich von ihnen gesichert und ermutigt.
Werden nicht in anderen Regionen wie der Katanga-Provinz viel dringender Schutztruppen gebraucht?
Tatsächlich wären in Katanga Blauhelme bitter nötig - das hat aber nichts mit den EU-Truppen für Kinshasa zu tun. Leider hat der Sicherheitsrat die Bitte des UN-Generalsekretärs nach einer Blauhelm-Brigade für Katanga im vergangenen Jahr zweimal abgelehnt.
Die UN-Mission ist also unzureichend ausgestattet?
Wir sind tatsächlich an den Grenzen unserer Fähigkeiten angelangt. Es wäre aber unrealistisch, die Entscheidung des Sicherheitsrats noch umdrehen zu wollen, dieser Zug ist abgefahren. Jetzt müssen wir uns ganz auf die Wahlen konzentrieren.
Ist es nicht unverantwortlich, unter solchen Bedingungen überhaupt Wahlen zu veranstalten ?
Nein, umgekehrt: Wenn die Wahlen nicht stattfinden, gibt es gar keine Chance auf eine Stabilisierung. Die Wahlen sind allerdings nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einem stabilisierten Kongo.
Wie Sie sagten, wird die kritische Phase nach den Wahlen eintreten, wenn die Gefahr besteht, dass die Wahlverlierer zu den Waffen greifen. Könnte es passieren, dass die EU-Truppen für Jahre in Kongo festsitzen, wie die Nato in Kosovo?
Die beiden Szenarien kann man nicht vergleichen. Die Nato hat in Kosovo die Gesamtsicherungsaufgabe übernommen - wie hier in Kongo die UN. Dagegen sind die EU-Truppen ja nur eine zeitlich befristete Zusatzversicherung zu einem bestimmten Zweck. Wir gehen von vier Monaten aus. In dieser Zeit wird auch der zweite Wahlgang abgeschlossen sein und die gewählten Institutionen werden dann hoffentlich ihre Arbeit aufnehmen. Vier Monate sind knapp, aber ausreichend.
Interview: Johannes Dieterich
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