Krieg und Technologie: hat die (zivile) Luftfahrt von Konflikten profitiert

Diskutiere Krieg und Technologie: hat die (zivile) Luftfahrt von Konflikten profitiert im Luftfahrzeugtechnik u. Ausrüstung Forum im Bereich Grundlagen, Navigation u. Technik; Wertes Forum, im Lilium-Thread kam die These auf, dass die zivile Luftfahrt von Zweiten Weltkrieg aufgrund technologischen Fortschritt profitiert...
Schorsch

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Alien
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Wertes Forum,
im Lilium-Thread kam die These auf, dass die zivile Luftfahrt von Zweiten Weltkrieg aufgrund technologischen Fortschritt profitiert hat.

Post 4151ff.

Ich hatte dem widersprochen, aber im Lilium-Thread ist dieses hochinteressante Thema gewiss nicht gut aufgehoben.

Daher erst mal eine (steile) Eingangsthese: technologisch war der zweite Weltkrieg für die zivile Luftfahrt eine weitgehende Nullnummer. Es gab nach dem Krieg nichts, was nicht auch vorher schon gab.
 
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Kenneth

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Alien
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Douglas DC-4 (Erstflug 1942) und DC-6 (Entwicklungsbeginn 1944), quasi die Vorbilder moderne Verkehsflugzeuge?
 
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Daher erst mal eine (steile) Eingangsthese: technologisch war der zweite Weltkrieg für die zivile Luftfahrt eine weitgehende Nullnummer. Es gab nach dem Krieg nichts, was nicht auch vorher schon gab.
Bezogen auf die reine LFZ-Technik (Zelle, Triebwerke etc.) ist der unmittelbar auf zivile Erzeugnisse umlegbare Fortschritt augenscheinlich eher gering gewesen. Hier war - gefühlt - erst ab den 50er Jahren richtig Dampf dahiner. Ich bin jedoch der Ansicht, daß einzelne, z. T. aus der Vorkriegszeit stammende Elemente insbesondere im Bereich Navigation und Flugführung im Krieg sehr schnell miteinander kombiniert wurden und die Grundlage für die Langstreckennavigation, Flugverkehrskontrolle und insbesondere Landung bei schlechtem Wetter gebildet haben. Hierdurch hat die Zivilfliegerei erstmalig die relevanten Vorteile ausspielen können. Schnell, (verhältnismäßig) sicher und vor allen Dingen recht gut planbar weiter entfernte Destinationen bedienen zu können. Beispiel ILS: ZZ-Verfahren aus der Vorkriegszeit -> weiterentwickelt zum Lorenz-Verfahren für die Bomber-Stützpunkte der deutschlen Luftwaffe -> die Amerikaner haben dann deren weiterentwickeltes SCS-51 auf praktisch jedem Stützpunkt in GB installiert und die neugegründete ICAO das dann wiederum nach dem Krieg - neben dem GCA - zum Standard für bodengestützte Anflüge gemacht.
 
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Guter Punkt, das lag sicherlich auch daran, dass erstmals bei (fast) allen Wettern geflogen wurde. Transatlantik-Flüge waren vor dem Krieg ein Stunt, anschließend Routine. Es wurde viel "Flugbetrieb" im praktischen Einsatz gelernt.
 
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Flugbetrieblich war es mit dem Kriegsende noch nicht zuende, Beispiel Berliner Luftbrücke. Und die ICAO mit ihrem Völker-verständigendem Anspruch.

Die betrieblichen/organisatorischen Fortschritte waren nur möglich, weil es fliegendes Material und Bedienpersonal in Hülle und Fülle gab.
 
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Ich hab mal etwas recherchiert. In den USA gab es natürlich viele Ideen bei Flugzeugherstellern (siehe Lockheed, Boeing, Convair), wie man die "Kriegsprodukte" ins zivile Geschäft überführen konnte. Man denke an den berühmten Boeing Stratoliner und Stratocruiser, im Prinzip auf das Tragwerk der B-17 bzw. der B-29 aufgesetzte Zivilflugzeuge. Weitere Beispiele sind die Consolidated R2Y (basierend auf B-24) und die wenig bekannte Convair XC-99 (B-36). Alle krankten wohl daran, dass die Flugzeuge zu groß waren und weiterhin die Triebwerke teilweise für den zivilen Betrieb zu unzuverlässig (siehe Pratt & Whitney R-4360 Wasp Major). Insgesamt wurde aber wohl wenig explizit für den zivilen Betrieb entwickelt. Erschwerend kam wohl hinzu, dass es einfach eine große Menge Maschinen aus dem Militär gab, die günstig abgegeben wurde (DC-4, C-47).

Anders war es in Großbritannien. Da hat man sich bereits mitten im Krieg Gedanken über die Zeit nach dem Krieg gemacht, und eine Reihe von Entwürfen gestartet (siehe Brabazon Committee - Wikipedia). Darunter waren zwei Flugzeuge, die dann erfolgreich waren. Zum einen die Vickers Viscount, welche als erstes Verkehrsflugzeug mit Turboprop richtig erfolgreich war (>400 Exemplare gebaut, davon viele in die USA geliefert). Und natürlich die DH Comet. Hinsichtlich Innovation lag GB also deutlich vor den USA, wo man ja weiterhin auf dicke Sternmotoren setzte (welche natürlich ein Produkt des Krieges waren). Hier vor allem auf die weniger "hochgezüchteten" Modelle wie der Pratt & Whitney R-2800 Double Wasp.

Die technologische Führerschaft der USA war dann eher ein Ergebnis der Investitionen, welche in Folge des Ost-West-Konflikts getätigt wurden. Also vor allem die zweite (?) Generation von Jet-Triebwerken (J57 aka JT3), sowie aus den Nachkriegsprojekten gewonnenen Erfahrungen bei Aerodynamik und Zelle.
 
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Hinsichtlich Innovation lag GB also deutlich vor den USA, wo man ja weiterhin auf dicke Sternmotoren setzte (welche natürlich ein Produkt des Krieges waren). Hier vor allem auf die weniger "hochgezüchteten" Modelle wie der Pratt & Whitney R-2800 Double Wasp.
Was bei Lichte betrachtet ein Vorgehen ist, das die Amerikaner bis in die heutige Zeit wie aus dem ff beherrschen. Ein - aus möglichst kostengünstigen Einzelteilen bestehendes - Produkt auf Stückzahl hochskaliseren und idealerweise über Jahrzehnte mit nur den notwendigsten Anpassungen über den Preis im (insbesondere riesen Binnen-)Markt halten. Ob das jetzt ein V8-Motor ist, ein AR-15 oder eine 737...
 
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Ich hab mir heute mal die Leistungsdaten der Flugzeuge der Zeit angeschaut. Die DC-6 war ein eher geruhsamer Geselle (~250-270kts). Bei der DC-7 hatte man dann den "dicken" Motor eingebaut, um transkontinental in 8h zu schaffen (300-320kts). Am Ende wurden die DC-7 vor den DC-6 ausgemustert, weil eben die dicken Sternmotoren ziemliche Biester waren. Die Amis saßen halt auf bewährter Technologie. Die Turboprops waren auch nicht der Weisheit letzter Schluss: zwar schneller, aber auch deutlich durstiger. Die Reichweiten waren geringer, transatlantisch flogen zumeist Piston-Props.
Erstaunlich sind die Stückzahlen der amerikanischen Piston-Props. Aber das lag wohl zum einen am Heimatmarkt (der damals wohl 80% des zivilen Flugverkehrs ausmachte), und der starken politischen Macht der USA. Natürlich hat eine Lufthansa in den USA gekauft. War ja bis gar nicht so langer Zeit so.
 

alois

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Es gibt ja die Theorie, dass nichts in einem Krieg neu entwickelt wird, weil einfach die Zeit fehlt. Alles was in Kriegen gab, hatte die Grundlage schon vor dem Krieg. Das Düsenflugzeug wurde vor dem Krieg erfunden. Es wurde nur durch den Druck des Krieges im Krieg weiter entwickelt. Das Radar wurde auch vor dem Krieg erfunden usw. Die Sternmotoren gab es auch schon vor dem Krieg und wurden nur durch den Druck schneller leistungsfähiger gemacht, so wie auch Reihenmotore. Selbst die Rakete wurde schon vor dem 2.WK erfunden und durch den Druck den Deutschland hatte zu einem nutzbaren Produkt entwickelt. Die Idee der Atombombe gab es auch schon vor dem Krieg. Wenn man dann etwas weiter ins Detail geht, dann sind zwar einige Flugzeuge erst im Krieg das erste mal geflogen, aber diese hatten ihren Entwicklungsbeginn vor dem Krieg, manche auch als als Schubladenprojekt und konnten durch das Geld das im 2.WK frei gemacht wurde gebaut werden. Alle wichtigen US Flugzeuge hatten ihren Ursprung vor dem 2.WK. Alles was im 2.WK weiter entwickelt wurde, wäre sowieso weiter entwickelt worden, evtl mit längerem Zeitraum, aber es wäre. Das Großraumflugzeug wurde mit der DC-2 schon vor dem Krieg erfunden, nach damaligen Maßstäben. Alles was Douglas danach gebaut hat fußte auf der DC-2, quasi hochskalierte Entwürfe.

Übrig bleiben nur noch Verfahren, die durch die Massenanwendung notwendig wurden und zur Grundlage der Zivilluftfahrt nach dem Krieg wurde.

Das Brabazoon Komitee hat ja auch nichts wirklich neues erfunden. Es hat lediglich vorhandene Technik in nutzbare Projekte umgesetzt. Z.B. großes Flugzeug plus Düsentriebwerk --> Comet. Große Flieger gab es schon vorher, wenn auch kolbenmotorangetrieben, die Technik wie man größere Zellen bauen kann gab es schon und das Düsentriebwerk gab es auch schon. Man hat beides zusammen geführt und daraus wurde die Comet. Naja, Boeing und andere kamen ja auch auf den gleichen Gedanken, nahezu zeitgleich. Die Briten waren nur etwas schneller und fielen erst mal auf die Nase, weil zu wenig Grundlagenforschung betrieben wurde.
 
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