AW: Kurz- und Mittelstreckenjets...Geschichte und Evolution
Die Fokker 100 gab es in diesem Segment ja auch noch - allerdings ging Fokker zu der Zeit pleite, als die MD-95/ 717 so richtig begann, Form anzunehmen. Die F100 hatte IIRC ein superkritisches Profil und ein (verglichen mit den Douglas- und sogar Boeing-Flugzeugen) ein ziemlich modernes Cockpit.
Was wäre passiert, wenn Fokker nicht pleite gegangen wäre, und es geschafft hätte, eine F130/ 100/ 70 Familie mit neuen Triebwerken und einer ordentlichen Reichweite (Centertank) zu bauen? Kann man annehmen, dass sich Boeing die 736 geschenkt, und stattdessen die 717 forciert hätte?
Das Flugdeck der Fokker 100 wirkte auf mich als Laie im Vergleich zur MD-80 erheblich moderner. Ursprünglich sollte ja das Fokker 130 –Programm Anfang 1991 starten und als Interessenten wurden namentlich American Airlines und USAir genannt, beide damals große Kunden für die Fokker 100. Fokker wollten offiziell mit der längeren Fokker 130 und der kleineren Fokker 70 (vorher Fokker 80) dann eine „Fokker JetLine“ anbieten und den Markt zwischen 70 und 130 Sitzplätzen abdecken. Dieses Segment wäre meiner Ansicht nach aber auch für Fokker problematisch geworden, da wenig später Fluggesellschafte begannen, kleinere Flugzeuge an Regionalgesellschaften auszulagern und es Probleme gegeben hätte, zum Beispiel die Fokker 70 von einer Zubringerlinie einsetzen zu lassen und die im Grunde nur längere Fokker 130 von mainline-Piloten. Ähnliche Probleme hatte damals auch Swissair, die ihre Fokker 100 eigentlich von Crossair einsetzen lassen wollte (Kostengründe), dies dann aber nicht konnte (Prostest der SR-Piloten). CRsoaair führte dann BAe 146 ein, teilweise überlappender Einsatz mit Swissair. Erst Jahre später zeigen Dokumente auf, wie problematisch die Personalkosten bei Swissair damals schon waren und dies der wahre Grund war, warum Swissair nicht (wie Austrian, SAS oder Finnair) ihre MD-80-Flotte mit MD-87 ergänzte (…„für Europa nicht geeignet“ – aha, die meisten MD-87 wurden an Europa ausgeliefert…). Swissair konnten aber schwerlich für MD-87-Piloten weniger zahlen, nur weil die Röhre ein paar Meter kürzer war.
Ich nehme an, dass die Fokker 100 (selbst in der leistungsstärksten Version) weiterhin einige Problemfelder hatte. Sehr früh äußerte KLM ihre Unzufriedenheit mit der Fokker 100 und Nichteignung als Modell für Zubringer wegen zu kleiner Frachträume. KLM waren schon durch Lieferverzögerungen ziemlich genervt und mussten ihre bereits verkauften DC9-32 relativ teuer zurückmieten, um den laufenden Flugbetrieb ausführen zu können. KLM wählten sehr bewusst die Mitte der 1980er die Kombination aus Boeing 737-300 und Fokker 100 als Ersatz der DC-9. Später sollten 737-400 folgen.
Swissair lobte offiziell die Fokker 100, auch hier kam erst auf dem zweiten Blick der Unmut. Die insgesamt ja erfolgreiche Fokker 100 konnte bei wichtigen Ausschreibungen in Europa keinen Erfolg feiern. Mitte der 1980er stand u.a. auch die Fokker 100 u.a. bei Iberia und SAS im Zuge ihrer jeweiligen Flottenerneuerungspläne zur Diskussion.
Die Fokker 130 wäre gegenüber der Fokker 100 knapp über sechs Meter länger gewesen und hätte eine um 3 m höhere Spannweite präsentiert. Die bei der Fokker 100 optionale Servicetür im hinteren Teil wäre Standard gewesen und das Leitwerk 1,3 m höher. Fokker sahen sehr bewusst die Fokker 130 als Konkurrent der Boeing 737-300 und MD-87.
Ob die Fokker 130 erfolgreich geworden wäre? Hm…schön wäre es gewesen. Leider hat sich die Fokker 100 mit ihrer Leistungsfähigkeit „am unteren Ende des Spektrums einer MD-95“ bewegt und dies schränkte die Chancen bei bestimmten Kundengruppen ein. Bekannt ist hier einst die Entscheidung der Schweizer CTA, die ihre vier Caravelle durch Fokker 100ER ersetzen wollte. Mit enger Bestuhlung (119 oder gar 122 Sitzplätzen) sollte die Fokker 100ER nonstop ab der Schweiz zu den Kanaren fliegen können. Wenn man sich die Kabinenpläne dieser Versionen anschaut, dann blieb ganz wenig (zu wenig!) Platz für Bordküchen, Duty-Free etc..
Die Fokker 100 wäre dann technisch von Swissair betreut worden. CTA entschieden sich aber für die MD-87, um damit alle damaligen Marktanforderungen erfüllen zu können und die technische Betreuung übernahm auch hier Swissair.
Fokker werden meinerseits immer Hochachtung für ihre Leistungen haben, da es gelang, auch und gerade Fluggesellschaften mit schwierigen Anforderungen und schlechter Infrastruktur vom Einstieg in das Jet-Zeitalter mit ihrer einfach gebauten F28 zu überzeugen. Die Fokker F28 hat beispielsweise in Indonesien viel mehr zur Etablierung eines tragfähigen Streckennetzes beigetragen als Hunderte von Boeing 737NG heute. Für Garuda war die F28 das Arbeitspferd für viele Routen, auf denen nicht einmal ihre DC-9 starten und landen konnte. Wie universell Fokker-Jets einsetzbar waren, zeigt sich an der Anzahl an verschiedensten Fluggesellschaften, die in eher kleinen Stückzahlen Flugzeuge abnahmen. Die Fokker F28 erzielte so gesehen - proportional zu der Gesamtzahl an hergestellten Flugzeugen - einen sehr hohen Erfolg. Über die Gesamtproduktionszahl lächeln viele heute, aber Verkäufe von zwei, drei Fokker F28 waren eher die Norm.
Ja, die nutzbare Reichweite war sicherlich bei der Fokker ein Problem, aber gleichzeitig zeigt es ja auch auf, wie gut diese Modelle auf Kurzstrecken optimiert waren. Keine Fluglinie braucht zwischen Stuttgart und Berlin die Leistungsfähigkeit einer 737-700. Praktisch ist es natürlich, wenn so eine 737-700 dann ab Berlin nonstop zu den Kanaren fliegen kann. Ich weiß nicht, ob Fokker zugunsten von mehr Reichweite die Charakteristik der Fokker entscheidend hätte ändern wollen. Andererseits entschieden sich gerade potentielle Fokker 100-Kunden gegen das Muster, gerade weil es nicht die Einsatzflexibilität aufwies, wie die 737-500 oder MD-87 oder auch die Möglichkeit, viel Fracht zusätzlich zu befördern. Linjeflyg ist ein gutes Beispiel mit ihrer F28-Flotte, die sie sehr erfolgreich einsetzte und dann doch die Boeing 737-500 als Ergänzung wählte und nicht die Fokker 100.
Wäre ja nur eine von vielen Heuschrecken und der mündige Bundesbürger nimmt es ja letztlich so hin, vergisst schnell bzw. vergibt durch Kreuzchen Regierungsaufträge, die solche Zustände billigen oder gar unterstützen
. Das Gequake ist meistens recht kurz und dann kommt ein neues Thema. Wäre ich ein Heuschreckenmanager, würde ich lächeln und erstmal auf Firmenkosten in einem guten Restaurant ein Filetsteak essen. Falls ich meinen Job (inklusive Abfindung natürlich) verliere, bekomme ich gleich neue Angebote, muss also nicht zur Bundesagentur für Arbeit oder so. Ich wäre wohl auch eine Heuschrecke
, weil ich mich dem System anpasse.
Gruss