Landeunfälle - Me 109/Fw 190

Diskutiere Landeunfälle - Me 109/Fw 190 im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Moin! Es fehlt aber auf jeden Fall die Dämpfung durch die starre Seitenflosse, weil die sich ja beim Gieren mitdreht. Und die Ruderwirksamkeit...
HoHun

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Moin!

Höhen- und Seitenleitwerk befinden sich im Propellerstrahl. Die Wirksamkeit der Ruder ist daher von Anfang an vorhanden.
Es fehlt aber auf jeden Fall die Dämpfung durch die starre Seitenflosse, weil die sich ja beim Gieren mitdreht.

Und die Ruderwirksamkeit ist ja auch nicht "an/aus", sondern steigt mit der Geschwindigkeit des Luftstroms über dem Ruder. John Deakin beschreibt den Effekt für verschiedene Typen in diesem sehr lesenswerten (englischen) Artikel unter der Überschrift "Aircraft Design":

Pelican's Perch #87: Killer Go-Arounds - AVweb Features Article

Zumindest für die Spitfire sagt er klar, "Man hat so viel Leistung in der Mark XIV, daß der Pilot beim Start bei niedrigen Geschwindigkeiten die Grenze der Ruderwirksamkeit erreicht, bevor die volle Leistung anliegt." Mit anderen Worten, der Motor dreht die Spitfire mit zunehmender Leistung immer stärker aus der Richtung (auch gegen das gleichzeitig durch den sich verstärkenden Propellerstrahl immer wirksamer werdende Ruder).

Wie ich gerade sehe, erläutert Deakin er auch, daß ein starr verriegeltes Spornrad nur der Flatterdämpfung dient, während ein auf das Seitenruder aufgeschaltetes Spornrad wirklich die Steuerbarkeit verbessert. Ich muß zugeben, daß ich nicht sicher bin, in welche Kategorie die Me 109 und die Fw 190 jeweils fallen. Ich habe schon ausgiebig auf die entsprechenden Handbuchabschnitte gestarrt und würde eher auf "nur Flatterdämpfung" tippen. Ich glaube, bei der Fw 190 steht der Begriff "Spurzwang", aber ich weiß leider nicht genau, was das konkret heißt.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Schau dir mal zeitgenössische Filme mit 109er beim Start an, und achte auf die Höhenruder.
Die haben genau das selbe gemacht, beim Anrollen drücken um das Heck zu heben, wenn das Ruder dann richtig im Luftstrom steht, hat es auch Wirkung.
Und dann schau dir aktuelle Filme an, da siehst du genau das selbe. Das höhere Seitenleitwerk inkl. dem längeren Sporn, dienen primär dazu das zu vereinfachen, die Höhenflosse schneller aus dem Schatten des Flügels bzw den Wirbeln zu bekommen, um die Wirkung schon bei niedriger Geschwindigkeit zu erhöhen.
Ich gebe zu, daß ich mir für die Me 109 noch keine Filme angeschaut habe. Pilotenaussagen und Handbücher (oder "Exerzierkarten") lassen mich vermuten, daß es nicht unbedingt einheitliche Techniken gegeben hat, und ich meine, daß "den Schwanz nicht zu früh heben" bei der Me 109 einer der Ratschläge für den Me-109-Piloten war. Vielleicht war das aber eine Aussage eines finnischen Piloten, und die Finnen hatten auch wieder ihre eigenen Ideen, wie man die Me 109 fliegt :-)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
AGO Scheer

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Edit: Hilmar war schneller (Nr 2)
 
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Darf ich Eigenwerbung machen und dir meinen Schinken empfehlen? Das Kapitel über die Einfliegerei bei AGO (S.244-277) ist war speziell auf AGO bezogen, ist aber für die Industriefliegerei ganz allgemein zutreffend, weil vergleichbar. Oder "Klassiker der Luftfahrt", 05/2017 "Leben am Limit"- da ist zum Thema alles extrem geballt, aber sehr übersichtlich dargestellt.
Sehr gerne! :-) "AGO-Flugzeugwerke. Vom Gitterrumpf zur Me 262" von René Scheer ist richtig?

Danke auch für den Verweis auf die "Klassiker der Luftfahrt" ... ein Freund von mir hat die vollständig, da werde ich bei Gelegenheit mal reingucken.

Denn außer: "Das war damals eben so", habe ich in meinen Unterlagen, die aus dem BA Lichterfelde stammen und sich auf die Einfliegerei beziehen, keinen Satz in den noch vorliegenden Industrieakten gefunden, der vorschreibt, dass der Start verbindlich (!) in Dreipunktlage zu erfolgen hat.
Das finde ich auch schlüssig, denn ich glaube, die Philosophie war damals auch, dem Piloten nur sehr wenige Verfahren vorzuschreiben und ihm bei der Wahl der Flugtechnik viel Freiheit zu lassen. Allerdings hat Fw-190-Pilot Erich Brunotte in einem seiner Interviews beschrieben, daß man bestimmte Techniken möglichst nicht vor den Augen des Staffelkommandeurs machen sollte, wenn man einen Anschiß vermeiden wollte :-)

(Es gibt da eine Serie von sehr interessanten Interviews mit ihm online, z. B.:
)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
HoHun

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Und die Ruderwirksamkeit ist ja auch nicht "an/aus", sondern steigt mit der Geschwindigkeit des Luftstroms über dem Ruder.
Dazu habe ich gerade noch etwas in "Aerodynamics for Naval Aviators" gefunden:

"Die herkömmliche Spornradauslegung hat diese grundlegenden Instabilität oder Ausbrechneigung, die vom Pilot stabilisiert werden muß. Bei hohen Rollgeschwidigkeiten, bei denen die aerodynamischen Kräfte nennenswert sind, widersteht die aerodynamische Richtungsstabilität des Flugzeuges der Ausbrechneigung. Ein Ausbrechen ist immer dann am wahrscheinlichsten, wenn die Rollgeschwindigkeit nicht hoch genug ist um einen Beitrag der aerodynamischen Kräfte zu gewährleisten. Wenn das Spornrad nicht verriegelt ist oder wenn die Auflast auf dem Spornrad klein ist, kann ein Mangel an Aufmerksamkeit seitens des Piloten zu einem 'Ringelpiez' führen."

Die von Deakin erwähnte Kopplung des Spornrades ans Seitenruder ermöglicht es dem Piloten zwar, mit Hilfe des Spornrades zu steuern, aber sie trägt auch zur Instabilität bei, weil in dem Moment, in dem das Flugzeug eine Kurve rollt, das Spornrad durch seinen Nachlauf die Kurve noch verschärfen will. Um das zu verhindern, muß der Pilot das Seitenruder jeweils entgegen der Kurvenrichtung betätigen.

Dabei ist die erforderliche Kraft um so größer, je länger seine Reaktionszeit ist, weil das Flugzeug ja selbstständig die Kurve immer enger zieht und so die das Spornrad in die Kurve stellende Fliehkraft immer größer wird.

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
KlausJ

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Hallo Henning,

letztlich ist die Auslegung eines Flugzeugs immer durch viele Kompromisse geprägt.

Wir „kratzen“ ja hier auch nur sehr an der Oberfläche mit ein paar griffigen Parametern. Beim rechtsdrehenden Propeller wird die Tendenz nach links durch mehrere Parameter beeinflusst.
Das ist zum einen der oben schon angesprochene Kreiseleffekt (Kreisel-Präzession), wonach eine rotierende Masse bei einer Auslenkung der Achse mit einem Kippen (Kippmoment) im rechten Winkel dazu reagiert.
Der nächste Effekt ist nicht mehr so offensichtlich. Fährt das Flugzeug auf dem Spornrad, steht die Propellerebene schräg zur Fahrt-/Flugrichtung. Dadurch hat das Propellerblatt, das sich nach unten dreht, einen größeren Anstellwinkel (gegenüber der Fahrtrichtung), als das nach oben laufende. Damit ist (vom Flugzeugführer aus betrachtet) rechts unten mehr Vortriebskraft, als links, woraus gegenüber der Hochachse ein Drehmoment nach links erzeugt wird.
Dann wirkt ja infolge von Akctio und Reactio (das war wohl ein Axiom von Newton) auf das Flugzeug ein Moment um die Längsachse, das so groß ist, wie das Propellermoment (oder neuhochdeutsch: Torque). Die Folge ist eigentlich eine erforderliche Querrudereingabe, aber eben auch, dass das linke Fahrwerksbein stärker auf den Boden gedrückt wird und damit mehr Reibung hat, wodurch eben schon wieder ein Moment um die Hochachse entsteht.
Schließlich erzeugt ein Propeller keinen ideal geraden Schub nach hinten, sondern einen drallförmigen Luftstrom. Dieser trifft auf das Seitenleitwerk und erzeugt damit zusätzlich ein Drehmoment um die Hochachse.

Deiner obige Antwort bezüglich Dämpfungsfläche stimme ich nur bedingt zu, denn Dämpfungsfläche und Ruder ergeben in Summe ein aerodynamisches Profil, das im Luftstrom liegt und damit einen Auftrieb (oder eben am SLW eine seitlich gerichtet Kraft) erzeugt.
Das eigentliche Problem ist, dass der Startvorgang nicht stationär ist, sprich eine einmal getroffene Einstellung kann nicht beibehalten werden. Vom Piloten wird da eine laufende „Nachjustierung“ - z. T. mit erheblichen Rudereingaben - gefordert.

Vielleicht sollte man auch bedenken, in welchem Zusammenhang die Start-/Landeunfälle stehen. Bei ca. 33 Tsd produzierten Bf 109 und ca. 18 Tsd produzierten Fw 190 wurden in Summe bestimmt weit jenseits der 100 Tsd Flugbewegungen durchgeführt. Dass die Unfälle oft dramatisch waren will ich damit gar nicht in Abrede stellen, aber sie war m. M. auch nicht dominierend.
In einer analytischen Abhandlung zur „Luftkriegstaktik“ von 1943 wurden z. B. die Vor- und Nachteile eines Zweibeinfahrwerks breit und schmal und Dreibeinfahrwerks bei Jagdflugzeugen behandelt. Dabei sah man durchaus, dass ein breites Fahrwerk besser ist, aber eben auch, dass damit die Fläche strukturell verstärkt sein muss. Oder dass ein Dreibeinfahrwerk keine Tendenz zum Springen hat, bei einer heftigen Landung, aber dass das durch zusätzliche Last (vor dem Schwerpunkt) erkauft werden muss usw.

Auch sollte man nicht vergessen, dass die Jagdmaschinen damals wie heute hochwertige Fluggeräte waren und sind, die nicht für einen Gelegenheitspiloten geeignet sind. :rolleyes1:

Geht jetzt schon ziemlich weit weg, vom ursprünglichen Thema, werde aber versuchen, deinen Beitrag nicht weiter zu „verwässern“. :whistling:

Grüße,
Klaus
 
AGO Scheer

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Ich finde nicht, dass es verwässert wird. Das ist mal etwas "Handfestes", das Theoretikern durchaus eine Bereicherung ist!
 
HoHun

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Moin Klaus,

Deiner obige Antwort bezüglich Dämpfungsfläche stimme ich nur bedingt zu, denn Dämpfungsfläche und Ruder ergeben in Summe ein aerodynamisches Profil, das im Luftstrom liegt und damit einen Auftrieb (oder eben am SLW eine seitlich gerichtet Kraft) erzeugt.
Zur Eigenstabilität, auf deren Fehlen ich aufmerksam machen wollte, würde das aber nur beitragen, wenn bei einer Abweichung der Rumpflängsachse von der Bewegungsrichtung diese Kraft rückstellend wirken würde. Das kann sie aber nicht, solange sie überwiegend auf dem Propellerstrahl beruht, der mit der Zelle mitschwenkt.

Daher mein Zweifel, ob ein schnelles Anheben des Schwanzes in Fluglage eine gute Praxis bei einem leichten, stark motorisierten Propellerflugzeug ist. Natürlich könnte man es mit sehr vorsichtigem Gasgeben kombinieren, aber dann wäre eben auch der von Dir betonte hilfreiche Effekt des Propellerstrahls schwächer.

Vielleicht sollte man auch bedenken, in welchem Zusammenhang die Start-/Landeunfälle stehen. Bei ca. 33 Tsd produzierten Bf 109 und ca. 18 Tsd produzierten Fw 190 wurden in Summe bestimmt weit jenseits der 100 Tsd Flugbewegungen durchgeführt.
Guter Punkt, und er geht in dieselbe Richtung wie meine einleitenden Analysen. Die Sache ist eben, daß vielen Autoren diese Perspektive fehlt und sie es so darstellen, als ob die Me 109 eine Todesfalle war ... ganz typisch die englische Wikipedia: "At least 10% of all Bf 109s were lost in takeoff and landing accidents, 1,500 of which occurred between 1939 and 1941."

Ich bin nicht so sicher, wie viele Me 109s zwischen 1939 und '41 gebaut wurden, aber wenn das so 3000 waren, müßte jede zweite bei Start oder Landung zerstört worden sein, damit diese Aussage hinkommt.

(Die in der Wikipedia angegebene Quelle ist "Clash of Wings" von Boyne. Laut Google Books lautet seine Formulierung: "As many as 10 percent of the total of the Bf 109s were lost in such [takeoff and landing] accidents, 1,500 occurring from 1939 to 1941 alone.")

In einer analytischen Abhandlung zur „Luftkriegstaktik“ von 1943 wurden z. B. die Vor- und Nachteile eines Zweibeinfahrwerks breit und schmal und Dreibeinfahrwerks bei Jagdflugzeugen behandelt.
Das klingt, als müßte ich das unbedingt mal lesen! :-) Gibt's da eine Normalsterblichen zugängliche Quelle?

Geht jetzt schon ziemlich weit weg, vom ursprünglichen Thema, werde aber versuchen, deinen Beitrag nicht weiter zu „verwässern“. :whistling:
Das war alles genau passend! :-)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Moin!

(Die in der Wikipedia angegebene Quelle ist "Clash of Wings" von Boyne. Laut Google Books lautet seine Formulierung: "As many as 10 percent of the total of the Bf 109s were lost in such [takeoff and landing] accidents, 1,500 occurring from 1939 to 1941 alone.")
Ich habe mir jetzt "Willy Messerschmitt - First Full Biography of an Aeronautical Genius" von Frank Vann zugelegt.

Das ist zwar auch schon etwas älter (1993), aber macht einen sehr vernünftigen ersten Eindruck. Mir gefällt schon mal sehr gut, daß die Kapitel thematisch gegliedert sind, was das Nachschlagen gegenüber einer rein chronologischen Gliederung deutlich vereinfacht und das Buch sehr übersichtlich macht. Vann zitiert auch eine ganze Menge längerer Abschnitte von Originalquellen, was mir auch gut gefällt.

Das Kapitel "Probleme mit der Me 109" (S. 64) geht dabei auf die Unfallrate ein und gibt ein Dokument vom "Leiter Flugsicherheit" wieder. ("Head of Flight Safety" ... natürlich hat Vann die Originaldokumente ins Englische übersetzt, daher muß ich rückübersetzen und liege dann mangels Kenntnis der genauen deutschen Titel dann vielleicht auch mal daneben. Korrigiert mich gerne!)

Dieses Dokument ist datiert auf den 19. März 1940 und stellt fest:

255 Maschinen wurden 1939 beschädigt durch Ausbrechen am Boden ("ground loop", informell "Ringelpiez" - wäre interessant, welcher Begriff im Original verwendet wurde).

In 240 Fällen führte das zu Schäden am Fahrwerk, in 15 Fällen zu anderen Schäden.

Nach einer Stichprobe passierten im September/Oktober 1939 die allermeisten solchen Unfälle bei Einsatzeinheiten, nicht in der Schulung.

Die durchschnittlichen Reparaturkosten betrugen 15000 RM, und der Leiter Flugzsicherheit weist darauf hin, daß vor allem die hohe Belastung der Werkstätten ein Problem sei.

Dann gibt's eine interessante Tabelle:

Code:
Ringelpiez     Nach rechts     Nach links   Unbekannt
Beim Start        57               8            2         67
Bei Landung       59              39            4        102
Beim Rollen        5               6            2         13
Keine Angabe       1               3            -          4
                 122              56            8        186
Schließlich die Aussagen der Piloten sowie die Zusammenfassung:

"III. Meldungen der Piloten

In der Mehrheit der Fälle stimmten die Piloten darin überein, daß es nicht möglich war, das Flugzeug trotz Bremsens und Ruder-Vollausschlag geradezuhalten. In manchen Fällen wurde die Anordnung der Pedale beanstandet, die es unmöglich mache, größere Fußkräfte anzuwenden. Insgesamt lieferten die Meldungen den Eindruck, daß Brems- und Ruderwirksamkeit nicht ausreichen, um eine Drehung um die Hochachse bei mittleren oder niedrigen Geschwindigkeiten zu verhindert, sobald das Spornrad aus der Mittellage kommt.

IV. Zusammenfassung

Es wurden 255 Fälle näher untersucht, in denen Flugzeuge des Typs Bf 109 am Boden ausbrachen. Da der Anteil der Fälle, in denen das auf Vorschädigungen (Reifen, Felgen, Versagen der Verriegelung) zurückzuführen war, nur etwa 10% der Gesamtanzahl betrug, ist es gerechtfertigt, von einer Ausbrechneigung des Typs Bf 109 zu sprechen. Verschiedene zuvor erkannte Mängel und Beanstandungen wurden zusammengestellt und besprochen. In diesem Zusammenhang wurde auf die Eigenschaften und den Mangel einer Verriegelung des Spornrades verwiesen, da es sich dabei um den am einfachsten zu ändernden Bestandteil der kritischen Baugruppen handelt.

Oberst Reithel"

Um den von Vann zitierten Bericht mal den Zahlen von Boyne gegenüberzustellen:

Nach Boyne hat es 1939 - 1941 1500 Landeunfälle (also 500 pro Jahr) gegeben, die 10% aller Me 109s zerstört haben sollen. Das wären bei 3000 in diesem Zeitraum gebauten Me 109s also 300, oder etwa 100 pro Jahr.

Nach Vann hat es 1939 255 Landeunfälle gegeben (also 255 pro Jahr), von denen 240 zu Fahrwerksschäden geführt haben - also nicht zu einem Totalverlust. 15 haben "andere Schäden" erlitten, was eine Formulierung ist, in der man eventuell auch ein paar Totalverluste unterbringen kann. Das obere Limit für die Totalverluste durch Start- und Landeunfälle wäre also 15 pro Jahr (für 1939).

Da klafft doch eine ziemliche Kluft zwischen den beiden Datensätzen, und die von Vann wiedergegebenen Zahlen sehen für mich gut belegt aus ...

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
lutz_manne

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Ok, September/Oktober 1939. Also Bf 109 B/C/D mit Jumo und Bf 109 E mit DB 601. Da wäre eine Unterscheidung hilfreich gewesen, vor allem bei den Startunfällen, weil drastischer Leistungs- und Gewichtunterschied.

Des weiteren haben wir den Kriegsbeginn und damit Einsatzeinheiten überwiegend auf Feldflugplätzen. Also erschwerte Bedingungen an Mensch und Material.

Und 240 Schäden am FW, aber nur 15 führten zu anderen Schäden. Bleibt die Frage, ob eine beschädigte Tragfläche und/oder Luftschraube schon zu "anderen Schäden" zählte... waren die 240 Schäden dann nur popelige Reifenschäden?

Fallen die folgenden Unfälle unter die 240 oder 15?
Bf 109 E
Falcons Messerschmitt Bf 109 Hangar - Fotoansicht - FotoID: 9517

Bf 109 D
Falcons Messerschmitt Bf 109 Hangar - Fotoansicht - FotoID: 13759

Spornradpiloten mögen mich berichtigen, aber wenn eine Spornradmaschine am Ausbrechen ist, hat man als FF schon längst den Fehler begangen. Da braucht man auch keine stärkeren Bremskräfte an den Pedalen mehr, welche wiederum mehr Belastung am FW erzeugen. Und wir bleiben auch mal in Gedanken dabei, dass wohl kaum ein Flugzeugführer 1939 freiwillig gemeldet hat, dass er ein "Vollpfosten bei der Bedienung" war und darum Reichskriegsgerät beschädigt hat. ;-)
 
HoHun

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Ok, September/Oktober 1939. Also Bf 109 B/C/D mit Jumo und Bf 109 E mit DB 601. Da wäre eine Unterscheidung hilfreich gewesen, vor allem bei den Startunfällen, weil drastischer Leistungs- und Gewichtunterschied.
Gibt's sogar:

Code:
Version                   B       C       D       E
Anteil am Bestand      16 %     3 %    34 %    47 %     Mittelwert
Schäden                20 %     4 %    27 %    49 %     222
Hatte ich zuerst weggelassen, weil kein Zusammenhang von Version zu Schäden erkennbar ist. (Bei den insgesamt niedrigen Fallzahlen muß man von einer gewissen Zufallsstreuung ausgehen, also ist 49% Schäden bei 47% Bestand kein aufregender Befund.)

Es gibt noch zwei weitere Zeilen der Tabelle mit Daten für Oktober/November für die Bestände, und August bis November für die Schäden. Daran kann man aber eigentlich nur ablesen, daß der Anteil der Emil im letzten Quartal auf 63% gestiegen ist, bei 60% der Schäden - also ist dort die Emil sogar weniger schadensträchtig als die älteren Muster. Tipp ich jetzt aus Faulheit nicht ab ;-)

Des weiteren haben wir den Kriegsbeginn und damit Einsatzeinheiten überwiegend auf Feldflugplätzen. Also erschwerte Bedingungen an Mensch und Material.
Gute Überlegung - ich würde auch noch eine erhöhte Anzahl an Flugbewegungen erwarten.

Mit den gerade erwähnten Zahlen gerechnet:

- Übers ganze Jahr 222 Schäden/12 Monate = 18,5 Schäden pro Monat
- Von 1. August bis 1. November 100 Schäden/3 Monate = 33,3 Schäden pro Monat.
- Im Rest des Jahres: 122 Schäden/9 Monate = 13,6 Schäden pro Monat.

Bleibt die Frage, ob eine beschädigte Tragfläche und/oder Luftschraube schon zu "anderen Schäden" zählte... waren die 240 Schäden dann nur popelige Reifenschäden?
Auch das ist für eine Untermenge von 105 Fällen aufgeschlüsselt (die aber 12 Fälle enthält, die nicht auf Ringelpieze zurückzuführen sind), aber nur mit englischen Bezeichnungen. Vielleicht kann einer echter Me-109-Kenner das genau zuordnen:

Latch - 10
Latch hinge pin - 3
Latch and lock plate - 7
Lock plate - 27
Shock absorber head - 11
Shock absorber head and latch - 2
Undercarriage lug - 22
Undercarriage lug and plate - 3

Also grob die Gruppen Verriegelung, Federbein, Federbeinaufnahme. Als Nicht-Nietenzähler kann ich nur raten, aber ich könnte mir vostellen, daß die Schäden an der Federbeinaufnahme die aufwendigsten Reparaturen erfordern.

Fallen die folgenden Unfälle unter die 240 oder 15?
Keine Ahnung! Bei einem wegknickenden Fahrwerksbein kann man ja eigentlich leicht auch mit Propellerschäden und zumindest einer angeditschten Tragflächenspitze rechnen, daher wundert es mich, daß die im Bericht nicht erwähnt werden. Die verunglückte Emil hat ja auch deutlich vergrößerte V-Stellung, das ist auch kein Fall von "überlackieren und gut ist!" ;-)

Und wir bleiben auch mal in Gedanken dabei, dass wohl kaum ein Flugzeugführer 1939 freiwillig gemeldet hat, dass er ein "Vollpfosten bei der Bedienung" war und darum Reichskriegsgerät beschädigt hat. ;-)
Ja, da gab's bestimmt eine Standardformulierung ... "Trotz sofortiger Einleitung der von der Exerzierkarte 'Me 109' befohlenen Steuereingaben ließ sich das Flugzeug nicht von der Selbstzerstörung abhalten!" ;-)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Also das hier ist wohl die "lock plate".
(Quelle Handbuch Bf 109 E)

Filigranes Bauteil, aber wenn das stärker konstruiert wäre, bricht halt was anderes bei Überbeanspruchung. Soll ja kein fliegender Panzer sein. :)
 
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AGO Scheer

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"To lock" ist doch "schließen, verriegeln"- ich würde daher eher auf die Verriegelung tippen.
 
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Stimmt, direkt übersetzt passt das besser.
 
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Hab heute bei FB folgendes denkwürdige Dokument gefunden. Geht nicht im Detail auf die Gründe der Verluste ein, aber ist doch sehr, sehr bedenklich.
Verluste OHNE Feindeinwirkungen. Also vermutlich durch technische Defekte (Sabotage usw.), Wetter, Ausbildungsstand, usw...

 
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HoHun

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Hab heute bei FB folgendes denkwürdige Dokument gefunden. Geht nicht im Detail auf die Gründe der Verluste ein, aber ist doch sehr, sehr bedenklich.
Sehr guter Fund, vielen Dank! :-)

Das ist vielleicht endlich mal ein Dokument, das man mit den entsprechenden Statistiken der Alliierten vergleichen kann ... die Amerikaner haben umfangreiche Zahlenwerke erstellt, die man hier finden kann:

HyperWar: Army Air Forces Statistical Digest: World War II

Auf den ersten Blick ist hier eine Tabelle mit Besatzungsverlusten zu finden ...

HyperWar: Army Air Forces Statistical Digest: World War II [Personnel, Training & Crews]

Allerdings sind dabei Verluste durch Feindeinwirkung und durch Unfälle in einer Zahl zusammengefaßt, also kann man doch wieder nicht vergleichen. Ich bin auf Anhieb auch nicht sicher, ob die amerikanischen Verluste auch alles "Tote" sind, wie es anscheinend in der deutschen Tabelle der Fall ist.

Hier ist eine Tabelle nur für den Ausbildungsbetrieb in den USA zu finden:

United States World War II Aircraft Loss Statistics during Flight Training

13621 Tote im Ausbildungsbetrieb in den USA, von 1941-1945. Das liegt zumindest ganz grob in der gleichen Größenordnung wie die deutschen Ausbildungsverluste von 1939 - 1944 (5330 Tote), besonders, wenn man annimmt, daß die Amerikaner mehr Personal ausgebildet haben (was ich für realistisch halte).

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Pilotenaussagen und Handbücher (oder "Exerzierkarten") lassen mich vermuten, daß es nicht unbedingt einheitliche Techniken gegeben hat, und ich meine, daß "den Schwanz nicht zu früh heben" bei der Me 109 einer der Ratschläge für den Me-109-Piloten war.
Ich habe ca. 2000 Starts mit Spornradflugzeugen. Je nach Konstruktion mag es eine bevorzugte Startart geben (spätestens, wenn beim Radstart die Propellerspitzen den Boden berühren). Wenn beides möglich ist, würde ich die Frage ob Radstart oder Dreipunktlage auch vom Wetter und von der Beschaffenheit der Piste abhängig machen. Beim Start aus der Dreipunktlage ist man näher am Stall als beim Radstart. Bei böigem Wind kann das bedeuten, dass man wieder aufsetzt. Beim Start aus der Dreipunktlage ist die Rollstrecke kürzer, was auf weichem oder buckeligem Boden zu bevorzugen wäre.

Wenn das Flugzeug für beides zugelassen ist, sollte der Pilot je nach Situation auch beides anwenden (können).
 
HoHun

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Ab 17:09 min in diesem Video gibt es eine weitere Betrachtung zu den Unfallzahlen der Me 109 beim JG 2, mit einem Vergleich zu amerikanischen Statistiken ... die Me 109 sieht dabei nicht schlecht aus, auch wenn es kein perfekter 1:1-Vergleich ist.


Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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    , luftwaffe kroczewo , me 109 flugfähig, dreipunkt landung fw190, me 109 luftkampf tatsachenbericht, Me 109 über Neubiberg
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