HoHun
Space Cadet
- Dabei seit
- 10.10.2014
- Beiträge
- 1.422
- Zustimmungen
- 2.184
Moin!
Nachdem es gerade im Thema "Die heutigen Me 109" angesprochen wurde: Ich habe mal eine Übersicht über die Häufigkeit von Landeunfällen bei der Me 109 und der Fw 190 erstellt, um herauszufinden, welche Folgen das berühmt schlechte schmale Fahrwerk der Messerschmitt gegenüber dem berühmt guten breiten Fahrwerk der Fw 190 im Einsatz denn so hatte.
Ein Ansatz war, die in Prillers "JG 26" wiedergegebene Liste der Verluste, die auch Unfälle beinhaltet, nach Unfällen bei Start und Landung zu durchsuchen und die Ergebnisse dann über den zum jeweiligen Unfallzeitpunkten bekannten Ausrüstungsstand der entsprechenden Einheit dem Flugzeugmuster zuzuordnen.
Mein Ergebnis:
E: Ergänzungsgruppe (Me 109)
I: I. Gruppe (Me 109 bis Mitte 1941, dann Fw 190)
II: II. Gruppe (Me 109 bis Mitte 1941, dann Fw 190)
III: III. Gruppe (durchgängig Me 109)
Da die "Ergänzungsgruppe" wohl als Ausbildungseinheit für Piloten mit weniger Erfahrung diente, ist eine besondere Häufung von Unfällen dort wohl nicht überraschend.
Außerdem habe ich eine weitere Datenquelle ausgewertet, die Flugzeugbestand und Bewegungsmeldungen, 3.42 - 12.44 (Flugzeugbestand und Bewegungsmeldungen, 3.42 - 12.44).
In diesen Listen, die meinem Eindruck nach alle Einsatzverbände der Luftwaffe umfassen, sind Landeunfälle nicht einzeln ausgewiesen, aber man das Verhältnis von Verlusten durch Feindeinwirkung und Verlusten ohne Feindeinwirkung ermitteln. Wenn man viele Messerschmitts, aber nur wenige Focke-Wulfs durch Landebruch verliert, dann sollte sich das in diesem Verhältnis widerspiegeln.
Das Ergebnis:
Me 109: 9681 Verluste durch Feindeinwirkung, 8791 andere Verluste - 47.6% Verluste ohne Feindeinwirkung
Fw 190: 5389 Verluste durch Feindeinwirkung, 4934 andere Verluste - 48.8% Verluste ohne Feindeinwirkung
Außerdem habe ich die Gesamtzahl von verlorenen und beschädigten Flugzegen (mit Feindeinwirkung + andere + zur Überholung) mit der Anzahl der Flugzeuge verglichen, die zur Überholung geschickt wurden.
Bf 109: 22.5% zur Überholung
Fw 190: 25.2% zur Überholung
Wenn wir annehmen, daß die Lebensdauer eines Jagdflugzeuges im 2. Weltkrieg normalerweise so kurz war, daß die theoretische Lebensdauer der Zelle nicht zum Tragen kam, dann würde ich das so interprettieren, daß ein geringfügig höherer Anteil ernsthaft beschädigter Fw-190-Zellen durch Überholung vor dem Totalverlust zu retten war.
(Andererseits kommen bei beiden Typen deutlich mehr Flugzeuge aus der Überholung zurück, als dorthin geschickt wurden - 126% bei der Me 109, 120% bei der Fw 190. Das könnte auf ein methodisches Problem hinweisen, zum Beispiel, daß die Reparaturbetriebe Zellen reparieren konnten, die von den Fronteinheiten als Totalverluste verbucht worden waren. Das könnte vielleicht sogar das Verhältnis zwischen der Fw 190 und der Me 109 umkehren: Vielleicht waren die Frontverbände einfach pessimistisch, was die Chances waren, eine Me 109 wieder zu reparieren, und optimistisch, wenn eine "robuste" Fw 190 einen Bruch hatte.)
Auch in Aders/Held, "Jagdgeschwader 51 'Mölders'", findet sich eine Verlustliste für das JG 51 einschließlich gefallen, bei Unfall getötet, Kriegsgefanger, vermißt, die die gesamte Kriegsdauer umfaßt. Das Buch erwähnt, daß die Liste ab Februar 1945 nicht mehr vollständig ist, zuvor aber schon.
Hier meine Liste der dort enthaltenen Landeunfälle (mit englischer Beschreibung, weil ich sie ursprünglich mal für ein englisches Forum erstellt hatte):
#187 Brunner, Willi, 4. Staffel, 4 victories, 3.2.42, crash after lift-off, Briansk
#275 Maltzahn, Karl-Heinz, 6. Staffel, 0 victories, 6.3.43, collision on take-off, Mezzouna
#312 Rose, Eberhard, 7. Staffel, 0 victories, 31.5.43, overturned on landing, Slowitzki
#321 Diebold, Georg, 8. Staffel, 0 victories, 16.6.43, overturned on landing, Slowitzki
#368 Meyn, Rudolf, 1. Staffel, ca. 3 victories, 27.8.43, overturned on landing, Bol-Rudka on 24.8.43
#371 Wallner, Otto, Stabsstaffel, +8 victories, 28.8.43, accident on take-off, Gluchow
#397 Schliemann, Helmut, 11. Staffel, 0 victories, 3.11.43, accident on take-off, Bolchaja Kostromka
#399 Gerber, Erich, 4. Staffel, 0 victories, 19.11.43, accident on take-off, Neubiberg
#487 Bruckermayer, Franz, 1. Staffel, 0 victories, 31.7.44, collision on take-off, Kroczewo
#522 Danner, Fritz, 13. Staffel, 0 victories, 16.9.44, turn-in for landing, Modlin
#528 Kohlert, Rudolf, 13. Staffel, 1 victory, 9.10.44, crash landing Modlin
#547 Liebelt, Fritz, 6. Staffel, ca. 25 victories, 8.12.44, scramble, Imely (not clear if this is an accident)
#657 Driesen, Helmut, I. Gruppe, April 45, scramble, Büsterort
#658 Gärtner, Bruno, I. Gruppe, April 45, scramble, Büsterort (Looks a bit like a collision between Driesen and Gärtner, but is not listed as such.)
Auf der Liste sind 668 Verluste enthalten, zu denen aber ein gewisser Anteil von Verlusten beim Bodenpersonal gehören, so daß wir die Zahlen nicht als Bezugsgröße für Flugunfälle verwenden können.
Todesfälle bei Notlandungen und Verluste durch Feindeinwirkung habe ich hier ausgeblendet, weil sie für die Frage der Fahrwerkseigenschaften nicht relevant erscheinen.
Leider konnte ich hier nicht ermitteln, mit welchem Flugzeugtyp die verunglückten Piloten jeweils verunfallten. Das Buch enthält leider keine Übersicht, welcher Typ wann geflogen wurde, und ich bin nicht so der Experte für Einheitengeschichte.
Nach meiner nicht ganz perfekten Zählung (weil manchmal nicht klar ist, ob ein Verlust ein Pilot oder ein anderer Einheitsangehöriger ist) betreffen 138 Verluste keine Piloten, so daß wir für das JG 51 etwa 530 Piloten-Verluste haben. Einige von diesen Verlusten geschahen außerhalb des Flugbetriebes, und einige in anderen Flugzeugtypen (z. B. Fw 58, Fi 156, Ju 88).
Mit 14 von 530 Verlusten durch Start- und Landeunfälle jeder Art, können wir hier also 2,6 % der Verluste auf Starts und Landungen zurückführen.
Meiner Meinung nach läßt keine der wie beschrieben ermitteln Zahlen lassen irgendwie einen dramatischen Unterschied zwischen der Me 109 und derr Fw 190 in bezug auf die Sicherheit bei Start- und Landung erkennen, und auch in absoluten Zahlen waren die Verluste bei Start und Landung nur ein sehr kleiner Teil der Gesamtverluste.
Da heute kein Artikel über die Me 109 ohne einen längeren Abschnitt auf das tragisch schmale Fahrwerk und die Überlegenheit der Fw 190 auskommt, wollte ich es mal etwas genauer wissen und habe versucht, alle irgendwie verfügbaren Quellen so gut es geht auszuquetschen. Meine Schlußfolgerung ist, daß das Fahrwerk für den Einsatzerfolg der beiden deutschen Standard-Jagdflugzeuge praktisch keine Rolle gespielt hat.
Tschüs!
Henning (HoHun)
Nachdem es gerade im Thema "Die heutigen Me 109" angesprochen wurde: Ich habe mal eine Übersicht über die Häufigkeit von Landeunfällen bei der Me 109 und der Fw 190 erstellt, um herauszufinden, welche Folgen das berühmt schlechte schmale Fahrwerk der Messerschmitt gegenüber dem berühmt guten breiten Fahrwerk der Fw 190 im Einsatz denn so hatte.
Ein Ansatz war, die in Prillers "JG 26" wiedergegebene Liste der Verluste, die auch Unfälle beinhaltet, nach Unfällen bei Start und Landung zu durchsuchen und die Ergebnisse dann über den zum jeweiligen Unfallzeitpunkten bekannten Ausrüstungsstand der entsprechenden Einheit dem Flugzeugmuster zuzuordnen.
Mein Ergebnis:
Code:
Jahr E I II III IV
40 1
41 3 1 2
42 1 1 2
43 5 3 5
44 10 9 6
45 3 5 3 1
I: I. Gruppe (Me 109 bis Mitte 1941, dann Fw 190)
II: II. Gruppe (Me 109 bis Mitte 1941, dann Fw 190)
III: III. Gruppe (durchgängig Me 109)
Da die "Ergänzungsgruppe" wohl als Ausbildungseinheit für Piloten mit weniger Erfahrung diente, ist eine besondere Häufung von Unfällen dort wohl nicht überraschend.
Außerdem habe ich eine weitere Datenquelle ausgewertet, die Flugzeugbestand und Bewegungsmeldungen, 3.42 - 12.44 (Flugzeugbestand und Bewegungsmeldungen, 3.42 - 12.44).
In diesen Listen, die meinem Eindruck nach alle Einsatzverbände der Luftwaffe umfassen, sind Landeunfälle nicht einzeln ausgewiesen, aber man das Verhältnis von Verlusten durch Feindeinwirkung und Verlusten ohne Feindeinwirkung ermitteln. Wenn man viele Messerschmitts, aber nur wenige Focke-Wulfs durch Landebruch verliert, dann sollte sich das in diesem Verhältnis widerspiegeln.
Das Ergebnis:
Me 109: 9681 Verluste durch Feindeinwirkung, 8791 andere Verluste - 47.6% Verluste ohne Feindeinwirkung
Fw 190: 5389 Verluste durch Feindeinwirkung, 4934 andere Verluste - 48.8% Verluste ohne Feindeinwirkung
Außerdem habe ich die Gesamtzahl von verlorenen und beschädigten Flugzegen (mit Feindeinwirkung + andere + zur Überholung) mit der Anzahl der Flugzeuge verglichen, die zur Überholung geschickt wurden.
Bf 109: 22.5% zur Überholung
Fw 190: 25.2% zur Überholung
Wenn wir annehmen, daß die Lebensdauer eines Jagdflugzeuges im 2. Weltkrieg normalerweise so kurz war, daß die theoretische Lebensdauer der Zelle nicht zum Tragen kam, dann würde ich das so interprettieren, daß ein geringfügig höherer Anteil ernsthaft beschädigter Fw-190-Zellen durch Überholung vor dem Totalverlust zu retten war.
(Andererseits kommen bei beiden Typen deutlich mehr Flugzeuge aus der Überholung zurück, als dorthin geschickt wurden - 126% bei der Me 109, 120% bei der Fw 190. Das könnte auf ein methodisches Problem hinweisen, zum Beispiel, daß die Reparaturbetriebe Zellen reparieren konnten, die von den Fronteinheiten als Totalverluste verbucht worden waren. Das könnte vielleicht sogar das Verhältnis zwischen der Fw 190 und der Me 109 umkehren: Vielleicht waren die Frontverbände einfach pessimistisch, was die Chances waren, eine Me 109 wieder zu reparieren, und optimistisch, wenn eine "robuste" Fw 190 einen Bruch hatte.)
Auch in Aders/Held, "Jagdgeschwader 51 'Mölders'", findet sich eine Verlustliste für das JG 51 einschließlich gefallen, bei Unfall getötet, Kriegsgefanger, vermißt, die die gesamte Kriegsdauer umfaßt. Das Buch erwähnt, daß die Liste ab Februar 1945 nicht mehr vollständig ist, zuvor aber schon.
Hier meine Liste der dort enthaltenen Landeunfälle (mit englischer Beschreibung, weil ich sie ursprünglich mal für ein englisches Forum erstellt hatte):
#187 Brunner, Willi, 4. Staffel, 4 victories, 3.2.42, crash after lift-off, Briansk
#275 Maltzahn, Karl-Heinz, 6. Staffel, 0 victories, 6.3.43, collision on take-off, Mezzouna
#312 Rose, Eberhard, 7. Staffel, 0 victories, 31.5.43, overturned on landing, Slowitzki
#321 Diebold, Georg, 8. Staffel, 0 victories, 16.6.43, overturned on landing, Slowitzki
#368 Meyn, Rudolf, 1. Staffel, ca. 3 victories, 27.8.43, overturned on landing, Bol-Rudka on 24.8.43
#371 Wallner, Otto, Stabsstaffel, +8 victories, 28.8.43, accident on take-off, Gluchow
#397 Schliemann, Helmut, 11. Staffel, 0 victories, 3.11.43, accident on take-off, Bolchaja Kostromka
#399 Gerber, Erich, 4. Staffel, 0 victories, 19.11.43, accident on take-off, Neubiberg
#487 Bruckermayer, Franz, 1. Staffel, 0 victories, 31.7.44, collision on take-off, Kroczewo
#522 Danner, Fritz, 13. Staffel, 0 victories, 16.9.44, turn-in for landing, Modlin
#528 Kohlert, Rudolf, 13. Staffel, 1 victory, 9.10.44, crash landing Modlin
#547 Liebelt, Fritz, 6. Staffel, ca. 25 victories, 8.12.44, scramble, Imely (not clear if this is an accident)
#657 Driesen, Helmut, I. Gruppe, April 45, scramble, Büsterort
#658 Gärtner, Bruno, I. Gruppe, April 45, scramble, Büsterort (Looks a bit like a collision between Driesen and Gärtner, but is not listed as such.)
Auf der Liste sind 668 Verluste enthalten, zu denen aber ein gewisser Anteil von Verlusten beim Bodenpersonal gehören, so daß wir die Zahlen nicht als Bezugsgröße für Flugunfälle verwenden können.
Todesfälle bei Notlandungen und Verluste durch Feindeinwirkung habe ich hier ausgeblendet, weil sie für die Frage der Fahrwerkseigenschaften nicht relevant erscheinen.
Leider konnte ich hier nicht ermitteln, mit welchem Flugzeugtyp die verunglückten Piloten jeweils verunfallten. Das Buch enthält leider keine Übersicht, welcher Typ wann geflogen wurde, und ich bin nicht so der Experte für Einheitengeschichte.
Nach meiner nicht ganz perfekten Zählung (weil manchmal nicht klar ist, ob ein Verlust ein Pilot oder ein anderer Einheitsangehöriger ist) betreffen 138 Verluste keine Piloten, so daß wir für das JG 51 etwa 530 Piloten-Verluste haben. Einige von diesen Verlusten geschahen außerhalb des Flugbetriebes, und einige in anderen Flugzeugtypen (z. B. Fw 58, Fi 156, Ju 88).
Mit 14 von 530 Verlusten durch Start- und Landeunfälle jeder Art, können wir hier also 2,6 % der Verluste auf Starts und Landungen zurückführen.
Meiner Meinung nach läßt keine der wie beschrieben ermitteln Zahlen lassen irgendwie einen dramatischen Unterschied zwischen der Me 109 und derr Fw 190 in bezug auf die Sicherheit bei Start- und Landung erkennen, und auch in absoluten Zahlen waren die Verluste bei Start und Landung nur ein sehr kleiner Teil der Gesamtverluste.
Da heute kein Artikel über die Me 109 ohne einen längeren Abschnitt auf das tragisch schmale Fahrwerk und die Überlegenheit der Fw 190 auskommt, wollte ich es mal etwas genauer wissen und habe versucht, alle irgendwie verfügbaren Quellen so gut es geht auszuquetschen. Meine Schlußfolgerung ist, daß das Fahrwerk für den Einsatzerfolg der beiden deutschen Standard-Jagdflugzeuge praktisch keine Rolle gespielt hat.
Tschüs!
Henning (HoHun)