Leistungsberechnungen für Flugzeuge des zweiten Weltkriegs – ein einfacher Ansatz

Diskutiere Leistungsberechnungen für Flugzeuge des zweiten Weltkriegs – ein einfacher Ansatz im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Moin! Da wir das Thema Flugleistungen immer mal wieder hier im Forum diskutieren, dachte ich, ich teile mal meine Ansatz für...
HoHun

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Moin!

Da wir das Thema Flugleistungen immer mal wieder hier im Forum diskutieren, dachte ich, ich teile mal meine Ansatz für Flugleistungsberechnungen.

Inhaltlich ist das alles nicht sehr anspruchsvoll, mehr so auf dem Niveau Aerodynamik für Anfänger, daher habe ich auf Literaturhinweise verzichtet.

Was ich bisher nicht so gefunden habe, war aber eine Integration der verschiedenen Formeln in ein zusammenhängendes Modell, mit dem man ausgehend von bekannten Rahmenparametern die Flugleistungen sozusagen einmal rauf und runter durchrechnen konnte.

Mir selbst dient dieser Ansatz vor allem als Analyse-Werkzeug, um aus den oft gut dokumentierten Motorleistungsdaten in Kombination mit einigen Eckwerten des betrachteten Flugzeugtyps nicht nur den "Envelop" zu ermitteln, sondern auch eine Plausibilitätsprüfung durchzuführen, da gerade bei Prototypen eben häufig abweichende Parameter wie z. B. ein verringertes Fluggewicht sonst eine Vergleichbarkeit der Flugleistungen stören.

Da der Ansatz recht einfach ist, vernachlässigt er natürlich so einiges. Trotzdem habe ich festgestellt, daß er oft sehr gute Übereinstimmung mit Flugleistungsberechnungen ergibt, die während des zweiten Weltkrieges durchgeführt worden sind. Einige der Nachteile habe ich in der anliegende Beschreibung schon erwähnt, weitere wären:

  • Es wird ein Verstellpropeller vorausgesetzt. Das trifft für die meisten Jäger des 2. Weltkrieges zu, aber bei Kriegsanfang waren noch nicht alle Typen tatsächlich so ausgerüstet - selbst die modernen Hurricanes und Spitfires flogen mit Starrpropellern.
  • Die Polare des Flugzeugs wird als Parabel mit minimalem Widerstand bei Auftrieb Null angenommen. Das ist in der Praxis nicht ganz zutreffend - eine Variation des Einstellwinkels des Flügels kann die Polare verschieben. Konkretes Beispiel: Ludwig Bölkow hatte sich für die Me 109K eine Geschwindigkeitssteigerung durch eine Reduktion des Einstellwinkels erhofft (die dann aber in der Produktion nicht umgesetzt wurde).

Anbei die PDF-Datei mit einer Beschreibung meines Ansatzes (die schon eine Weile auf meiner Festplatte rumliegt) sowie zwei Beispiel-Diagramme, die zeigen, welche Ergebnisse man mit dem Verfahren erhält. Außerdem ein Diagramm für eine Cessna 172N, die meine Berechnung (unter Anname eines Verstellpropellers) mit den Handbuch-Werten (für einen Starrpropeller) vergleicht ... die Übereinstimmung ist gut, aber ich würde sagen, wahrscheinlich haben die Leute bei Cessna ihr Handbuch auch nur berechnet! ;-)

Über Verbesserungsvorschläge und andere inspirierende Kommentare würde ich natürlich freuen! :-)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Ghostbear

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Hier eine gute Quelle:
Das Buch "Fluid Dynamic Drag" von Sighard F. Hoerner wird auch die Drag Bibel genannt. Schau mal auf PDF Seite 268 --> Me109G

Hier vom gleichen Autor "Fluid Dynamic Lift":
 
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Ich habe mich diesen Sommer aus anderen Anlass etwas in die Materie der subsonischen Widerstands reingekniet. Eigentlich gar nicht so schwer, aber man braucht eben die Oberfläche und Referenzlängen des Flugzeugs. Ich habe dafür etwas Code geschubst. Am Ende konnte ich das gegen die bekannten Werte einer Fokker 27 doch halbwegs validieren. Teilweise heben sich auch Fehler auf.





Der Fehler von etwa 10% bei CD0 klingt viel, ist aber für eine rein analytische Abschätzung ganz OK. Die gute Nachricht: eigentlich bestehen alle Flugzeuge nur aus zwei Formen: Tragflächen und Ellipsoiden. Tatsächlich könnte man auch eine FW190 so hinreichend genau beschreiben.


@Ghostbear
Danke für den Tipp! Den habe ich auch auf der Platte. Hier von der besagten Seite.



Teilt man jetzt noch durch die Flügelfläche, bekommt man das sagenumwogene CW (englisch CD).
@HoHun
Kommt das mit Deinen Werten hin?

Im Hörner stehen auch Werte für parasitäre Widerstände von Antennen und anderem Gedöns drin. Der Rumpfwiderstand etwa besteht zu 40% aus "additional parts". Daher bin ich etwas am Zweifeln, ob meine obige Methode hier Früchte trägt. Je moderner das Flugzeug (und damit meist auch bessere Verarbeitung), desto eher kann über die reine Oberflächenreibung ans Ziel kommen.
 
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HoHun

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Das Buch "Fluid Dynamic Drag" von Sighard F. Hoerner wird auch die Drag Bibel genannt. Schau mal auf PDF Seite 268 --> Me109G
Danke, diese Daten kenne ich auch schon. Ich vermute, daß Dr. Hoerner hier nur ein Lehrbeispiel beabsichtigt hat, weil die Eckwerte recht locker gerundet erscheinen.

Wenn ich die Daten in meine Tabelle einsetze (und eine angepaßte Motorkurve generiere), komme ich auf ungefähr realistische Werte.

Ein recht knackiger Unterschied ist aber, daß meine Berechnung nicht 4,45 kN (1000 lbs) Propellerschub auswirft, sondern nur 3,83 kN. Das liegt daran, daß Hoerner den Propellerwirkungsgrad mit 0,85 ansetzt, während ich aufgrund der hohen Blattspitzenmachzahl von 0,94 den Wirkungsgrad nach meiner Näherungsformel (die auf irgendeinen NACA-Report zurückgeht) schon auf 0,75 reduziert habe.

Ich komme irgendwie auf einen dynamischen Druck q von 189 lb/ft^2 und nicht auf 184 lb/ft^2 wie von ihm angegeben ... keine Ahnung, woran das liegt.

Aufgrund meines geringeren Propeller-Wirkungsgrades und der Druckdifferenz komme ich dann auf eine äquivalente Widerstandsfläche (Flat Plate Area) von 5,29 ft^2 gegenüber Hoerners 6,2 ft^2.

Das hat dann natürlich Auswirkungen auf alle folgenden Schlußfolgerungen, aber ich habe noch nicht durchdacht, was sich im einzelnen ändert. Mein Ansatz geht ja eben nicht von den Details des Flugzeuges aus, sondern stützt sich eben auf einen einzelnen Datenpunkt und extrapoliert dann den gesamten "Envelop".

Natürlich ist so ein Ansatz nützlich, zum Beispiel würde ich gern mal berechnen, wie die Flugleistungen der Zero-Varianten A6M3 und A6M5 aussehen, wenn man die grundlegende aerodynamische Gestaltung der A6M2 zugrunde legt, die aber eben einen größeren Flügel hat als die beiden Nachfolgemuster. Von der A6M3 und A6M5 gibt es keine Tests, die ich für zuverlässig halte, so daß ich damit eine Wissenslücke schließen könnte. Das habe ich aber noch nicht gemeistert!

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Der Fehler von etwa 10% bei CD0 klingt viel, ist aber für eine rein analytische Abschätzung ganz OK. Die gute Nachricht: eigentlich bestehen alle Flugzeuge nur aus zwei Formen: Tragflächen und Ellipsoiden. Tatsächlich könnte man auch eine FW190 so hinreichend genau beschreiben.
Sehr cool, darüber würde ich natürlich gern mehr erfahren! :-)



Teilt man jetzt noch durch die Flügelfläche, bekommt man das sagenumwogene CW (englisch CD).
@HoHun
Kommt das mit Deinen Werten hin?
Ich bin nicht ganz sicher, ob ich den Hoerner schon ganz verstanden habe. Die Flächen im von Dir zitierten Diagramm addieren sich ja zu 5,4 ft^2 einschließlich des induzierten Widerstandes, während im Text 6,4 ft^2 für das Gesamtflugzeug angegeben sind, oder 5,8 ft^2 ohne den induzierten Widerstand. Der wiederum ist im Balkendiagramm nur mit 0,4 ft^2 ausgewiesen, was nicht zur Differenz paßt. Es könnte daran liegen, daß er unter (e) einige Ausschlüsse definiert, die die Ergebnisse ab da nicht mehr vergleichbar zu den Ergebnissen vorher machen, vielleicht um die Vergleichsmöglichkeit zu den Ergebnissen aus dem Windkanal von Chalais-Meudon zu eröffnen. (Von dem Ludwig Bölkow glaube ich schrieb, daß von der Meßtechnik her leider weit hinter seinen aerodynamischen Möglichkeiten zurückblieb, so daß die Ergebnisse quantitativ nicht so zuverlässig waren.)

Gleichung (11) demonstriert immerhin mal eine Kompressiblitätskorrektur, aber da muß ich erstmal das referenzierte Kapitel finden und nachlesen :-)

Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Anbei die PDF-Datei mit einer Beschreibung meines Ansatzes (die schon eine Weile auf meiner Festplatte rumliegt) sowie zwei Beispiel-Diagramme, die zeigen, welche Ergebnisse man mit dem Verfahren erhält.
Da mir gerade auffällt, daß ich für eine der Typhoon-Linien die falsche Dicke verwendet habe, so daß sie in der Legende falsch zugeordnet wird, hier eine korrigierte Grafik:



Tschüs!

Henning (HoHun)
 
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Ein recht knackiger Unterschied ist aber, daß meine Berechnung nicht 4,45 kN (1000 lbs) Propellerschub auswirft, sondern nur 3,83 kN. Das liegt daran, daß Hoerner den Propellerwirkungsgrad mit 0,85 ansetzt, während ich aufgrund der hohen Blattspitzenmachzahl von 0,94 den Wirkungsgrad nach meiner Näherungsformel (die auf irgendeinen NACA-Report zurückgeht) schon auf 0,75 reduziert habe.
Mit diesen Handbuchformeln kommt man leider speziell im Eckbereich kaum auf die realen Werte. Ich halte Deinen Wert für Prop-Wirkungsgrad auch für realistischer.
 
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