Der Lililum-Thread und seine wilde Schlagzeilensammlung... :-)
Hier häufen sich mal wieder Vermutungen, die mit der Realität nichts zu tun haben. Ein paar Highlights, so kurz ich kann:
- Autonom vs Automatisiert.
In modernen Fahrzeugen (auch Flugzeugen) ist so manches in bestimmten Grenzen automatisiert, in verschiedenen Ausprägungen. Einfach gesagt: Man entwirft ein System nach einem Regelset, dass sich bei Eintreten bestimmter erwarteter Szenarien auf festgelegte Weise verhält. Die Verantwortung geht damit aber nicht vom Menschen auf das System über, es arbeitet eben nach engen und starren Grenzen.
"Autonom" wäre es, wenn das System eigenständig Entscheidungen und Verantwortung übernimmt in Situationen, die nicht zuvor erwartet und in Regelsets abgelegt sind. Es löst Probleme notwendigerweise auch kreativ.
Bis heute ist mir nicht ein einziges Verkehrsflugzeug bekannt, was auch nur ein autonomes Teilsystem hat. Automatiken in verschiedenen Bereichen - klar. Autonom: Null. Man betrachtet heute eine automatisierte TCAS-Reaktion des Autopiloten als fortgeschritten - aber dabei ist das nur das Umsetzen eines beinahe lächerlich einfachen Regelsets in einem bekannten und kooperativen Umfeld, während der Mensch dieses Systemverhalten überwacht und die Verantwortung behält. Die berühmte "automatische Landung" funktioniert nur unter sehr engen Grenzen - Anfangsposition des Flugzeuges, Systemstatus, Betriebslimits etc sind alle weit unterhalb dessen, was der Pilot leisten kann und darf (sie ersetzt nur ein paar ganz bestimmte Parameter wie Sichtweite, Wolkenuntergrenze durch geringere Grenzen - erkauft das aber mit geringeren Windlimits, hohen Anforderungen an betriebsbereite Systeme im Flugzeug und am Boden und das Abfangen einer großen Zahl Fehlermodi durch die von den Piloten notwendige Überwachung).
Wann ist ein System autonom? Wie unterscheiden sich Begrifflichkeiten rund um Autonome Systeme? Rasmus Adler klärt auf!
www.iese.fraunhofer.de
- Anwesenheit des Menschen im Cockpit heute mehr "psychologischer Faktor"
Das ist fernab der Realität. Kein Linienflug findet ohne das Wirken der Piloten statt. Es gibt viele kleine Teilstücke, die mehr oder weniger an Automatiken abgegeben werden können - aber sowohl deren Sequenzierung, Steuerung, Überwachung als auch die Verantwortung bleibt vollständig in der Hand der Menschen. Flüge verlaufen nie so, wie sie lange zuvor am Boden geplant wurden - sie weichen stets auch im Flug selbst noch teils drastisch von dem ab, was mal erdacht wurde. Dann gibt es noch zig Bereiche, die Ein Computer systembedingt gar nicht übernehmen kann (Verantwortung, moralische Entscheidungsfindung, Team/Menschenführung von Besatzung/Passagieren/Bodencrew/..., Sensorische Grenzen ("Riechst du das auch? Was ist das für ein Geruch?), Echtzeitkoordination gleichzeitig mit Airline, Technik, Flugsicherung, Kabinencrew, Passagieren, Versorgungsfahrzeugen, etc usw.
Die Systemlogik in den derzeit modernsten Verkehrsflugzeugen ist seit Jahrzehnten existent und wird mit enormen Aufwand entwickelt - auch weiterhin nach "Release". Trotzdem sagt jeder Hersteller ganz offen, dass nicht mehr alle Fehlerszenarien abbildbar und erwartbar sind. Die Lösung ist bis heute, dass man in dem Fall den Piloten das lösen lässt, was die Automatik nicht kann und was niemand zuvor vorhergesehen/bemerkt/geahnt hat. Jede komplexe Software hat Bugs, jede komplexe Konstruktion hat Konstruktionsfehler. Wir haben oft genug schwerwiegende Zwischenfälle, weil sich nach Jahrzehnten Betrieb auf einmal ein "Bug" in einem System zeigt, der ohne menschlichen Eingriff in einem Totalverlust enden würde. Bei jedem Hersteller. Und die Entwicklungskosten steigen enorm mit den weit höheren Anforderungen an ein System, dass "autonom" agieren soll und auch juristisch die Verantwortung übernehmen soll.
- Systeme sind "Fail-Safe" ausgelegt.
In der Fliegerei ist "Fail Safe" weitgehend nicht ausreichend und für ein automatisiertes/autonomes System schon gar nicht. "Fail passive" ist noch komplizierter und reicht trotzdem nicht aus. "Fail operational" ist nochmals komplexer - und geht trotzdem nur, weil dahinter noch ein Mensch eine Auffanglinie bildet.
Man könnte das noch seitenweise ausführen - und man könnte jeden mal im Cockpit für einen Umlauf mitnehmen um zu zeigen, die drastisch anders die Realität gegenüber der Vorstellung einer ruhigen, vorhersehbaren Fliegerei mit um die Ecke wartender Autonomisierung ist. Man könnte sich überlegen, warum in Bereichen mit weit simplerer Umgebung (Bahn, Auto, Schiff,...) kein autonomes Fahrzeug existiert.
Und zu guter Letzt: Unter der Annahme einer ewigen Zukunft ist fast alles irgendwann mal Realität. Vielleicht auch autonome Verkehrsflugzeuge. Ganz sicher (und sehr wahrscheinlich lange vorher) die Übernahme von so gut wie jedem hier vertretenen Berufes durch eine KI/Automatik/Autonomes System/Roboter,.... Prinzipiell lässt sich auch die Fortpflanzung automatisch-maschinell machen... ;-)
Die Frage ist: wollen wir das?
Simple Aussagen wie "Verkehr muss autonom werden!" sind so "sinnvoll" wie "Autos müssen blau sein". Der Dieselmotor eines Motorboots kann ausfallen - dessen Ersatz durch ein nie ausfallendes Segel ist aber kein Sicherheitsgewinn, man tauscht nur Fehlerszenarien gegeneinander aus.
Und wirklich am Ende ;-) : 80% der Passagiere haben schon damit ein komisches Gefühl, ihr Schicksal für den Flug einem völlig fremden Menschen zu übergeben. Steigen die für ein 4 Euro billigeres Ticket in ein Flugzeug, dass unter Garantie versteckte und ungeahnte Fehler beinhaltet, die dessen von Menschen entwickelte Konstruktion überfordert - ohne zusätzlich Piloten zu haben, die in solchen Fällen eingreifen können? I wouldn´t... Ich steige aber auch nicht in Flugzeuge, wo ich nicht gut ausgebildete Crews erwarten kann - und das lasse ich mir gern ein paar Euro mehr kosten. Bin ich mir einfach wert... :-D