Moin!
Was bedeutet es, dass bei keiner Verbiegung der Pilot trotzdem Kraft, (Drücken oder Ziehen) aufbringen musste?
Etwas vereinfacht gesprochen ist das Höhenruder bei geringen Ausschlägen so ähnlich wie eine Wetterfahne, die vom Fahrtwind wieder in die Mittelstellung gedrückt wird. Diese Rückstellkraft wächst im Quadrat mit der Geschwindigkeit.
Wenn der Pilot mit konstanter Geschwindigkeit fliegt, kann er die Rückstellkraft durch Trimmen auf Null bringen. Das funktioniert aber immer nur für die augenblicklich geflogene Geschwindigkeit und Leistungseinstellung, und wenn er beschleunigt, steigen die Höhenruderkräfte auch wieder an, und er muß die entsprechende Kraft aufbringen.
Die genaue Gestaltung des Trimm-Mechanismus im Zusammenspiel mit der Zelle war in den 1930ern die hohe Kunst im Jagdflugzeugbau ... gewünscht war ein Flugzeug, das bei niedrigen bis mittleren Geschwindigkeiten kaum getrimmt werden mußte. 1940 hat man dann festgestellt, daß das Verhalten bei sehr hohen Geschwindigkeit für den Luftkampf eigentlich viel wichtiger war, auch wenn man das bis dahin ziemlich vernachlässigt hatte.
Die deutschen Jäger Fw 190 und Me 109 sollen Schwächen beim Abfangen aus einem Sturz in niedriger Höhe gehabt haben, weswegen die Spitfires sie ins Verderben locken konnten, da die britischen Maschinen leichter abzufangen waren. Die 190er und 109er rasten dann in den Boden.
Bei der Me 109 wurden die Höhenruderkräfte bei hohen Geschwindigkeiten so hoch, daß abhängig vom mittels der Trimmung verstellbaren Höhenflosseneinstellwinkel das Abfangen nicht mehr unbedingt durch die vom Piloten (oder vom Flugzeug) auszuhaltende Beschleunigung limitiert wurde, sondern auf den aufbringbaren Höhenruderkräften. Durch Trimmen auf "schwanzlastig" konnte der Pilot die Kräfte zwar verringern, aber auch die Trimmung war bei höheren Geschwindigkeiten schwergängiger, und der Pilot verlor natürlich Zeit, während er der Erde entgegenraste ... das konnte dann auch mal schiefgehen.
Die Spitfire hatte dagegen sehr leichte Höhenruderkräfte, so daß die Gefahr eher darin bestand, daß der Pilot die Maschine unbeabsichtigt überlasten konnte. Es gab eine ganze Reihe von Flügelbrüchen durch Überbeanspruchung bei der Spitfire, bis die Ruderkräfte dann durch ein Fliehgewicht in der Höhenruderbetätigung entschärft wurde. (Das hatte dann wieder Nachteile bei negativen Gs.)
Über die Fw 190 habe ich eigentlich noch nicht gelesen, daß sie Probleme mit der Höhensteuerung hatte. In einigen (amerikanischen) Beschreibung steht, daß die Maschine beim Abfangen "mush"te, aber das ist so ein Slang-Begriff, der strenggenommen heißt, daß die Maschine mit hohem Anstellwinkel flog ... was ja genau das ist, was man zum Abfangen braucht. Das wird wohl eher eine visuelle Illusion im ungewohnten Cockpit gewesen sein, oder vielleicht waren die amerikanischen Piloten Jäger mit geringerer Flächenbelastung geflogen, die bei niedrigeren Geschwindigkeiten einen kleineren Abfangradius hatten. (Bei hohen Geschwindigkeiten ist man ja durch die G-Belastung limitiert, da ist die Flächenbelastung egal.) Der Begriff "mushing" wird von Lagewiesche in seinem klassischen Lehrbuch "Stick and Rudder" (aus den späten 1940ern, glaube ich) kritisiert, weil er nach Langewiesches Meinung auf einem unzureichenden Verständnis der Flugphysik beruht.
Tschüs!
Henning (HoHun)