Moin!
Das RLM und auch Milch kannten ihre Pappenheimer schon über die Jahre und konnten einschätzen, wer halbwegs an der Wahrheit ist oder nicht. Das betraf nicht nur geschönte Leistungskurven, sondern auch zu optimistische Terminangaben. Hier ein Auszug aus dem Bericht vom 29.10.43.
Leider wird der Grund für diese Absicherung nicht genannt. Der Reichsmarschall, also Göring, hatte das befohlen. Eventuell hatte Messerschmitt an allerhöchster Stelle Behauptungen aufgestellt, für die das RLM und Göring keine schriftlich festgehaltenen Gegenargumente hatten.
Naja, das ist aus meiner Sicht nur der Ausdruck einer toxischen Führungskultur. Wenn man es nicht schafft, sich auf klare Vereinbarungen zu verständigen, hilft es garantiert nicht, jemanden auf jedes von ihm gesprochene Wort festnageln zu wollen.
Außerdem heißt der Befehl nicht, daß Göring Messerschmitt nicht traute. Es kann auch sein, daß er einfach die Nase voll davon hatte, von Milch eine Story über eine wichtige Besprechung zu hören und von Messerschmitt eine andere. Natürlich unterdrückt die Protokollierung nur die Symptome, ohne die Ursache des Konflikts zu lösen, aber die Führungskultur der Zeit war eben nicht unbedingt konstruktiv.
Im schon erwähnten "Nerven, Herz und Rechenschieber" erwähnt Tank übrigens eine Begebenheit, bei der (am 23.5.1943) die VIPs der deutschen Luftfahrtindustrie (außer Tank noch: Heinkel, Hertel, Blume, Messerschmitt, Dornier, Dr. Vogt) zu geheimen, persönlichen Vier-Augen-Gesprächen mit Hitler eingeladen wurden, bei dem Hitler "sich, ohne jeden Zwischenträger, ein genaues Bild verschaffen" wollte. Ich halte das für genau so einen Ausdruck des Mißtrauens von Hitler gegenüber den in seinem Auftrag handelnden fachlichen Verantwortlichen, ähnlich wie der Protkollierungsbefehl Görings Mißtrauen ausdrückte. Tank fand es vollkommen unangemessen, daß Hitler sich um Details wie das Fahrwerk der Ta 154 kümmerte, aber ich denke, das war nicht nur Ausdruck der Micro-Management-Tendenzen im 3. Reich, sondern auch der Versuch, herauszufinden, wie zuverlässig die Berichterstattung druch Göring und Milch war.
In so einem Umfeld muß man meiner Meinung nach sehr vorsichtig bei der Bewertung von pauschalisierenden Aussagen sein, weil jeder Beteiligte mit solchen Aussagen natürlich auch seine eigene Position verbessern wollte.
Tschüs!
Henning (HoHun)