@innwolf: Die Tatsache, dass zu viele Angehörige der sozialen Mittelschicht bzw. der unteren Mittelschicht in zu vielen Nationen während der neoliberalen Jahrzehnte seit Thatcher, Reagan, Tony Blair, Clinton und Schröder / Fischer / Trittin zu oft vom Wohlstandsniveau abgekoppelt wurden, heute verbittert sind und in manchen Fällen rechte Bauernfänger wählen, ist das eine Thema. Vor mehr als 20 Jahren warnte Helmut Schmidt aus seinen USA-Kenntnisssen heraus vor der Prekärisierung der Mittelschicht zu einer Schicht der "working poor" - leider wurde das damals nicht gebührend beachtet. Zu diesem Thema gibt es viele schlaue Bücher, das ist in diesem Forum vielleicht ab und zu als gesellschaftliche Randbedingung mal relevant, sollte aber primär an anderer Stelle im Vordergrund stehen - und dort ernsthaft. (Persönlich fasziniert mich die französische Gelbwestenbewegung, die exakt auf dieses Problem zurückgeht, und die ich als erste authentische Arbeitnehmerbewegung seit Jahrzehnten empfinde. Gerade weil sie, ohne sich von grünlichen Funktionärskadern bremsen zu lassen, gegen elitäre Klimasteuern auf die Barrikaden ging).
Im Luftfahrtkontext, um den es hier geht, halte ich es für hochgradig destruktiv, wenn man der Masse der arbeitenden Bevölkerung die Demokratisierung des Fliegens im grünen Gewand wieder wegnehmen will. Erstens bewirkt es die o.g. Verbitterung, da helfen die dollsten Fahrradwege nicht! Es hilft auch keine 16stündige Nachtzugfahrt nach Barcelona, auf die am Ende doch nur diejenigen zurückgeworfen werden, die sich im 21. Jahrhundert nichts Zeitgemäßeres leisten können. Anderes Beispiel: die Greyhound-Busse in den USA, die als billige Notlösung für die armen Bevölkerungsschichten dienen, für die Flug oder Auto zu teuer sind.
Zweitens geht industriepolitisch unvorstellbar viel wertvolles Know-How verloren, wenn wir eine Ausstiegspädagogik wie bei der Kernkraft und beim Dieselmotor zulassen. Ist es wirklich "nachhaltig", heute das Wissen rund um die A380 zu beerdigen, obwohl in 15 Jahren mglw. in Asien genau diese Größenklasse wieder wichtig werden kann, um die Mobilität der immer mehr Wohlstand erlangenden Milliardenvölker zu bedienen?
Wir haben es doch gar nicht nötig, uns von den grünen Verzichtspädagogen so klein machen zu lassen! Wir haben das gesamte Know-How und alle Technologiepotentiale, um ein - wenn nicht klimaneutrales, so doch klimaverträgliches - Konzept künftiger Verkehrsflugzeuge zu entwickeln. Und zwar so, dass alle sich das Fliegen weiterhin leisten können, die Urlaubsdestinationen ihre Existenzbasis behalten, die Hersteller und Zulieferer wettbewerbsfähig bleiben, und die Luftfahrt als inländischer Wohlstandsmotor weiter besteht. Dies gerade auch im strukturschwachen Norddeutschland, wo die Windenergie niemals das Potential der Luftfahrtindustrie erreichen wird.
Wenn ich die heutigen Vorschläge von Airbus zu einem klimafreundlichen H2-Airliner sehe, fühle ich mich auch in meiner ursprünglichen Idee bestätigt. Dass Airbus den H2-Tank im Heck einer A320-ähnlichen Rumpfzelle unterbringen will, statt in Pods, liegt natürlich daran, dass sie mehr Fachkompetenz haben als ich bei meiner Idee vor einigen Wochen.
Hauptsache ist nur, dass jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden, und die Entwicklungsarbeit beginnen kann; auch mit der nötigen öffentlichen Förderung - statt Abermilliarden für Bummelbahnen, Fahrradwege und verbeamtete Verzichtsapostel mit Germanistik- und Soziologiestudium zu vergeuden!