Da es dem Autor hier nicht ansteht, sein Buch selbst zu besprechen, habe ich mich mal aufgerafft, für den einen oder anderen, ungeduldigen User hier, meine ganz persönlichen Emfindungen zum Buch niederzuschreiben. Ich weiß, das ich das nicht gedankt bekomme und ich muss dazu sagen, ich kenne den Autor persönlich nicht.
Holger Müller
MiG-21
Motorbuchverlag
224 Seiten, 228 Farbfotos, 8 s/w, 7 Zeichnungen
Was eigentlich als Fortsetzungsreihe in der Flieger Revue X geplant war, ist nun ein stattliches Buch mit 224 Seiten geworden.
Das kann man letztlich nur begrüßen, wäre doch die Verteilung auf mehrere Hefte nur Stückwerk geblieben.
Aber jetzt, - das erste kompakte, deutschsprachige Buch zur MiG-21. War das jetzt eine Marktlücke?
Ich glaube für den deutschsprachigen Raum, schon. Noch weiter gedacht oder besser gesponnen, so ein Buch vor 30 Jahren wäre glatt als Lehrbuch vom Kommando der LSK vereinnahmt worden. Aber damals war ein Holger Müller noch nicht so weit. Er musste erst einmal selber Hand anlegen, als Techniker für Triebwerk/Zelle an einer, seiner MiG-21. Erst hier wurde sein Interesse für die Technikgeschichte geweckt. Ein Interesse, das bis heute geblieben ist, sich in seiner Internetseite zum Thema manifestiert und in der letzten Konsequenz einfach ein Buch werden musste.
Auch wenn man englischsprachige oder russische Literatur zur MiG-21 Geschichte ließt, die in den letzten 20 Jahren, mit zum Teil umstrittenen Autoren, wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, ließt man in vielen Textpassagen, oder nur mit einem Wort, den Techniker und die Liebe zum technischen Detail heraus.
Das Buch ist sauber strukturiert. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis und man findet was man sucht. Ob man das dann auch im Text wiederfindet, steht auf einem anderen Blatt.
Beginnend mit der Entwicklungsgeschichte, die Suche nach dem richtigen Flügel, die Technik im Detail, bis zum Einsatz an der vordersten Linie im Kalten Krieg. Der Autor zieht hier einen Bogen, hat die technischen Dinge sehr schön erklärt, ohne sich jetzt an der letzten Schraube zu verzetteln. Das Buch ist keine Wartungsvorschrift und es ist auch kein Buch, für Zahlensammler, wo endlose Werksnummern und der Verbleib von Flugzeugen dokumentiert ist.
Aufgrund der prägnanten Schreibweise, hier schreibt der Autor selbst, vom Zwang sein Manuskript von 650.000 Zeichen auf gut 400.000 zu kürzen, sind dann wohl auch ein paar Details nicht genannt worden. Diesen Zwang auf das Wesendliche, finde ich an vielen Stellen im Buch wieder.
Ich hätte gern auf Seite 94 noch etwas über die Systematik der Ausschussfolge der Sitze, bei den U-Typen gelesen.
Zu Irritationen kann es kommen, wenn, siehe Flugdatenschreiber, die Informationen dort sucht, wo man sie vermutet. Diese Feinheiten muss man bei den einzelnen Serienvarianten heraus lesen.
Stichwort Serienvarianten. Erstmalig werden für den deutschsprechenden Leser auch die Serienversionen mit ihren unterschiedlichen Ausstattungen, trotz gleicher oder analoger Zelle, genau aufgeschlüsselt und deren Besonderheiten erklärt. Hierbei geht es nicht ohne die obligatorischen Erzeugnisnummern ab. In so fern, ein exzellentes Nachschlagwerk, um der Variantenvielfalt über vier MiG-21 Generationen auf die Schliche zu kommen.
Es werden weiter die Triebwerke, die Ausrüstung und die Bewaffnung beschrieben. Auf Seite 101 wird erklärt, warum die RS-2US ihre Schubdüsen an der Seite hat. Ein warum, wäre auch nicht schlecht gewesen. Weil sich da hinten die Empfängerantenne für den Leitstrahl befindet, also musste man den Gasstrahl seitlich ausleiten. Der Autor weiß das, aber nur ein paar Worte mehr und alles wäre erläutert.
Das alles wird mit aussagekräftigen, meist farbigen Fotos unterlegt. Das ein paar Bilder aus der nichtdigitalen Fotoära etwas dunkel erscheinen, mag subjektiv erscheinen, muss man akzeptieren. Zu der einen, sehr schöne Risszeichnung einer MiG-21MF, hier ist vor allem der Modellbauer begeistert, hätte ich mir noch vergleichbare Risse der anderen MiG-21 Varianten gewünscht, zumal der unvorbereitete Leser hier die Unterschiede besser vergleichen kann als auf dem umfangreichen Bildmaterial.
Nach dem Umbruch 1990 standen viele MiG-21 Betreiber vor der Frage, Verschrotten oder Modernisieren. Dabei sind einige Untervarianten der 21 entstanden, an der die sowjetisch/russischen Hersteller nur noch einen geringen Anteil hatten. Auch hier hat der Autor fleißig Recherche betrieben und beschreibt Umrüstungsvarianten aus Rumänien, Indien, Israel und Tschechien sehr detailliert.
Einen überschaubaren Einblick erhält der Leser dann auch noch über die ganze Systematik der MiG-21 in China und deren ansehnliche Produktpalette. Alles von Anfang an, chinesische Kopien, Eigenentwicklungen, sauber der Reihe nach, übersichtlich, gut.
Das abschließende Thema Kalter Krieg wird auch einen breiten Leserkreis unter den vielen ehemaligen Angehörigen der Luftstreitkräfte der NVA ansprechen. In den 28 Jahren, in denen die MiG-21 zum Standardjagdflugzeug gehörte, hatten viele, in den unterschiedlichsten Tätigkeiten, ob Pilot oder Techniker ihre eigenen Erlebnisse und Berührung mit diesem Flugzeug. Ich nehme mich da nicht aus. 12 Seiten widmet der Autor dem Einsatz bei der NVA. Neben den sowjetischen Fliegerkräften und den allgemein bekannten MiG-21 Betreibern, werden auch die von Finnland , Albanien und Jugoslawien erklärt.
Man muss davon ausgehen, das immer noch nicht alle technischen Finessen der MiG-21 bis ins letzte Detail enträtselt sind. Die Ursache liegt aber auf der Hand und sind in den hohen Stückzahlen, der langen Produktionsdauer, den unterschiedlichen Produktionsstätten und den vielen Wartungsbetrieben zu finden, die Änderungen nicht immer gleich dokumentiert haben. Auf solche Dinge weist der Autor hin und lässt auch mal Fragen offen, die noch einer Klärung bedürfen.
Also nicht das ultimative Buch zur MiG-21. Aber ich denke, das war auch nicht der Anspruch des Autors. Was dabei herausgekommen ist, ist eine Liebeserklärung an ein Flugzeug, das seit fast 60 Jahren, heute immer noch seine Kondensstreifen am Himmel zieht, ein Buch, das man auch nach dem Lesen immer mal wieder zur Hand nehmen wird.
Bernhard Pethe