bolleken96
Astronaut
Januar 1990: Nach der Schule fuhr ich mit meinen Freunden nach Wuppertal, um mit Taschengeld bewaffnet, Ausschau nach neuen Modellbausätzen zu halten. Wir fuhren mit einer hohen Erwartungshaltung und wurden nicht enttäuscht. Wir erwarteten die ersten Revellneuheiten des Jahres, ohne zu wissen, was es sein könnte. Und was gab es doch viele Geschäfte, die Modellbausätze führten. Ganz in der Nähe der Bushaltestelle war Walbrecht, die Bausätze, Lego und optische Instrumente führten. Außerdem, fußläufig in der Nähe und mit Bausätzen nicht nur von Revell ausgestattet: Hertie, Kaufhof, Sasse und Willy Müller und Söhne. Somit also 6 interessante Geschäfte in unmittelbarer Nähe. Aber ich habe direkt im ersten Geschäft, bei Walbrecht zugeschlagen. Die brandneue Yak-38 in 1:72 – natürlich – musste es sein! Wow, der sowjetische Harrier, wie cool! Und auch noch im neuen blauen Karton, nicht der schäbige graue. Und was noch neu war: MiG-31, Su-25, MiG-29UB. Russen von denen man nur heimlich zu träumen wagte (nicht zweideutig gemeint). Aber die 9,95 DM (ja genau) für die Forger mussten reichen, so blieben noch 5 DM für McDonald’s. In den neuen Revell-Katalog konnten, ja durften wir noch nicht reinschauen. Mit der Frage „Dürfen wir uns den mal ansehen?“ sind wir ab 02. Januar immer durch die Läden gezogen und gingen den Verkäufern ganz offensichtlich auf den Zeiger. Ich war ja erst 13, aber nervig war das für die Leute sicherlich, wenn ein zunehmend pickliger Teenager wöchentlich, Jahr ein Jahr aus, dieselbe Frage stellte. Aber ich zahlte meinen 10er bei der Frau – nein Dame an der Kasse. Schon das war eine Zeremonie und rührend zugleich: Eine locker 70-jährige Dame saß leicht erhoben hinter einer ebenso alten Registrierkasse und hämmerte stets freundlich die Verkaufssumme in das historische Gerät. Danach ging es trotzdem noch in alle anderen Läden. Ein Modellbausatz-Overkill. Aber - wir waren glücklich.
Wenn ich dann den Bausatz heim trug, wurde natürlich zu Hause in Neviges sofort zusammen gebaut und bemalt mit dem, was da war und ohne (da nicht existent) Internetrecherche. Und wenn ich dann noch ein paar Mark über hatte, konnte ich, sogar in diesem Provinznest, noch einen Kiosk, der die herrlichen Matchboxmodelle führte, besuchen und mir für 4,95 DM einen schnittigen WW2-Jäger kaufen. Das Geld bekam ich, weil ich noch ein Matheheft kaufen wollte.
Wenn ich heute in die Stadt gehe, sind von den sechs Geschäften auf 2qkm noch in Summe eins übrig geblieben. Der Kaufhof ist es, wobei hier die Spielwarenabteilung so ausschaut, als wären dort einige der Revell-Bausätze als Realflugzeuge bereits im Einsatz gewesen und hätten ihre zerstörerische Kraft entfaltet. Es ist bei geringer Modellauswahl, kleiner Farb- und gar keiner Zubehörauswahl dort sehr chaotisch und keinen Gang mehr wert. Außer wenn Anfang des Jahres ein paar günstige Auslaufmodelle erhältlich sind. Die reinen Spielwarengeschäfte haben alle zu gemacht, Hertie gibt es auch nicht mehr und der Mitte der neunziger neu eröffnete Toys’r’us führt seit einer Dekade keine Bausätze mehr.
Es ist ein Trauerspiel.
Heute haben wir Internet und Smartphones mit selbigen und können überall online alles kaufen und recherchieren. Das mache ich auch….oftmals leider. Denn früher war manches nicht besser, aber schöner. War es nicht toll, von Neuheiten überrascht zu werden? War es nicht klasse, pro Jahr 20-25 Modelle fertig zu bauen? War es nicht toll, in sechs verschiedene Geschäfte zu gehen und nicht nur blaubündener Kartons zu erspähen, sondern auch Italeri, Hasegawa, Fujimi, Matchbox, Heller? Und war es nicht super, mit dem was man an Material hatte, das Modell fertig zu machen? Jedes neue Modell sollte das Beste sein, was man bisher gebaut hat und das war es dann auch. Ganz egal, ob die Vorblidtreue stimmte, ob die eine erhabene Gravur 3mm zu weit links ist oder ob es die 84 Widerauflage des gleichen Modells ist, das hat Spaß gemacht und die ganzen Flieger machten sich gut im Zimmer.
Heute fange ich immer wieder neue Bausätze an mit dem gleichen Vorsatz wie damals: Es soll das beste Modell werden. Aber es gelingt mir nicht. Ich kaufe den Bausatz online, obschon ich 30 mal gelesen habe was alles nicht stimmt und schlecht ist, beginne und irgendwann kommt die Schleif- und Spachtelorgie, für die mir heute auch keine Zeit bleibt. Während ich dabei schleifend mein Interesse verliere (weil ja noch 200 weitere Versuche zur Verfügung stehen), fällt mein Blick auf das nächste Modell mit später gleicher Historie.
Das soll nicht nur Jammern sein, sondern führt mich zum Aufstellen folgender These:
Sind wir überinformiert und für unser Hobby entspaßt freudlos? War es früher nicht vielleicht besser, dass eben nicht alles an Informationen, Zurüstsätzen und Materialien zur Verfügung stand und das einem ein sehr begrenztes Budget zur Verfügung stand?
Vielleicht und sogar wahrscheinlich empfinde nur ich so, aber ich würde gerne meine Freude von einst an meinem Hobby gerne in die Gegenwart transportieren. Nicht nur Melancholie soll mich begleiten, sondern die Freude an einer Tätigkeit und einem Ergebnis, dass ich selber erschaffen habe.
Gruß
Bolleken
Wenn euch dieser kleine Aufsatz zu sehr nervt, anödet oder ähnliches, kann das Thema auch gelöscht werden.
Wenn ich dann den Bausatz heim trug, wurde natürlich zu Hause in Neviges sofort zusammen gebaut und bemalt mit dem, was da war und ohne (da nicht existent) Internetrecherche. Und wenn ich dann noch ein paar Mark über hatte, konnte ich, sogar in diesem Provinznest, noch einen Kiosk, der die herrlichen Matchboxmodelle führte, besuchen und mir für 4,95 DM einen schnittigen WW2-Jäger kaufen. Das Geld bekam ich, weil ich noch ein Matheheft kaufen wollte.
Wenn ich heute in die Stadt gehe, sind von den sechs Geschäften auf 2qkm noch in Summe eins übrig geblieben. Der Kaufhof ist es, wobei hier die Spielwarenabteilung so ausschaut, als wären dort einige der Revell-Bausätze als Realflugzeuge bereits im Einsatz gewesen und hätten ihre zerstörerische Kraft entfaltet. Es ist bei geringer Modellauswahl, kleiner Farb- und gar keiner Zubehörauswahl dort sehr chaotisch und keinen Gang mehr wert. Außer wenn Anfang des Jahres ein paar günstige Auslaufmodelle erhältlich sind. Die reinen Spielwarengeschäfte haben alle zu gemacht, Hertie gibt es auch nicht mehr und der Mitte der neunziger neu eröffnete Toys’r’us führt seit einer Dekade keine Bausätze mehr.
Es ist ein Trauerspiel.
Heute haben wir Internet und Smartphones mit selbigen und können überall online alles kaufen und recherchieren. Das mache ich auch….oftmals leider. Denn früher war manches nicht besser, aber schöner. War es nicht toll, von Neuheiten überrascht zu werden? War es nicht klasse, pro Jahr 20-25 Modelle fertig zu bauen? War es nicht toll, in sechs verschiedene Geschäfte zu gehen und nicht nur blaubündener Kartons zu erspähen, sondern auch Italeri, Hasegawa, Fujimi, Matchbox, Heller? Und war es nicht super, mit dem was man an Material hatte, das Modell fertig zu machen? Jedes neue Modell sollte das Beste sein, was man bisher gebaut hat und das war es dann auch. Ganz egal, ob die Vorblidtreue stimmte, ob die eine erhabene Gravur 3mm zu weit links ist oder ob es die 84 Widerauflage des gleichen Modells ist, das hat Spaß gemacht und die ganzen Flieger machten sich gut im Zimmer.
Heute fange ich immer wieder neue Bausätze an mit dem gleichen Vorsatz wie damals: Es soll das beste Modell werden. Aber es gelingt mir nicht. Ich kaufe den Bausatz online, obschon ich 30 mal gelesen habe was alles nicht stimmt und schlecht ist, beginne und irgendwann kommt die Schleif- und Spachtelorgie, für die mir heute auch keine Zeit bleibt. Während ich dabei schleifend mein Interesse verliere (weil ja noch 200 weitere Versuche zur Verfügung stehen), fällt mein Blick auf das nächste Modell mit später gleicher Historie.
Das soll nicht nur Jammern sein, sondern führt mich zum Aufstellen folgender These:
Sind wir überinformiert und für unser Hobby entspaßt freudlos? War es früher nicht vielleicht besser, dass eben nicht alles an Informationen, Zurüstsätzen und Materialien zur Verfügung stand und das einem ein sehr begrenztes Budget zur Verfügung stand?
Vielleicht und sogar wahrscheinlich empfinde nur ich so, aber ich würde gerne meine Freude von einst an meinem Hobby gerne in die Gegenwart transportieren. Nicht nur Melancholie soll mich begleiten, sondern die Freude an einer Tätigkeit und einem Ergebnis, dass ich selber erschaffen habe.
Gruß
Bolleken
Wenn euch dieser kleine Aufsatz zu sehr nervt, anödet oder ähnliches, kann das Thema auch gelöscht werden.
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