Michael aus G.
Space Cadet
Das Verhältnis Türkei und USA ist ja seit Jahrzehnten immer mal wieder angespannt bis schlecht. Beginnend seit 1974 mit Beginn des Zypernkonfliktes, über 2003 mit Beginn des Irakkrieges bis hin zum Syrienkrieg. Und seit 2015 halt richtig schlecht.
Erdogan pokert, denn das Ansehen Russlands wächst in der Türkei
Erdogan pokert, denn das Ansehen Russlands wächst in der Türkei
Seit ein paar Jahren jedoch ist das türkisch-amerikanische Verhältnis richtig schlecht, und in der türkischen Gesellschaft ist auch das Image der Nato im Keller. Unter allen Nato-Staaten erfuhr die Allianz in der Türkei von 2011 bis 2019 den geringsten Zuspruch. Nur 21 Prozent der Türken konnten sich 2019 zu einer positiven Einschätzung des Bündnisses durchringen. In den Nato-Ländern lag der Mittelwert hingegen bei 60 Prozent.
Noch schlechter steht es um das Ansehen der USA. Der stärkste Partner in der Verteidigungsallianz und Hauptwaffenlieferant des türkischen Militärs führt nicht die Liste der Staaten an, die von der türkischen Bevölkerung als Freunde wahrgenommen werden, sondern gilt schon seit Jahren als die „größte Bedrohung“ für die Sicherheit des Landes. Gewachsen ist dagegen die Begeisterung für Russland und für China. Nur wenige Wochen vor den Angriff Russlands auf die Ukraine im Januar 2022 votierte eine knappe relative Mehrheit von 39,4 Prozent der Türken für die Zusammenarbeit von Ankara mit Moskau und mit Peking anstelle von Europa und den USA.
Der schlechte Ruf Washingtons ist der Hauptgrund dafür, dass auch die Nato übel beleumdet ist. Seit Jahren schon bläut die regierungsnahe Presse den Leuten ein, die Nato sei nichts weiter als das Instrument der USA. Washington nutzte das Bündnis ausschließlich in seinem eigenen Interesse. „Für die Türkei ist die Nato schon lange kein Verteidigungsbündnis gegen andere mehr“, schrieb drei Tage von den Angriff Russlands auf die Ukraine Mehmet Barlas, Chefkommentator der Zeitung Sabah, das Sprachrohr der türkischen Regierung.
Die Zeit, in der die Türkei sich fraglos in der Politik der Nato eingereiht hat, ist ein für alle mal vorbei. Zwar ist für Westeuropa Moskau wieder, wie schon zu der Zeit des Kalten Krieges, Bedrohung Nummer Eins. Doch anders als im Kalten Krieg hat die Türkei heute sehr enge Wirtschaftsbeziehungen mit Russland. Und Ankara hat Interessen im Südkaukasus, Zentralasien, in Syrien und in Libyen, bei deren Verfolgung die Türkei auf Russland Rücksicht nehmen muss. Und anders als im Kalten Krieg fallen im Nahen Osten die Vorstellungen und Ziele der Türkei und die der USA zunehmend auseinander.