Neue Erkenntnisse über gefährliche Landung in Hamburg im März 08

Diskutiere Neue Erkenntnisse über gefährliche Landung in Hamburg im März 08 im Flugunfälle und Flugunfallforschung Forum im Bereich Luftfahrzeuge allgemein; Max Demonstrated ist auch eine Art Zufall, nämlich einerseits das, was sich ein beherzter Testpilot bei der Zulassung mal (vermutlich in Island)...

Rhönlerche

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Max Demonstrated ist auch eine Art Zufall, nämlich einerseits das, was sich ein beherzter Testpilot bei der Zulassung mal (vermutlich in Island) zugetraut hat und andererseits das, was Wind und Bahnrichtung an dem Tag "hergegeben" haben.
Kein regulärer Pilot sollte ohne Not über sowas rausgehen.

Hier die A380-Demo.
http://www.youtube.com/watch?v=dMbdFbgbFXM
 
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Max Demonstrated ist auch eine Art Zufall ...
Ohne zu wissen, wie man als Konstrukteur eine möglichst von allen Piloten noch beherrschbare Seitenwindkomponente auswürfelt: an Zufall glaube ich nicht. Ich vermute, dass es errechnete Kombinationen aus stationärem Flugzustand und Belastbarkeit bei einer Crap- oder Einrad-Landung sind, die mit den Rudern noch gehalten und vom Fahrwerk verkraftet werden können. Alles, was darüber hinaus geht, muss dynamisch ausgeglichen werden. Man kann eine maximale demonstrierte Seitenwindkomponente aber durchaus merklich überschreiten ohne dass dabei Mensch und Maschine schaden nehmen.
 

Rhönlerche

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Das ist eine unter Piloten übliche Ansicht aber dem hat die BFU ja hier unerwartet deutlich widersprochen.
 
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Das ist eine unter Piloten übliche Ansicht aber dem hat die BFU ja hier unerwartet deutlich widersprochen.
Nein, hat sie nicht. Sie hat festgestellt, dass es grundsätzlich umstritten ist und für den betreffenden Fall auch nicht durch den Betreiber im OM geregelt wurde. Es steht nirgendwo in dem Bericht explizit, dass eine demonstrierte Seitenwindkomponente ein Grenzwert ist. Zumindest habe ich eine solche Textpassage nicht gefunden. Das ist ja meine Frage gewesen: wer lichtet den Nebel, wo ist festgelegt, dass es ein Grenzwert ist oder aber, dass es einen Grenzwert geben muss (den man dann auch gleich Grenzwert nennt)?

Dann käme die nächste Frage: woher weiß ich meine aktuelle Seitenwindkomponente. Wind ist etwas sehr Unstetes. Ich bin schon gelandet, wo mir Turm und ATIS Böen von 40 Knoten genau von der Seite prophezeiten, und es war easy going. Ein anderes Mal gab es maximal angesagte 25 Knoten und ich habe mir richtig einen abgebrochen.
 

Rhönlerche

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Hier:
Während des Anfluges auf die Piste 23 wurde vom Tower der aktuelle Bodenwind mit 300°/28 kt mit Böen bis 47 kt, 290°/29kt mit Böen bis 47 kt und 300°/33 kt mit Böen bis 47 kt übermittelt. Im OM des Luftfahrtunternehmens war ein Wert maximum crosswind demonstrated for landing mit 33 kt gust 38 kt angegeben, der im FCOM des Flugzeug-Herstellers 33 kt gusting up to 38 kt dokumentiert war.

Die Cockpitbesatzung hat diese Angabe nicht als flugbetrieblichen Grenzwert oder Betriebsgrenze des Flugzeuges interpretiert und den Landeanflug fortgesetzt. Bei einer Interpretation als Grenzwert wäre zu diesem Zeitpunkt ein Durchstartverfahren eingeleitet worden.

Eine Erklärung, warum dieser Wert nicht als Grenzwert gesehen wurde, sieht die BFU in einer unzureichenden Definition und Erklärung in der flugbetrieblichen und technischen Dokumentation für den Betrieb des Flugzeuges. Durch die Befragung von mehr als 80 aktiven Verkehrsflugzeugführern verschiedener Luftfahrtunternehmen wurde deutlich, dass es sich hier nicht nur um ein Informationsdefizit des Kapitäns und der Copilotin des betroffenen Fluges handelte, sondern um allgemeine Unsicherheit in der Interpretation bei vielen Piloten.
Quelle:
http://www.bfu-web.de/cln_015/nn_223532/sid_90E3449E934DE6D3FA25BC91850F0343/nsc_true/DE/Aktuelles/Nachrichten/Aktuell/20100304__PM__A320__Hamburg.html
 
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Nöö!

Kein Bezug auf irgendein Gesetz oder Verordnung oder sonst irgendetwas, was auf einen Grenzwert deutet. Lediglich die Mitarbeiter der BfU scheinen zu meinen, dass es ein Grenzwert sei. Aber wie gesagt, dünnstes Eis, ist ja bekannter Weise umstritten.

Wenn es eindeutig geregelt wäre, stünde dort der Bezug.
 
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Es ist nicht geregelt, daher auch die juristisch vorsichtige Wortwahl der BFU. Es ist aber wohl die Ansicht der BFU, dass dieser ermittelte technische Wert als ein solcher Grenzwert interpretiert werden sollte.

Einen echten, physikalischen Grenzwert kann das bislang angewandte Verfahren nicht liefern, dafür wäre eine Messreihe unter definierten Bedingungen (Wetter und Pilotenerfahrung) erforderlich, die aber dann nur schwerlich mit den jeweils aktuellen Wetterbedingungen im Einsatz zu vergleichen wären.

Daher ist dieser Wert meiner Meinung nach nur ein Indikator, der den Piloten helfen soll, zusammen mit gesunder Menschenverstand, ihrer Flugerfahrung und anderen Daten, in der Einzelsituation die richtige Entscheidung zu treffen.
 
Schorsch

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Ohne zu wissen, wie man als Konstrukteur eine möglichst von allen Piloten noch beherrschbare Seitenwindkomponente auswürfelt: an Zufall glaube ich nicht. Ich vermute, dass es errechnete Kombinationen aus stationärem Flugzustand und Belastbarkeit bei einer Crap- oder Einrad-Landung sind, die mit den Rudern noch gehalten und vom Fahrwerk verkraftet werden können. Alles, was darüber hinaus geht, muss dynamisch ausgeglichen werden. Man kann eine maximale demonstrierte Seitenwindkomponente aber durchaus merklich überschreiten ohne dass dabei Mensch und Maschine schaden nehmen.
Man würfelt in der Tat. Es gibt meines Wissens keine "technische" Grenze für Seitenwind. Vielleicht dann, wenn ich das Flugzeug nicht mehr auf der Bahn halten kann. Die Belastungen für das Fahrwerk können enorm sein (die B747 konnte mit bis zu 45° Winkel auf die Bahn gedrückt werden). Solch ein "Decrab"-Manöver hängt ganz entscheidend vom Können des Piloten ab, und hier ist die Schwankungsbreite sehr hoch. Man sollte stets anmerken, dass vor und nach der LH-Maschine an jenem Tag erfolgreich Flugzeuge gelandet sind. Es ist ja nicht so, dass die Bedingungen bei der LH-A320 kurzfristig extrem schlecht waren.
Im Zweifelsfall ist es übrigens immer besser einfach mit leichtem bis mittleren "Crab" auf die Bahn zu gehen. Hässlich für die Räder und vor allem den "Side Stay", aber dafür ist das ganze Metall ja da.
Was schlussendlich die Bodenberührung verursacht hat war ja der asymmetrische Auftrieb aufgrund des "Decrab", welcher den rechten Flügel hob. Dies dann in Verbindung mit einem sportlichen Seitenwind und der aufgrund des Aufsetzens bereits reduzierten Rollkontrolle. Des Weiteren (so sagt Airbus) hätte der Pilot Flying früher (quasi prophylaktisch) gegensteuern müssen. Für mich ganz klar mangelnde Landetechnik, und ein Rüffel für LH und seine ach so tollen (und streikfreudigen) Piloten.

Aufgrund verschiedenlicher Entwicklungen hat sich Seitenwindlandung als zu berücksichtigender Ermüdungsfaktor für die Struktur des Seitenleitwerks entwickelt.
 
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Tatsache ist, dass die Ausbildungsbetriebe bei Erreichen einer bestimmten Seitenwindkomponente den Betrieb einstellen. Es geht ja nichts verloren, der Schüler fliegt seine 195 Stunden so oder so. Das Einstellen des Betriebes reduziert aber definitiv die Wartungskosten. Somit hat ein junger Pilot eigentlich nur in einer Nicht-OM-Umgebung die Chance, seine Seitenwindtechnik zu verfeinern. Das machen aber mittlerweile nur noch sehr wenige. Die Beherrschung einer Seitenwindtechnik insgesamt nimmt ab. Unter den Privatpiloten sogar, so schätze ich, verfügen 80% über keine als Reflex abrufbare Seitenwindtechnik.

Als der Lufthansa-Airbus seinen Vorfall hatte, machte doch eine B747 in England eine Landung sogar mit zerstörtem Triebwerk, wenn ich mich recht entsinne, und die Kapitänin war bekannt für ihre "Ehrfurcht" vor dem Wind. Es waren halt keine Kameras zugegen, deshalb hört man davon so wenig.

Also: es gibt keinen Grenzwert, auch nach dem Untersuchungsbericht noch nicht.
 

Rhönlerche

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Niemand hat behauptet, dass es ein neues "Seitenwindgesetz" gäbe.
Aber die BFU hält jetzt offenbar "flugpraktisch" die demonstrierte Komponente für das anzuwendende Maximum. Das ist, so ausdrücklich, neu.
 
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BFU schrieb:
Während des Anfluges auf die Piste 23 wurde vom Tower der aktuelle Bodenwind mit 300°/28 kt mit Böen bis 47 kt, 290°/29kt mit Böen bis 47 kt und 300°/33 kt mit Böen bis 47 kt übermittelt. Im OM des Luftfahrtunternehmens war ein Wert maximum crosswind demonstrated for landing mit 33 kt gust 38 kt angegeben, der im FCOM des Flugzeug-Herstellers 33 kt gusting up to 38 kt dokumentiert war.
Anflugbahn: 230°

Wind:
300°/28kt/G47kt > 70°
290°/29kt/G47kt > 60°
300°/33kt/G47kt > 70°

Max Demonstrated: 33kt/G38kt > 90°

Nun, der Winkel sind 70°. Also ergeben sich folgende Seitenwindkomponenten: sin(70°) = .94, sin(60°) = .87

Wind (äquivalenter Cross Wind):
26kt/G44kt
25kt/G41kt
31kt/G44kt
 
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Niemand hat behauptet, dass es ein neues "Seitenwindgesetz" gäbe.
Aber die BFU hält jetzt offenbar "flugpraktisch" die demonstrierte Komponente für das anzuwendende Maximum. Das ist, so ausdrücklich, neu.
Das lese ich so nicht. Aber wenn man es so interpretieren dürfte, wäre es die individuelle Meinung eines einzelnen Unfalluntersuchers. Dazu kommt noch, dass die BfU manchmal recht seltsame Ansichten hat. Ich erinnere mich an 500 Fuß Wolkenuntergrenzen, die man bei einem VFR(!)-Anflug als mißachtet kommentiert hatte. War irgendso ein Ereignis in Freiburg. Wenn ich daraus jetzt auf mein Verhalten Rückschlüsse ziehen würde ...

Wünschst Du Dir einen Grenzwert?
 
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Das lese ich so nicht. Aber wenn man es so interpretieren dürfte, wäre es die individuelle Meinung eines einzelnen Unfalluntersuchers. Dazu kommt noch, dass die BfU manchmal recht seltsame Ansichten hat. Ich erinnere mich an 500 Fuß Wolkenuntergrenzen, die man bei einem VFR(!)-Anflug als mißachtet kommentiert hatte. War irgendso ein Ereignis in Freiburg. Wenn ich daraus jetzt auf mein Verhalten Rückschlüsse ziehen würde ...

Wünschst Du Dir einen Grenzwert?
Seltsame Ansichten oder verantwortungsvolle Unfallanalyse mit daraus folgender Empfehlung / Anweisung / Anordnung .........?

Fall Hamburg, bei äußerst problematischen Wetterverhältnissen bringt eine Besatzng zunächst nur den Flügel und ein Fahrwerksbein auf den Boden, und nach Ansicht der mit der Untersuchung beauftragten Stelle hatte dieser Beinahe-Unfall eine seiner Ursachen in der Seitenwindkomponente, und diese war zuvor bekannt. Der Hersteller hat im Rahmen der Musterzulassung eine Seitenwindkomponente erflogen. Da waren ausgebildete Testpiloten am Steuer, keine Passagiere an Bord, der Flugplatz zuvor ausgesucht und alle Umstände im Detail bekannt. Es darf angenommen werden, dass es sich dabei auch nicht um einen einmaligen Anflug handelte, sondern dass diese publizierte Komponente am Abschluß der Tests als die vertretbare und im Handbuch zu nennende Größe vom Hersteller definiert wurde.

Welchen Anlaß gibt es, diese Komponente und den Bezug der BFU in ihrer Sinnhaftigkeit unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit in Frage zu stellen?

Zum Freiburger Unfall (ich komme aus der gegend, kenne den Platz....) sei hier aus dem Flugunfallbericht zitiert:

Vorhersagen für die Flughäfen im Rheintal stellenweise Sichtweiten von unter 1500 m und Wolkenuntergrenzen zwischen 200-500 ft.

Von Einsatzkräften der Feuerwehr, die wenige Minuten nach dem Ereignis am Unfallort waren, wurde berichtet, dass die Sicht am Boden 300-400 m betragen habe. Die Spitze der auf 24 m ausgefahrenen Drehleiter sei im Nebel gewesen.


Der Unfall passierte bei Nacht, für Freiburg gibt es keinerlei zugelassenen Anflugverfahren oder Navigationsmittel am Platz.

Der Unfall war nicht notwendig, wie so viele andere auch. Ich finde es nicht korrekt, die recherchierten Tatsachen der BFU als seltsame Ansichten abzutun, zumindest ist das Thema des Threads und auch der zitierte Unfall in Freiburg nicht dafür geeignet.

There are old pilots and bold pilots, but only a few old and bold pilots!

franzl
 
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Du hast mich falsch verstanden. In dem Freiburger Bericht stand irgendetwas dem Sinn nach "wenn wenigstens 500 Fuß Untergrenzen gewesen wären", was im Umkehrschluss bedeutet, oberhalb von 500 Fuß hätte man das illegale Durchstoßverfahren anwenden können.
 
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