@Karajan
Ich sehe Dich nicht als Spielverderber und Deine Meinung ist Dir unbenommen. Ich bin seit fast 30 Jahren in der Medienbranche und hatte mehrere reguläre Verlage für einige meiner Bücher, mich aber bewusst dagegen entschieden, da die Nachteile überwiegen, die zwei für mich wichtigsten, weshalb ich mich für den Eigenverlag entschieden habe:
1.) Verlag macht Vorgaben betreffend Seiten- und Bildanzahl
2.) Verlag alleine entscheidet über Auflage und darüber ob es eine weitere Auflage gibt
Diese Einschränkungen sind problematisch, da dadurch die durchgehende Erhältlichkeit eines Buches nicht gegeben ist. Ich kenne einen Autor (ex BW-Pilot), der hatte ein Buch bei einem regulären Verlag. Nachdem die erste Auflage verkauft war, gab es weiterhin Nachfragen, aber der Verlag wollte keine weitere drucken. Also ist er ebenfalls auf Eigenverlag umgestiegen. Deiner Logik zufolge wäre das Buch also nur die "Spreu" und nicht der "Weizen"? Ziemlich präpotente und natürlich völlig unzutreffende Aussage.
Denn der Vorteil im Eigenverlag (egal bei welchem Anbieter) ist, dass das Buch dauerhaft über die ISBN verfügbar ist, solange der Anbieter existiert oder man den Vertrag nicht selbst auflöst. Ein Verlag hat mir für eines meiner Bücher mal eine durchaus stolze Summe für eine garantierte Fixauflage angeboten. Weil aber unklar gewesen wäre, ob es eine zweite Auflage gibt und das Buch danach weiterhin als Neuware erhältlich gewesen wäre, habe ich ganz bewusst abgelehnt.
Zu den Verkaufszahlen, auch da liegst Du völlig falsch und ich persönlich würde keine unqualifizierten Spekulationen abgeben, aber das scheint das Internetzeitalter zu sein, damit muss man heutzutage eben leben, dass es oft viel Meinung aber wenig tatsächliches substantielles Wissen gibt.
Kleiner Hinweis: Allein in den ersten Tagen nach Erscheinen meines Buches über LH 540 waren ein paar hundert Stück nur über Onlineverkäufe verkauft, da reden wir noch nicht von abgehaltenen Lesungen (zB über Buchhandel organisiert) und Direktverkäufen sowie dem seither laufenden Geschäft. Einige meiner Titel sind zudem auch von großen Händlern auf Lager gelegt und in Buchhandlungen erhältlich. Ich gehe davon aus, dass sich Germanwings 9525 ähnlich positiv entwickelt, denn die Erlöse aus meinen Buchverkäufen sind mittlerweile eine feste Säule meines Einkommens, weshalb sich der hohe Zeitaufwand und die teils jahrelangen vorausgegangenen Recherchen durchaus lohnen.
Neben "großen" Themen wie Ramstein, Germanwings, oder den ersten 747-Absturz, für die sich auch reguläre Verlage durchaus interessieren, gibt es freilich auch Nischenthemen, wo die alteingesessenen Verlage in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten (hohe Papier-, Energie- und Druckkosten) sagen, dass ihnen das Risiko zu groß ist und sie deshalb ablehnen - oder auf Vorausfinanzierung durch den Autor bestehen. Ein solcher Fall wäre zB mein Taschenbuch über das
Flugtagunglück von Lemberg, das von der Opferzahl her deutlich mehr Menschenleben gefordert hat als jenes von Ramstein und trotzdem im Westen kaum bekannt ist. Sollen Bücher zu solchen Themen überhaupt nicht erscheinen, nur weil die alteingesessenen Verlage ein zu hohes wirtschaftliches Risiko sehen? Genau da spielt der Eigenverlag dann seine Vorteile voll aus. Denn dort ist es völlig egal, ob von so einem Buch dann halt über die Zeit nicht 5.000 sondern meinetwegen nur 300 Stück verkauft werden. Aber mir als Autor sind auch solche "kleinen" Themen wichtig.
Abschließend noch etwas zur Qualität: Ich habe schon Bücher (hat nichts mit Luftfahrt zu tun) von regulären Verlagen gesehen, die inhaltlich von der Qualität völliger Müll waren und Top-Bücher im Eigenverlag - sowie umgekehrt. Ob regulärer Verlag oder Eigenverlag sagt rein gar nichts über die Qualität eines Buches aus. Und auch Deine Aussage, dass im Eigenverlag ein Buch "so wie abgeliefert gedruckt wird" stimmt nicht. Ich kenne einen Kollegen, dessen Buch wurde nach Sichtung von einem Eigenverlaganbieter (aus meiner Sicht auch zu Recht) wegen qualitativer Mängel abgelehnt. Eine gewisse Grundsatzprüfung findet also auch dort statt. Die Qualität meiner Bücher, sowohl der "kleinen" Titel als auch jener, bei denen ich mich aufgrund der oben angeführten Gründe bewusst gegen einen großen Verlag entschieden habe, sprechen ohnedies für sich, wie die positiven Rückmeldungen, tlw. öffentlichen Rezensionen und die Erwähnung bzw. Empfehlung in zum Teil auch richtig großen Medien zeigen.
Der aus meiner Sicht einzige "Nachteil" im Eigenverlag (wenn man das so nennen will) ist, dass die ganze PR und die Vermarktung an einem selbst hängen bleibt. Dadurch, dass ich aber seit bald 30 Jahren in der Medienbranche arbeite, habe ich die entsprechenden Kontakte und das ist kein Hindernis für mich.
Wenn Du Dich über dieses Thema informieren willst, so stehe ich gerne zur Verfügung - aber am besten per PM oder E-Mail.
Schönen Abend noch!