VBS-Chef Parmelin sticht beim Kampfjet-Kauf ins Wespennest
von Henry Habegger — Nordwestschweiz
Zuletzt aktualisiert am 9.12.2016 um 08:25 Uhr
Bundesrat und Verteidigungsminister Guy Parmelin überlegt sich, beim Rüstungskauf auf teure Gegengeschäfte zu verzichten. Mit dieser Idee stösst er allerdings auf heftigen Widerstand.
Verteidigungsminister Guy Parmelin mischt das althergebrachte helvetische Rüstungsprozedere samt dessen Hauptdarsteller tüchtig auf. Nicht nur, indem er das aus dem Ruder laufende Luftabwehrprojekt Bodluv im Frühling kurzerhand sistierte.Der Waadtländer scheint bereit, auch andere Tabubrüche zu begehen.
So denkt er laut darüber nach, beim nächsten Kampfjetkauf auf Gegengeschäfte zu verzichten. Im Interview mit der «Nordwestschweiz» sagte Parmelin letzte Woche: «Deutschland etwa macht das nicht mehr. Es kann interessant sein für unsere Unternehmen: Aufträge, Technologietransfer. Aber es kostet mehr. Und man muss sehr aufpassen: In Österreich kam es zu Korruption bei Gegengeschäften.»
Damit sticht Parmelin jedoch ins nächste Wespennest. CVP-Nationalrat Jakob Büchler (SG), führender bürgerlicher Sicherheitspolitiker, macht klar: «Ein Verzicht auf Gegengeschäfte kommt nicht infrage. Die Schweizer Rüstung erlebt ohnehin schon schwierige Zeiten. Sie braucht diese Aufträge, die gegenseitige Synergien ergeben.»
Gegen- oder Kompensationsgeschäfte: Wenn die Schweiz Rüstungsgüter kauft, verlangt sie vom Verkäufer in der Regel, dass er die Vertragssumme zu 100 Prozent «kompensiert». Direkt, durch Beteiligung der Schweizer Industrie an der Produktion – beispielsweise der Kampfjets. Oder indirekt (Offset), indem der ausländische Hersteller Schweizer Firmen Aufträge verschafft. Tut er das nicht, wird eine hohe Strafzahlung fällig.
Aber Gegengeschäfte kosten die Steuerzahler viel Geld. Je nach Untersuchung treiben sie die Beschaffungskosten um 7 bis 15 Prozent in die Höhe. Im Fall des geplanten neuen Kampfjet-Kaufs kann das rasch mal eine Milliarde Franken ausmachen. Oscar Schwenk, Chef des Flugzeugherstellers Pilatus, sagte 2014 am Radio: «Offsetgeschäfte sind ein absoluter Blödsinn.» Er bezifferte die Mehrkosten, die den Unternehmen entstehen, sogar auf 20 Prozent.
«Schlag das auf den Preis drauf»
Als die Schweiz in den 90er-Jahren die F/A-18 kaufte, sollen sich die Amerikaner über die hohen Offset-Forderungen beklagt haben. «Dann schlagt das auf den Preis drauf», soll der damalige Rüstungschef gesagt haben.
Und Gegengeschäfte sind korruptionsanfällig. Sie öffnen Tür und Tor für Geschäftemacher und Vermittler, die sich über Provisionen ein Stück vom Kuchen sichern wollen. Denn Rüstungsfirmen haben oft Mühe, auf die verlangte Offset-Summe zu kommen. Beim Kampfjet Gripen etwa soll das dazu geführt haben, dass Gegengeschäfte angerechnet wurden, die keine waren.
Noch klarer trat das Problem 2002 zutage, als Österreich den Eurofighter kaufte und 200 Prozent Kompensation verlangte. Der Wiener Grüne und Korruptionsbekämpfer Peter Pilz hielt später fest: «Im Schatten der Rüstungskonzerne existiert in Europa ein Gegengeschäftsbasar.»
Parmelin über die Beschaffung neuer Kampfjets (November 2016)
Am Montagabend stellt Bundesrat Guy Parmelin einen Zwischenbericht für die Beschaffung von neuen Kampfjets vor. Die Schweizer Luftwaffe soll ab 2025 neue Kampfflugzeuge erhalten. Damit aber die Sicherung des Luftraums gewährleistet ist, sollen alte Jets wie die F/A 18 oder die Tiger weiter genutzt werden. Die Sicherheit sei dabei nicht gefährdet, sagt Bundesrat Guy Parmelin.
Es gebe Broker, die einen Handel mit Gegengeschäften betrieben. Alle möglichen Geschäfte würden nachträglich gegen Bezahlung von Provisionen als Offset deklariert. Im Fall Österreichs von der WC-Papiermaschine bis zu einer ganzen Modekette.
Auch die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) setzte 2007 in einer Untersuchung ein dickes Fragezeichen hinter die Kompensationsgeschäfte: Die Beschäftigungswirksamkeit sei geringer, als in den Rüstungsprogrammen angenommen werde. Statt 100 flössen nur rund 40 Prozent des Offsetvolumens in die Schweizer Industrie. Zudem profitiert nur eine kleine Gruppe von Firmen, nämlich die «grossen Player», nachhaltig. Offset sei «eine wenig zukunftsgerichtete Option», so die EFK.
Das ändert nichts daran: Die meisten Rüstungspolitiker wollen nicht auf Gegengeschäfte verzichten. Das weiss offensichtlich auch Parmelin: «Das wird eine sehr heikle und politische Entscheidung», sagte er im Interview.