Fangen wir mal mit der Kaltgasdüse am Lander an. Hier war schon während der Checks vor der Landung klar, dass diese nicht mehr funktioniert. Zur Ursache hat man hier soweit ich es mitbekommen habe noch nichts gesagt, aber man dürfte hier einige Daten haben. Grundsätzlich sei gesagt, dass die lange Reisezeit und die widrigen Temperaturen im All schon so manchem System den Garaus gemacht haben, auch wenn diese dafür ausgelegt waren. Ich denke aber, man wird noch was hierzu hören, es braucht nur etwas Zeit, bis alles sauber analysiert ist.
Bei der Harpune hat man weniger Daten, weiß aber, dass die Motoren zum Einrollen der mit den Harpunen verbundenen Kabeln den Befehl zum Loslaufen bekommen haben. Der Befehl um Abschuss der Harpunen erfolgt automatisch - ohne extra Steuerung des Bordcomputers - nach Bodenkontakt der Landerbeine. War der Bodenkontakt zu kurz, könnte es sein, dass die Befehlssequenz nicht angestartet ist, andererseits ist ja aber ein Teil der Befehlssequenz, nämlich der zum Einziehen der Kabel angelaufen. Es haben aber beide Harpunen nicht gefeuert. Hätte nur eine nicht gefeuert, wäre es vermutlich ein Problem mit einer der Treibladungen gewesen, aber hier scheint etwas anderes das Problem zu sein. Derzeit geht man der Frage nach, ob die Bewegungsparameter außerhalb der zulässigen Bereiche lag. Die Federbewegung von Philae lag bei 38cm/s. Obwohl dies für so einen Vorgang nicht besonders schnell ist, könnte es zu schnell gewesen sein, denn z.B. die drei Eisschrauben hatten mangels Gegendruck der Kaltgasdüse auch nicht genug Kontaktzeit, um sich in den Boden einzuschrauben. Da wird man noch einiges untersuchen müssen. Der verantwortliche Entwickler war ja mit dabei.
Wer mal ein Bild der Harpunenspitze sehen will
http://www.freiepresse.de/WISSENSCHAFT/Ingenieure-testen-Harpunen-fuer-erste-Landung-auf-Kometen-artikel8921772.php
Es gibt bei jeder Mission eine Prioritätenregel für die Instrumente/Experimente. Die ist aber nicht ganz so starr, wie es sich anhört. Je nach Situation wird man immer fallbezogen entscheiden, was gemacht werden kann und was nicht. Dabei spielt die Prio eines Instruments zwar eine Rolle, aber es gibt auch andere Faktoren, wie z.B. das Energiemanagement oder die Bandbreite der Datenkommunikation, etc.. Natürlich werden solche Diskussionen sachlich-orientiert geführt, aber man darf niemals glauben, dass a) Wissenschaftler und Ingenieure emotionslose Kopfmenschen sind, gerade in diesem Bereich hängt sehr viel Herzblut (weit über das geschuldete Leistungsziel) mit drinnen, weil es nicht bloß ein Job ist, sondern sehr viel Überzeugung von der Richtigkeit und Wichtigkeit der eigenen Forschung und nicht zuletzt an den Resultaten auch für viele Menschen karrierewichtige Veröffentlichungen dranhängen und dies eben nicht nur unmittelbar im Projekt beteiligte Personen, sondern auch im Nachgang an den Universitäten, etc.. Ingenieure z.B. im Automobil- oder Heimgeräte-Bereich dürften es viel mehr gewöhnt sein, "für die Tonne entwickelt zu haben", Raumfahrtprojekte stehen meist für 10-20 Jahre Arbeit, das ist ein Großteil der eigenen Karriere. Stell dir solche Diskussionen also besser nicht als all zu abgeklärt und sachlich vor. Die Wissenschaftler kämpfen also durchaus für ihre Babies wie Mamabär und manche dann auch unter Einsatz aller Mittel und Beziehungen. Aber soetwas zu handeln ist die Aufgabe eines Krisenmanagers, dafür ist er ausgebildet und das funktioniert dann am Ende meist auch sehr professionell.
Hier war ja die verbliebene Zeit und Energie das Problem. Man hatte für die Instrumente Energie genug, aber nur für kurze Zeit. Den Widerstand, denn man hier überwinden musste war also nicht die Auswahl der Experimente, sondern die Entscheidung ein hohes Risiko einzugehen. "Use it or lose it" ist für Wissenschaftler, die lieber Alles noch mal auf mögliche alternative Konstellationen bedenken wollen immer eine gewaltige Stresssituation.