Du bist lustig. Es geht um unseren Wohlstand und unserer Stellung in der Welt. Und das willst du einfach so aufgeben? Echt jetzt? …
Wir sollten schon etwas Differenzieren. China hat die letzten Jahrzehnten einen Wirtschaftsaufschwung erlebt, von dem wir uns alle etwas abschneiden können. Als ich vor knapp 50 Jahren begann, mich für China zu interessieren, hat die Peking-Rundschau noch stolz die Zahl der Handkarren vermeldet, die in einem Jahr der Landwirtschaft zugeführt werden konnten.
Tatsächlich unterscheidet sich das Wirtschaftssystem Chinas - das man vielleicht als "sozialistische Marktwirtschaft "oder besser vielleicht "marktwirtschaftlichen Sozialismus" bezeichnen könnte - in entscheidenden Nuancen von unserem System, auch der "sozialen Marktwirtschaft". Unser "Sozialprodukt" wird doch lediglich daran gemessen, wieviel Geld gemacht wird. Dass sich die einzelnen Akteure dabei keineswegs "sozial" verhalten sondern nützlich, zerstörerisch oder auch gegeneinander agieren ist für die Bewertung egal. Im Gegenteil: die Gewinnmaximierung wird gefördert, auch wenn diese zu Lasten der Lebensqualität und etwa der Beschäftigten geht und die Lebensqualität sogar reduziert.
Diesem "freien Wildwuchs" der Kapitaleigentümer setzt China ein gesteuertes Wachstum entgegen. In den wirtschaftlichen 5-Jahresplänen werden gemeinsam zu erreichende Ziele vorgegeben. Wer in dieser Richtung investieren will, erhält etwa von den staatlichen Banken auch Investitionskredite zu Sonderkonditionen, Steuererleichterungen für Geringverdiener und die Mittelschicht sorgen für eine gleichmäßigere Einkommensverteilung. Das schließt privat geführte Unternehmen in jeglicher Form nicht aus. "Gewinn erwirtschaften" ist ausdrücklich gestattet und erwünscht. Aber von den Gewinnen muss dann auch ein erklecklicher Teil für gemeinsame (auch soziale) Zwecke verwenden (ich denke z.B. an den Erwerb der Ex-Varjag, Ex-Kiew und Ex-Minsk durch Privatunternehmer auf deren Kosten und Risiko). Hier wird eine gegenseitige "win-win-Situation" angestrebt.
Und das wird durch weitere Maßnahmen ergänzt:
Seit 2009 ist es gelungen, eine Krankenversicherung aufzubauen, die inzwischen 1,4 Mrd. Versicherte und damit faktisch die gesamte Bevölkerung umfasst.
Von 2011 an erfolgte der Aufbau der Rentenversicherung, die 2016 bereits 900 Millionen Menschen umfasste. ...
Natürlich gibt's auch negative Auswirkungen. Dass etwa Proteste von Anliegern ein Bauprojekt für Jahre oder Jahrzehnte verhindern, ist nicht zu erwarten. Da steht bei uns der "Rechtsstaat", der die wirtschaftlichen Interessen des Einzelnen auch gegenüber dem Staat schützt, gegen schnelle Umsetzungen.
In China wird gebaut - ob etwa Flughafen oder neue Werft, was auch immer an Infrastruktur benötigt wird hat Vorrang. Denn die Gesellschaft steht in China vor den Wünschen des Einzelnen. Individualismus wird als Wort immer noch mit Egoismus übersetzt.
Die - zumindest älteren - Chinesen sind in einer solchen Gesellschaftsstruktur auch sozialisiert, tief verwurzelt groß geworden. Der einzelne ordnet sich unter, den Eltern, der Familie, dem Clan, den Angehörigen der Provinz - man hilft und unterstützt sich (was natürlich den Weg zur Korruption ebnet) innerhalb dieser Beziehungsebenen aber auch. Dies nicht zu tun, bedeutet, das "Gesicht zu verlieren", sich sozial zu isolieren.
Und was haben wir denn letztendlich in unserem System? Den Egoismus der Einzelnen, den Egoismus von Politikern, den Egoismus der Staaten …
Das soll jetzt keine Bewertung sein. Es hilft lediglich, eine grundlegend andere kulturelle Sozialisation aufzuzeigen.
... Und jetzt komme ich trotzdem mit Demokratie daher, weil das die treibende Feder unseres Systems ist, auch das der USA, neben der Sicherung unseres Wohlsandes. Die USA haben wenigstens das Ziel gehabt die Welt in eine demokratische Richtung zu lenken, auch wenn man über die Methoden und die Ergebnisse geteilter Meinung sein kann. Ein autoritäres Regime wird ganz sicher nicht für mehr Demokratie auf der Welt plädieren. Eher im Gegenteil. Es wird uns Wohlstand weg nehmen, weil es die Resourcen für sich braucht. Eine zunehmende Bedeutung Chinas in der Welt wird auch unser politisches System beeinflussen. Dann wird es irgend wann keine freie Meinungsäußerung mehr geben. Ein freier Austausch in diesem Forum wird dann nicht mehr möglich sein. Will das jemand? Dann sollte er auch nicht auf chinesische Propaganda herein fallen.
Was heißt "Demokratie"? Ist
nur unser Parteiensystem demokratisch?
Ist es demokratisch, dass ein DT US-Präsident wurde, obwohl die Gegenkandidatin zigtausende mehr Stimmen erhalten hat?
Die politische Meinungsbildung in China läuft anders. Das System auf den Dörfern mit entsprechenden Diskussionen und Abstimmungen ähnelt dem Schweizer Modell in vieler Hinsicht. Darüber hinaus findet die Meinungsbildung innerhalb der KPCh (und auch in den sozialen Medien) statt - mit durchaus konträren Diskussionen, in denen aber auch entsprechende Fachleute (Technokraten) eingebunden sind.
Und solche Foren wie hier gibt es auch in China - mit einem durchaus freien Austausch.
Wenn ich mir die weit verbreitete Hetze in den sozialen Medien anschaue, muss ich immer an die Griechen denken, die vor 2½ tausend Jahren zwischen einer guten und einer schlechten Demokratie unterschieden haben. Die schon damals erkannte und bislang ungelöste Aufgabe lautet, wie sorge ich für vernünftige und besonnene Wähler.
Vielleicht ist das chinesische System das bessere? Oder eine Synthese aus verschiedenen Systemen?
Darüber denke ich seit Jahren nach.
Nicht dass ich meine persönliche Freiheit aufgeben möchte. Aber ich überlege, ob wir unser Wirtschaftssystem nicht wieder sozialer machen müssten als es in den letzten Jahrzehnten unter dem Einfluß neoliberaler Ökonomen geworden ist.
Da geht es nicht um ein Verbieten, was eh niemand kann, sondern darum, welche Haltung man zum jeweiligen Monopolisten hat. Wo ist der Vorteil für die Handelsmacht Deutschland. Bei wem glaubt sie ihre Interessen in Bezug auf uneingeschränkte Seewege oder Zugänge zu Handelspartnern am Besten vertreten. Wo glaubt man eher eine Mitsprache in diesem Sinne zu erreichen?
"America first"???
Ich will nicht polemisieren. Zur Klärung reichen die nackten Wirtschaftszahlen:
während die US-Wirtschaft seit Jahren schwächelt und unter DT immer schneller einer Rezession entgegen steuert (von den Auswirkungen etwa auf das Klima und soziale Rechte von Minderheiten gar nicht zu reden) hat sich der Warenaustausch mit China seit Jahrzehnten stetig verbessert. Auch Chinas Wirtschaft (und damit Wohlstand) lebt vom freien Warenaustausch.
Wenn man die aktuellen Zahlen des statistischen Bundesamtes nimmt, dann ist (nach den EU/Euro-Staaten) inzwischen China der wichtigste Handelspartner Deutschlands.
Im August 2020 haben die Exporte in Deutschland gegenüber dem Vormonat Juli 2020 kalender- und saisonbereinigt um 2,4 % und die Importe um 5,8 % zugenommen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anhand vorläufiger Ergebnisse weiter mitteilt, lagen die Exporte kalender- und saisonbereinigt...
www.destatis.de
In die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) wurden im August 2020 Waren im Wert von 48,2 Milliarden Euro exportiert und Waren im Wert von 41,6 Milliarden Euro von dort importiert. Gegenüber August 2019 sanken die Exporte in die EU-Staaten um 7,0 % und die Importe aus diesen Staaten um 5,4 %. In die Staaten der Eurozone wurden im August 2020 Waren im Wert von 32,4 Milliarden Euro (-8,3 %) exportiert und Waren im Wert von 28,0 Milliarden Euro (-6,5 %) aus diesen Staaten importiert. In die EU-Staaten, die nicht der Eurozone angehören, wurden im August 2020 Waren im Wert von 15,8 Milliarden Euro (-4,1 %) exportiert und Waren im Wert von 13,6 Milliarden Euro (-3,0 %) von dort importiert.
...
Während Exporte in die Volksrepublik China im August 2020 nur um 1,1 % auf 7,3 Milliarden Euro gegenüber August 2019 sanken, nahmen die Exporte in die von der Corona-Pandemie besonders betroffenen Vereinigten Staaten um 21,1 % auf 7,7 Milliarden Euro ab. Die Exporte in das Vereinigte Königreich verzeichneten im August 2020 einen Rückgang von 7,3 % auf 5,6 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahresmonat.
Die meisten Importe kamen im August 2020 aus der Volksrepublik China nach Deutschland. Von dort wurden Waren im Wert von 9,4 Milliarden Euro eingeführt, damit wurde das Niveau von August 2019 fast erreicht (-0,0 %). Die Importe aus den Vereinigten Staaten sanken im August 2020 um 5,2 % auf einen Wert von 5,4 Milliarden Euro. Die deutschen Importe aus dem Vereinigten Königreich sanken um 22,2 % auf 2,4 Milliarden Euro.
also Deutschland zu
EU: 48,2 + 41,6 Mrd. Euro = 89,8 Mrd. Euro
€-Zone: 32,4 + 28,0 Mrd. Euro = 60,4 Mrd. Euro
mit Abstand dann
China 7,3 + 9,4 Mrd. Euro = 16,7 Mrd. Euro
USA 7,7 + 5,4 Mrd. Euro = 11 Mrd. Euro
GB: 5,6 + 2,4 Mrd. Euro = 8 Mrd. Euro