Phasenzustandsdiagramme sind aber generell schon ein Begriff, oder? Das ist nicht blasphemisch gemeint, nur bei Themen mit dem Inhalt sollte man diese schon lesen koennen oder zumindest eine Idee haben, was dort passiert.
In welchem Bereich studierst du und was hattest du bisher mit der "Werkstoffkunde" zu tun?
Zuerst:
Turbinenbeschaufelung und Turbinenscheiben sind 2 Paar Schuhe und auch aus unterschiedlichen Materialien, wenn man es etwas allgemeiner Bezeichnen will, dann werden Schaufeln meist gegossen und die Scheiben aus Knetlegierungen hergestellt.
Zu deinem Lastenheft:
- hohe Zaehigkeit und hohe Duktilitaet ist "machbar", zumindest bringen die gaengigen Turbinenwerkstoffe die Eigenschaft in ausreichendem Masse mit (ss -> scharfes s)
- gute Formbarkeit: Waere fuer Knetlegierungen wichtig, oder alles was verformed oder im Gesenk geschmieded wird, Turbinenschaufeln werden aber idR. gegossen, und das auch mehreren Gruenden. Meines Erachtens also eher nicht so wichtig, waere die Frage, ob diese Anforderung im Lastenheft gelandet ist, weil der "Auftraggeber" was ganz besonderes im Hinterkopf hatte, oder weil er das 1mal1 der Metallurgie versucht auf die Triebwerksschaufeln umzumuenzen.
- Temperaturbestaendigkeit: 2000C oder 2273.15K , waere meiner Meinung nach ein voelliges Novum, mir ist kein Konstruktionswerkstoff bekannt, der sowas vertraegt. Wie kam den diese Anforderung zustande?
Zwar kommt es zu recht hohen Verbrennungstemperaturen in der Brennkammer, die erreichen aber in dem Ausmass nicht die erste Stufe der Turbine und durch eine aktive Kuehlung der Schaufeln muss diese nochmal deutlich gesenkt werden. Sprich von 1800-2000K, die an der Turbine "vorbeiziehen", duerfen das Material nur 1000-1200K erreichen, der Rest muss durch entsprechende Kuehlung abgefuehrt werden.
Mit steigender Temperatur nimmt auch die Festigkeit des Materials absolut ab, genauso wie die Dauerfestigkeit und ab etwa 50% der Schmelztemperatur in Kelvin kommt es zu thermisch aktiviertem Kriechen, wenn die Schaufeln unter Last stehen.
Turbinenschaufeln werden idR gegossen und durch kontrolliertes Auskuehlen werden dann entweder Monokristalline Schaufeln oder Schaufeln mit gerichteten Kristallen geformt, zumindest wenn es um die hochbelasteten Teile in der Turbine geht. Diese Monokristalle haben zwar keine merklich hoehere Schmelztemperatur, aber eine hoehere Festigkeit und sind im Umkehrschluss damit bei gleicher Belastung etwas Temperaturstabiler.
- Keine Phasenumwandlung: also kein allotropes Material, zumindest nicht im betrachteten Temperaturbereich. Eisen ist ein typischer Vertreter eines allotropen Materials und genau diese Eigenschaft wird genutzt um eben hochfeste Eisenwerkstoffe (idR ja niedriglegierter Stahl) herzustellen, sprich man unterzieht diesem eine Waermebehandlung zur Festigkeitssteigerung. Dabei ist der Stahl zwar die ganze Zeit fest, weil unterhalb der Schmelztemperatur, aber er aendert sein Gittergefuege -> Modifikation.
Also ich nehme mal an, das dies mit der Phasenumwandlung gemeint ist, denn eine Umwandlung von fester in fluessige Phase (Schmelzen) ist ja bei Konstruktionswerkstoffe eher doof.
Wenn Stahl nun hochlegiert wird, dann wird dieser Modifikationswechseln aber meist unterbunden, generell sind warmaushaertbare Stoffe aufgrund der Temperaturempfindlichkeit hier ja fehl am Platz.
Teilweise kann es zu sowas auch bei Legierungen von Werkstoffen/Elementen mit unterschiedlichen Modifikationen kommen, sprich wenn einem NiCr-Legierung (kfz-Gitter) Titan (hdP) beigemischt wird, hier muss dann Mengenmaessig aufgepasst werden, dass es nach wie vor ein sauberes kfz-Gitter gebildet werden kann.
Meist werden Nickelbasis- und Kobaltbasislegierungen verwendet, wobei Nickel den Loewenanteil haelt. Das Problem mit der Temperaturbestaendigkeit geht aber schon im Verdichter los, dort sind (je nach Hersteller) schon die letzten Verdichterstufen aus Nickellegierungen. Inconel in verschiedenen Variationen ist ein typischer Werkstoff dafuer.
Genauso wichtig (und bestimmt nicht weniger Anspruchsvoll) ist aber ein funktionierendes Kuehlsystem innerhalb des Triebwerks, welches in allen Betriebsbereichen eben sicher stellt, dass den Schaufeln nicht zu warm wird, genauso wie man mittlerweile die Triebwerke laufend im Betrieb ueberwacht um damit ein Abnutzungsgrad (unter anderem) der Schaufeln festzustellen. Lebenszeiten werden nicht mehr fest definiert, sondern sind abhaengig von Anlasszyklen, Betriebstemperaturen, Drehzahlen ect.
Fast so wie bei modernen Autos, die ihren Oelwechseln/Serviceintervall selbst errechnen.
Das ist auch der Grund, warum es zb. bei Anlassvorgaengen andere (deutlich niedrigere) Temperaturlimits gibt, als im Betrieb, weil eben die Kuehlluft noch nicht aussreichend vorhanden ist und Betreiber von Triebwerken versuchen, wo es geht, so wenig Schub wie moeglich zu nutzen, zumindest im zivilen Sektor.
Die Triebwerke werden beim Start also "gedrosselt", das erhoeht zwar den spezifischen und damit auch den absoluten Verbrauch, aber spart immens Kosten bei der Wartung und sorgt fuer eine deutlich hoehere Lebensdauer. Der Verschleiss steigt deutlich ueberproportional mit der Temperatur.
Etwa 75-80% der Triebwerksueberholungskosten gehen auf die Hot-Section, also alles nach der Brennkammer !