Franz Weber schlug am Dienstagabend in Interlaken kräftige Töne an gegen die «Höllenmaschine» F/A-18. Unterstützt wurde er von verschiedenen Parlamentariern, die dazu aufriefen, sich unbedingt zum Sachplan Flugplatz Meiringen zu äussern. Rund 230 Personen nahmen an der heftigen Debatte im Kursaal teil. Der Abend bewies: Der Protest geht in eine neue und sehr ernsthafte Runde.
Die Emotionen gipfelten an diesem Dienstagabend in einem heftigen Ausbruch, als sich Alt Grossrat Herbert Seiler (SP), Mitarbeiter auf dem Militärflugplatz Meiringen, im Kursaal Interlaken zu Wort meldete und die Fluglärm-Gegner bezichtigte, falsche Zahlen zu verwenden. Das aufgebrachte Publikum brachte Seiler mit Pfiffen und lauten Rufen zum Schweigen. Man sei nicht hier, um Statements abzugeben, sondern, um Fragen zu stellen, schallte es aus den hinteren Reihen. Er solle gefälligst wieder absitzen. Seiler hatte mit der ungeschickten Attacke auf die referierenden Parlamentarier den Flugplatz verteidigen wollen, fand damit aber weder bei Publikum noch bei den Referenten Gehör. Er provozierte nur diejenigen Personen, die gekommen waren, um ihrer Wut und Frustration über die Fluglärmbelastung Ausdruck zu verleihen.
Fehlanschaffung F/A-18
Rund 230 Personen waren im Kursaal Interlaken anwesend und verfolgten die Fluglärm-Debatte, unter ihnen verschiedene Mitarbeiter des Flugplatzes Meiringen, zum Beispiel Kommandant Paul Schild. Neben Franz Weber hatten SP-Nationalrat Paul Günter auf dem Podium Platz genommen, GFL-Grossrätin Christine Häsler, Franziska Teuscher, Nationalrätin der Grünen, Werner Ballmer, Aviatikspezialist, und schliesslich ein Vertreter der Fluglärm-Gegner aus Sion. Sie alle legten in einem Referat ihren Standpunkt dar und riefen dazu auf, an der Mitwirkung zum Sachplan teilzunehmen. Rebellische Töne stimmte Franz Weber an, der versicherte, er werde mit seinen Mitstreitern unter allen Umständen gegen die «lärmintensivste Höllenmaschine der Welt», der F/A-18, kämpfen. Das Flugzeug sei eine komplette Fehlanschaffung. Der Sachplan Militär bezeichnete er als ein Lügenkonstrukt, das zu einer Art «Militärbibel» aufstieg. Der Abend sei dazu da, diese Lügen zu entlarven und den Aufstand des Volkes anzukündigen.
Etwas nüchterner, aber nicht minder deutlich trat SP-Nationalrat Paul Günter aus Därligen auf. Die Schweizer Armee sei immer noch viel zu gross, sagte er. Besondere Sorgen mache er sich, sollte die Politik ihr Vorhaben wahr machen, und die heutigen Kampfflugzeuge vom Typ Tiger mit neuen Jets zu ersetzen. Ein solcher Ersatz sei nicht nötig, solange die Luftwaffe lediglich die Funktion der Luftpolizei wahrnehme, sagte Günter, und warnte: «Mit dem Lärm würde es dann noch viel schlimmer werden.» Günter forderte eindringlich dazu auf, sich an der Mitwirkung zum Sachplan Flugplatz Meiringen zu beteiligen, auch wenn «die Frist unanständig kurz sei». Aber: «Jede Eingabe zählt.» Er ermahnte, jede Person solle eine Kopie der Eingabe an einen Parlamentarier schicken, damit die Parteien Kontrolle über die Handhabung dieser Mitwirkung hätten. Als zentrale Forderung formulierte er zudem, das Stationierungskonzept der Luftwaffe sei zu revidieren und die Zahl der Jet-Flugplätze auf fünf zu erweitern. Diplomatisch zeigte sich Christine Häsler, GFL-Grossrätin aus Wilderswil. Sie respektiere die wirtschaftliche Bedeutung des Flugplatzes Meiringen, auch wenn sie im Grunde lieber eine Welt ganz ohne Fluglärm hätte. Was sie bestürze sei die Tatsache, dass die Kommunikation zwischen VBS, Bundesrat Schmid und der Bevölkerung nicht existiere. «Das muss unbedingt besser werden!», forderte sie entschieden. Auch sie will den Lärm auf mehr als drei Standorte verteilen und warnte vor einem lärmigen Ersatz der Tiger.
«Die F/A-18 ist das lärmintensivste Kampfflugzeug der Welt», leitete Franziska Teuscher, Nationalrätin der Grünen, ihre Worte ein. «Es ist unzumutbar und birgt für den Tourismus eine schwere Hypothek.» Sie forderte mehr Rücksicht auf die Ferienzeiten, eine strikte Einhaltung der Ruhepausen und – auch sie – eine Verteilung der Jet-Flüge auf fünf Flugplätze. Eine Rede hielt auch ein Vertreter der Fluglärm-Kritiker in Sion, Germain Clavien. Er sagte: «Die Armee wäre da, um die Schweiz zu beschützen, aber sie ist zu unserem einzigen Feind geworden.» Als Letzter trat Werner Ballmer, Aviatikspezialist und Besitzer des Hotels Bären in Brienz, ans Redepult. Er untermauerte das Gesagte mit verschiedenen Zahlen. So ist die F/A-18 vier bis zwölf Mal so laut wie andere Kampfflugzeuge. Das werde jedoch immer verschwiegen. Wenn heute von 5300 Jet-Bewegungen in Meiringen die Rede sei, so sei das wohl die Hälfte von den einst angekündigten über 10'000 Bewegungen, aber niemand erwähne, dass sie mit viel, viel lauteren Flugzeugen stattfinden, so Ballmer. Die vorgesehene Pistenverlängerung erachtet er als keine Lösung: «In der Nähe der Piste nimmt der Lärm wohl ab, wenn die Jets ohne Nachbrenner starten, in Brienz und Meiringen nimmt die Belastung aber zu.» Ballmer ist sich sicher, dass es «ernsthafte Probleme» gibt, wenn das VBS jetzt nicht auf den Protest reagiert.
In der Diskussion meldete sich auch Grossrat Hans Michel, Präsident der alpenregion.ch ist, zu Wort: «Es ist gut, dass Franz Weber eine Initiative gestartet hat, aber ich werde sie nicht unterstützen.» Er wolle zwar, dass während der Hochsaison nicht geflogen werde, aber das Volk habe immerhin der Armee und der Luftwaffe zugestimmt, das sei ein demokratischer Entscheid, dem man sich anzupassen habe. Er fragte die Brienzer Hoteliers: «Wieso sind Sie so alarmiert? Die Logiernächte sind doch vom 2003 bis 2006 um 10 Prozent gestiegen.» Christian Fotsch, Mitglied der Interessengemeinschaft für weniger Fluglärm (igf), wies darauf hin, dass für eine statistische Aussage die Vergleichsbasis fehle. Paul Günter meinte: «Wir dürfen nicht warten, bis der Einbruch im Tourismus da ist!» Es äusserten sich weitere Betroffene, etwa Simon Zumbrunn aus Unterbach, der kurz und eindringlich schilderte, wie es sich anfühlt, wenn eine F/A-18 mit einer Lärmbelastung von 118 Dezibel gleich vor dem Haus startet. In den Lärmmessungen erscheinen solche Zahlen nie, lediglich Mittelwerte über eine bestimmte Zeitspanne. Es meldeten sich weiter verschiedene Ferienhausbesitzer sowie eine Person, die erst vor kurzem aus der Region wegzog wegen dem Fluglärm. Das Abschlussplädoyer hielt Franz Weber, der sich zuversichtlich zeigte, den Abstimmungskampf zu gewinnen. Wenn nicht, werde man sofort wieder aktiv. «Wir handeln nicht aus Eigeninteresse, sondern für die Allgemeinheit», warf Weber in den Saal.