Warum Stoffbespannte Ruder?

Diskutiere Warum Stoffbespannte Ruder? im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Ein nicht unbedeutendes Argument für Junkers Ganzmetallbauweise war die Wetterbeständigkeit. Die Maschinen konnten im Winter im Freien bleiben und...

Jubernd

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War es nicht so, dass stoffbespannte Steuerflächen an Metallflugzeugen eine Übergangstechnologie war die den Sprung in die Moderne noch nicht geschafft hatte, die noch aus der Vorgängergeneration stammt? Ich denke man wollte Material sparen bis man merkte, dass es technisch nicht mehr weiter ging (z.B. flattern bei hohen Geschwindigkeiten usw).
Ein nicht unbedeutendes Argument für Junkers Ganzmetallbauweise war die Wetterbeständigkeit. Die Maschinen konnten im Winter im Freien bleiben und brauchten nicht mal eine Abdeckung. Unsere zerflederte Gaststätten-IL14 zeigte dieses Problem auf.
 
speciman

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Danke für die zahlreichen Beiträge. Es gibt viele Argumente für metallbeplankte Ruder, keine für Stoffbespannte. So richtig bin ich daher noch immer nicht schlau, warum die dann solange verwendung fanden.
 

jackrabbit

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@speciman

Hallo,

dann kam es wohl nicht richtig rüber:
Die ursprüngliche Fertigungstechnik waren (WK I , Leichtbau) stoffbeplankte Steuerflächen.
Solange diese technisch ausreichend waren und genügend geschultes Personal zur Produktion vorhanden war, wurden diese verwendet.
Von den Kosten (Summe Lohn + Material) waren sie auch eine lange Zeit noch preiswerter.

Grüsse
 
Junkers-Peter

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@speciman
Na ja, hier wirst du auch keine Antwort auf deine Frage finden, sondern nur Annahmen. Für eine ernsthafte Auseinandersetzung müsste man die entsprechende Fachliteratur wälzen.
 
Bremspropeller

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So richtig widersprochen hast Du mir nicht. Ja, beim Flattern dreht sich alles um Frequenzen. Die Aussage bleibt, leichtere Ruder sind i.d.R. einfacher "flatterunkritisch" zu bekommen.

Gegen das mit der Metallersparnis und dem geschulten Personal spricht die Tatsache, daß man ja von den Rudern abgesehen eine Ganzmetallstruktur hatte und die paar Beplankungsbleche der Ruder nicht wirklich ins Gewicht fallen würden. Andererseits braucht man für das Bespannen eine vollständig andere Fertigungsinfrastruktur. Alles aufgelistete Bleche aber am Ruder Nähen und Spannlack?

gero
Wo habe ich geschrieben, dass ich dir widerspreche? Ich habe es genauer formuliert.

Man braucht für das Bespannen keine andere Fertigungsinfrastruktur, als jene die bereits existierte.
Das Ruder wird eh getrennt vom Rest des Flügels oder Leitwerks gefertigt.
 
AGO Scheer

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Hallo Kollegen,
schauen wir mal in den Sönnichsen und auf den konstruktiven Aufbau eines (Quer)Ruders :
Ein Holm und Rippen aus Holz oder Metall. Endkappe und Nase in der Regel Blechbeplankt, die Endleiste und daran die Bügelkante.
Der übrige Teil wurde mit Stoffbespannung bezogen.

Sönnichsen meint dazu:
Vorteil: "leichte Ausbesserungsmöglichkeiten und gute Zugänglichkeit zu inneren Teilen."
Mehr steht da auch nicht.

Ich meine auch, dass es Seitens der Herstellungsverfahren in der Industrie einfacher und billiger war, zunächst noch mit Stoffbespannung zu arbeiten.

Es waren zumeist immer mehrere Typen in der Fertigung. Und wenn eine "Abteilung Ruder" zeitgleich mit demselben Material, denselben Arbeiterinnen und derselben Technik Ruder für vier verschiedene Typen bespannt, ist das ökonomisch und technologisch doch die einfachste Variante.
 
Transporter

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genau! Es war ein evolutionärer Prozess, bis man irgendwann komplett auf Blech oder heute auch Kunststoff umschwenkte. Da war der Ingenieurstab, der seine Philosophie nicht aufgeben wollte, da war die Produktionsstätte, die überlegen musste, welche Bereiche zuerst oder zuletzt umgestellt werden konnte usw.. Die Vorteile überwogen aber ganz offensichtlich. Solche Entwicklungen finden sich in allen technischen Bereichen und dauerten immer eine gewisse (mitunter auch erstaunlich) lange Zeit lang.
 

Jubernd

Testpilot
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Sogar im Hochgeschwindigkeitsbereich schien Stoffbespannung keine Probleme zu bereiten. Die Me163 hatte ein stoffbespanntes Seitenruder.
 
Junkers-Peter

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Junkers hat vorher und nachher auch wieder Duralruder verwendet. Deswegen ist das Argument von Evolution und vermeintlichem technischen Fortschritt von Stoff zu Dural nicht stichhaltig.
 
one-o-nine

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Hallo,

mit Evolution und Fortschritt hat die Sache mit der Ruderbespannung wenig bis nichts zu tun...
Man führt aus heutiger Sicht ja gerne ins Felde: "... die waren noch nicht so weit ..."
Ich kann aus der Praxis sagen, die waren deutlich weiter als man sich das heute vorstellen kann!

An den Großserienflugzeugen damaliger Zeit war keine Beilagscheibe ohne Grund verbaut,
aus technischer und auch betriebswirtschaftlicher Sicht, es wurde sehr genau gerechnet in
jeglicher Hinsicht!

So auch die stoffbespannten Ruder, an der 109 in Serie von der ersten bis zur allerletzten so verbaut,
von den ersten zart motorisierten bis zu Hochgeschwindigkeitsversuchen mit über 900km/h
senkrecht runter Richtung Ammersee...

Meiner bescheidenen Meinung schlicht eine Sache von Leichtbau, das Ruder an sich,
das Flugzeug-Gesamtgewicht etc., nicht zu vergessen die von Gero schon erwähnte
Flatter-Problematik, bis heute eine diffizile Sache in der Flugphysik und auch heute
noch zu bösen Unfällen führt, z.B. anno 2006 der Absturz eines Prototyps der Grob G 180 SPn,
ein damals neuer Geschäftsreisejet mit vielversprechenden Vorverkaufszahlen, der Unfall
beendete das Projekt und riss die ganze Fa. mit!

An der 109 ist der Ruderausgleich / "Wuchten", sprich Gewichtsverteilung um die Drehachse,
eine heikle Sache, z.B. das Querruder muß ausdrücklich "vollständig ausgeglichen" sein,
am Höhenruder geht es um max. 30gr!

Eine (gut gemachte) Bespannung ist immer leichter als Blech, erfordert aber durchaus
erhebliche Arbeitszeit und damit auch keinesfalls billiger als ein komplettes Metallruder!
Ein strukturell leichtes Ruder braucht üblicherweise weniger Ausgleichsgewicht, damit als ganzes leichter!

Man darf beim Bespannen auch nicht einfach loslegen, heutige Bespannmaterialien nehmen,
dann noch dick lackieren, da hat in der Neuzeit dann manch Restaurierer erst mal große Augen
gemacht, weil man mit den originalen Ausgleichsgewichten nicht mehr hinkam... :FFTeufel:

Die 262 hatte dann rundum keine Bespannungen mehr, diverse Ruderbauteile aus Stahl,
da war der Fokus nicht mehr so das Gewicht an sich, der Geschwindigkeitsbereich aber auch ... :angel:



 
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AGO Scheer

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@Junkers-Peter
"Deine" Firma hatte eben schon lange mit Dural Erfahrungen, und entsprechende Ressourcen (das Know How betreffend) bilden können.
Auch die Parameter "Größe und Vmax" spielten (wie schon hier richtig ausgeführt) eine Rolle.
Also Junkers mal außen vor.

Was ist aber mit den anderen Herstellern? Zunächst fast ausnahmslos nur Stoff, dann Gemischt- und dann Ganzmetallbauweise. Warum also ändern, was gut war, funktionell und preiswert?
 
AGO Scheer

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Edit: Doppelpost- unklar, warum.
 
Junkers-Peter

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Junkers ist hier eher untypisch, da hast du wohl recht. Es wäre interessant, den konstruktiven Werdegang von Firmen die Heinkel, Focke-Wulf und Messerschmitt unter diesem Aspekt zu untersuchen. Alle drei Firmen gingen, soweit ich das beurteilen kann, ungefähr den gleichen Weg, wie von dir angedeutet, also von Stoff/Holz über die Gemischt- zur Ganzmetallbauweise.
 

Jubernd

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Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass es trotz der Erfolge im Ganzmetall-Flugzeugbau erst im Jahre 1926 in England von oben angewiesen wurde, generell von der Holz-Leinewand- zur Metallbauweise über zu gehen.
 
Kenneth

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Die eigentliche Frage ist doch nicht, warum man vom stoffbespannten Ruder zum Blechruder übergegangen ist, sondern warum hielt man so lange am Stoff fest? Stoff muss also Vorteile gehabt haben. Junkers, der Metallflugzeugbaupionier schlechthin, hat z.B. bei der Ju 88-Serie noch bis 1940 stoffbespannte Ruder benutzt, erst ab Mitte 1940 ging man komplett zum Blech über. Stichhaltige Gründe habe ich dafür noch nicht finden können, also für die ursprüngliche Konstruktion mit Stoff.
Auch die Do 228 (zumindest die ersten) hatte ein stoffbespanntes Seitenruder.

Das mit der Masse ist ein Argument, aber warum wechselte man in so kurzer Zeit dann an einigen Typen von Stoff auf Metall, und behielt es an anderen zeitgleich (Seitenruder der Lockheed Constellation, oder die Ruder der DC-4, zB)?
 
Intrepid

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Das mit der Masse ist ein Argument, aber warum wechselte man in so kurzer Zeit dann an einigen Typen von Stoff auf Metall, und behielt es an anderen zeitgleich (Seitenruder der Lockheed Constellation, oder die Ruder der DC-4, zB)?
Vielleicht liegt es auch an den Kapazitäten der Zulieferer, die den Sprung in die moderne Zeit noch nicht ganz geschafft hatten. Evtl. ist es eine Kombination aus allem, Zulieferersituation, Gewicht usw...
 

Jubernd

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Mal ein Argument aus reiner Werkstoffsicht: Stoffbespannung wird hauptsächlich in Verbindung mit hölzernen Spanten und Rippen eingesetzt. Nun ist aber Holz der einzige langbekannte Werkstoff, der auch nach zigfacher Belastung, egal ob schwellend oder wechseld, keinerlei Ermüdung zeigt. Bedingung ist, dass die Schwelle zum Bruch auch nicht geringfügig überschritten wird. Dann ist der Werkstoff nämlich unrettbar unbrauchbar geworden. Viele Unfälle resultieren aus der Überschreitung dieser Schwelle, was äußerlich nicht nachweisbar ist (Wiederverwendung nach Absturz). Bei Metallen gibt es konkrete Werte für die zulässige Lastwechselzahl, nach deren Erreichen das Bauteil aus dem Verkehr gezogen werden muss. Diese Lastwechsel kann man errechnen oder messtechnisch erfassen.
 
AGO Scheer

AGO Scheer

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Bernd, sorry, aber dein Gedanke haut nicht hin. Schau dir mal die Rumpfgerüste an. Holz oder Metall?

Bzw: Warum glaubt hier kaum wer dem Sönnichsen und/oder folgt der simplen Logik?
 
Thema:

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