Moin!
Ob dieses komplexe Zusammenspiel seinerzeit beherrscht wurde halte ich für zweifelhaft, wie sollte man auch?
[...] Taktisch relevant wäre dann ja auch wie es bei 3g aussieht. Von den Triebwerken mal nicht zu sprechen, und den Steuerkräften, und der allgemeinen Steuerfähigkeiten in Randbereichen des Envelope.
Aufgrund des verlinkten Vergleiches würde ich ziemlich zuversichtlich behaupten, dass bei der Me 262 das Gesamtpaket besser stimmte als bei den alliierten Entwürfen (bevor die deutlich später nachgebessert wurden).
Auch die Me 262 hatte Probleme mit Gierschwingungen bei hohen Machzahlen, die aber ziemlich schnell gelöst wurden. Der Meteor hatte sie bei wesentlich geringeren Machzahlen, und die Lösung hat sehr lange gedauert.
Die Me 262 hatte außerdem eingeschränkte Höhenruderwirksamkeit bei sehr hohen Geschwindigkeiten, beim Meteor dagegen setzten schon bei deutlichen niedrigeren Machzahlen heftige Vibrationen ein. Die P-80 war eigentlich ebenfalls ein großer Wurf, aber anfangs litt sie bei hohen Machzahlen unter Ruderflattern und war dadurch auf Mach 0,8 begrenzt.
Ich würde Dir also recht geben, daß man damals noch nicht alles richtig im Griff hatte, aber die Schwierigkeiten der Me 262 traten erst ziemlich weit "draußen" im Envelope auf.
(Interessanterweise gesteht Eric Brown der He 162 sogar noch bessere Hochgeschwindigkeitseigenschaften zu ... und die hatte mit ca. 6° Vorwärtspfeilung der 25%-Sehne einen ziemlich konventionellen Flügel.)
Mich stört diese Legendenbildung, dass alles in Deutschland (und auch nur dort) erfunden wurde und anschließend die Blödköppe aus den USA einfach nur stumpf abgepinnt haben. Der Schritt zur B707 war ja dann nur noch Fleißarbeit und Industrialisierung, eben das, was wir dem Ami gerade noch zubilligen.
Ja, die Me 262 ist sozusagen unter ihrer eigenen Legende begraben ;-)
Ich denke, Legende Nr. 1 ist es, daß die Me 262 viel früher zur Verfügung hätte stehen können, aber durch die Unfähigkeit der Führung erst viel zu spät fertig wurde. Das wird zum Beispiel in Schabels "Die Illusion der Wunderwaffen" widerlegt - bei der Entwicklung des Düsenantriebs gab es kaum vermeidbare Verzögerungen, es war einfach ein sehr mühsamer und langwieriger Prozeß. (Das Buch wurde mal hier im Forum empfohlen ... ich weiß leider nicht mehr, von wem aber vielen Dank an denjenigen! :-)
Legende Nr. 2 ist dann das umgekehrte Extrem, daß die Strahljäger Todesfallen für die Piloten war, die Triebwerke ständig ausfielen oder explodierten, und die Düsenjäger insgesamt so hoffnungslos, daß die Aliierten nicht mal ihre eigenen gleichwertigen Strahljägertypen zum Einsatz zu bringen brauchten, was ihnen jederzeit möglich gewesen wäre, wenn sie nur gewollt hätten. Diese Legende ist der Gegenpol zu Legende Nr. 1, aber Meinung nach genauso weit von der komplizierten Wirklichkeit entfernt.
Daß die Amerikaner in der Luftfahrt weit hinten lagen, war die Situation am Ende des 1. Weltkriegs, nicht des 2. :-) Ihre Reaktion war, die NACA zu gründen, die Informationen gesammelt und öffentlich zugänglich gemacht hat und spätestens ab den 1930ern deutlich zum internationalen Fortschritt, auch in Deutschland, beigetragen hat.
Tschüs!
Henning (HoHun)