Du selber hast zu diesem Punkt einleitende geschrieben (Hervorhebungen von mir): "Die alliierte Luftherrschaft bestand über weite Teile '44 nur temporär und vor allem punktuell", darauf bin ich eingegangen. Danach hast Du das eingeschränkt auf: "Von uneingeschränkter oder absoluter alliierter Luftherrschaft zu reden, macht erst in der zweiten Jahreshälfte '44 wirklich Sinn"
Du hast die Hervorhebung falsch gesetzt: Die Luftherrschaft bestand über weite Teile '44
nur temporär und punktuell.
Die Begleitjäger waren für die großen Bomberströme anfangs zu wenige und die Taktik der gebundenen Eskorte band die Kräfte in einen lokal sehr eng umfassten Luftraum. Zeitlich war die Luftherrschaft ebenfalls auf die Einflugszeiten beschränkt. Ohne Bomberstrom hat sich da kein Jäger der 8th AF über das Reichsgebiet verirrt, um Luftherrschaft auszuüben. Das kam erst nachdem die Alliierten auf dem Kontinent saßen - und dann auch vermehrt durch die 9th AF, da die Einflüge der 8th AF im Großen und Ganzen weiterhin an die Einflüge der Bomber gebunden waren.
Und ja: "Absolute Luftherrschaft" ist - jedenfalls für mich - etwas anderes, als mal kurz über beschränktem Gebiet für eine beschränkte Zeit die Überlegenheit zu haben. Diese Überlegenheit war durch Fokussierung der Luftwaffenkräfte schnell hinüber. Und dieser Fall läst sich in zahlreichen Combat Reports nachlesen.
In der zweiten Jahreshälfte machte selbst eine punktuelle, zahlenmäßige Überlegenheit der Luftwaffe keinen Unterschied mehr, da die Qualität der Flugzeugführer zu schlecht war.
Insbesondere auch die Tatsache, dass große Teile der angreifenden Bomber gar nicht mehr von der Reichsverteidigung angegriffen wurden, da schlicht die Kapazitäten fehlten. Die Frage einer Luftherrschaft ist in diesem Zusammenhang ja nicht allein aus dem Verhältnis der Jägerkämpfe zu beurteilen. Es wurden ja schon nur noch einzelne "Boxes" angegriffen. Und die Verlustrate der alliierten Begleitjäger war wohl niemals "unhaltbar", wäre mir jedenfalls neu.
Der Einsatz der Begleitjäger - besonders der P-51 - stand unter hohem politischen Erfolgsdruck. Das hatte unter anderem auch mit beschaffungspolitischen Hintergründen zu tun. Die USAAF wollte die P-51 schlichtweg nicht. Die Einführung verlief alles andere als Reibungslos und stand lange Zeit auf der Kippe. Dabei war weniger das Flugzeug das Problem als eben die Unerfahrenheit. Das Konzept bewies sich erst vollständig nach Loslösung der Eskortjäger von den Bombern.
Es konnten auch nicht mehr als nur einzelne Boxes angegriffen werden - dafür waren die Luftwaffeneinheiten viel zu zerstreut stationiert. Versprengte Einheiten wären zerrieben worden. Auch ohne Begleitschutz. Das Problem der LW hier war die mangelnde strategische Planung und der Umstand, dass in allen Ecken der Welt gekämpft wurde, jedoch der Himmel über dem Reich weit offen stand.
Dennoch hatte die USAAF kein allzu leichtes Spiel damit. Die Luftherrschaft wurde teuer und blutig erkauft.
Du hast dahingehend Recht, dass das Zahlenverhältnis der Jägerkräfte ganz gerne die Bomber vergisst, die sowohl Hauptaufgabe der LW-Jäger waren, als auch (zumindest anfangs) gegenüber den Eskortjägern zahlenmäßig deutlich hervorstachen.. Später (dann mit mehr P-51 Einheiten*) glich sich das Zahlenverhältnis zwischen Bombern und Eskortjägern mehr und mehr an, was generell zusätzlich schlechte Nachrichten für die LW bedeutete, da es kaum noch Löcher zum Durchschlüpfen und zur Bildung eines Schwerpunkts gab.
Wo wir gerade in das Thema der Jägertypen der USAAF hineinschlittern, hier noch ein Gedanke zur "Technologie" - wenn auch nur periphär:
Hier zeigt sich, dass in Deutschland die Entscheidung, neben der 109 und (später) der 190 keinen weiteren Jägertypen zu fertigen, ein großer langfristiger Fehler war. Die He 100D (also die Version mit konventioneller Kühlung) hatte mehr Aufwuchspotenzial als die 109 und hätte schlichtweg mehr fokussiert werden MÜSSEN. Wie auch die 190 hätte bereits 1941, spätestens 1942, ein Notprogramm für gesteigerte Höhenleistung benötigt hätte.
Da solche Chancen aber vertan wurden, und man lieber an Goldrandprogrammen herumgespielt hat, tat sich 1944 ein enormes Leistungsloch am Himmer über dem Reich auf. Weder die 109, noch die 190** waren in der ersten Jahreshälfte ansatzweise konkurrenzfähig.
Sowohl die He 100, als auch die Fw 190 hatten potenzial, zusätzlichen internen Treibstoff aufzunehmen, um die Reichweite zu strecken. Auch das wäre zu einem früheren Kriegszeitpunkt wichtig gewesen und konnte aufgrund mangelnder Voraussicht nicht umgesetzt werden.
Die amerikanischen Jäger hatten zu Beginn ebenfalls keine sonderlich großen Reichweiten, wenn auch meist etwas mehr als die europäischen Modelle. Mit voranschreitendem Kriegsverlauf war man dort aber geschickter und verstand es, die Reichweiten operationell (durch Verfahren), als auch technisch (mehr Kraftstoffvolumen
und größere Zusatztanks) deutlich zu strecken. In Deutschland lernte man weder aus der Luftschlacht um England, noch aus der Erfahrung der unendlichen sowjetischen Steppe, noch aus den langen Flugzeiten in der Reichsverteidigung, die teils zum Sammeln der Angriffsverbände notwendig waren.
Zu Kriegsende gab es dann konkrete Pläne für zusätzliche Tanks in den Tragflächen der Fw 190D-13, und den Ta 152ern.
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* Tatsächlich konnte die P-47 gegen Kriegsende fast genau so weit fliegen wie die P-51. Die 9th AF benötigte die Thunderbolts aber als Jagdbomber - so wurden die P-38 (J und L) und P-47 sukzessive an die 9th abgegeben.
** Mit den verfügbaren Motoren hätte eine He 100 natürlich auch nicht besser abgeschnitten