Genau das ist die Frage. Wäre sie in unseren Köpfen vorbei, würde dieses Thema nicht so die Gemüter erhitzen. Bis heute hat sich das Bild des Roten Barons mehr oder weniger fest gehalten. Man darf nicht vergessen dass der rote Baron fast 20 Jahre durch die Propagandamühlen wanderte und das zwangsläufig aufs Volk "abfärbte". Propaganda prägt das öffentliche Bild einer Gesellschaft auch wenn sie schon Jahrzehnte zurückliegt.
Gut, das ist schon lange unbestritten, dass die 'Helden der Lüfte' die Moral im Volke und in der 'Blutmühle von Verdun' heben sollten.
Der Mythos entstand aber nicht nur durch (deutsche OHL-)Propaganda, sondern vor allem auch in der englischsprachigen Welt der Alliierten. Den Rittmeister selbst kannte doch so gut wie niemand. Das Volk hat schließlich die Legende so weitergetragen, wie es sie gern gesehen hat: edel und ritterlich. Man hat ihn idealisiert. Das Zerrbild haben auch entsprechende Verfilmungen später weiter gefestigt.
Vielleicht hat sich der Mythos von der Kriegsverherrlichung hin zum ritterlichen Luftsportsmann ja deshalb entwickelt, weil die Menschen in Grunde nicht den Kriegskämpfer sondern das Menschliche verehren?!
Wenn heute eine Mutter in Kanada ihrem Kind einen roten Holzdreidecker mit einer Puppe samt Fliegerbrille und langem, wehenden Schal als Spielzeug und Dekoration ins Zimmer hängt, ohne dass die Familie den Namen "Manfred von Richthofen" je gehört hätte, freut sich das Kind, und das ist gut so. [Wowereitmodus aus]
Wer weiß, welche persönliche Entwicklung das Schicksal für Richthofen nach dem Krieg bereit gehalten hätte, wenn er nicht mit knapp 26 Jahren gefallen wäre? Vielleicht Wegbereiter der Zivilluftfahrt? Oder gar treusorgender Familienvater? Das wissen nicht mal seine Biografen...
Richthofen hat nicht mal selbst Schuld an seinem Mythos. Damals gab es nur Gazetten, die Berichterstattung im Heldenton gewöhnt waren. Wer weiß, wie die öffentliche Meinung auf ungeschminkte Kriegsberichterstattung mit Filmkameras reagiert hätte? Selbst wenn man an der Heimatfront das Elend in Schwarz/Weiß gesehen hätte, hätte sich wohl nicht viel geändert. Denn die Leute waren nicht zur kritischen Reflexion erzogen, vielmehr zu Opferbereitschaft als Ausdruck der Vaterlandstreue. Der Druck einer ganzen Gesellschaft lastete auf jedem Einzelnen, ob Frontsoldat oder in anderer Position.
Ein Zeitreisender aus dem 21. Jahrhundert wäre mit seiner modernen Ansicht 1917 wohl ausgelacht und dann in den Karzer geschickt worden. Wie tief wir heute als Historiker, Journalist oder FF-Leser so selbstverständlich wie Luft den Zeitgeist namens "2007" atmen, wissen wir erst, wenn wir versuchen, gegen den Strom zu schwimmen. Und siehe da:
es wird schnell ungemütlich und uns fallen 1000 gescheite Gründe sein, es bleiben zu lassen. Mit dem aufgeklappten Geschichtsbuch auf dem Schoß sehen wir aber, was "die Dussel damals" angestellt haben und murmeln, wie sie es hätten richtig machen sollen.
Vielleicht ist es wirklich zuviel verlangt von einem behäbigen alten 68er im weichen Sessel seines Studierzimmers, sich nicht nur in einen jungen, streng gedrillten Leutnant zu versetzen, der zeigen muss, dass er den Erwartungen von Truppe, Familie und Vaterland genügt, sondern sich in das ganze Drumherum der damaligen Zeit auch noch hinein zu denken! Nur ist es nicht ganz so leicht, den Zeitgeist von 1917 samt Sitten, Zwängen und Umgangsformen zu inhalieren wie einen Zug am Tabakspfeifchen. Nicht mal für einen durchschnittlichen, gelernten Historiker.
So, genug der Schelte. :D Ich habe fertig. [Giovanni-Trappatoni-Modus aus]