25.04.2019 Unfall durch Jogger beim Segelflugstart in Zierenberg/Kassel

Diskutiere 25.04.2019 Unfall durch Jogger beim Segelflugstart in Zierenberg/Kassel im Flugunfälle und Flugunfallforschung Forum im Bereich Luftfahrzeuge allgemein; Vorweg: Ich kenne mich mit dem deutschen Recht nicht speziell aus. (Ausgnommen EU Recht) Aber hier wird betr. dem Jogger doch einiges an...

Heavy

Fluglehrer
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Vorweg: Ich kenne mich mit dem deutschen Recht nicht speziell aus. (Ausgnommen EU Recht)
Aber hier wird betr. dem Jogger doch einiges an Stammtischpolemik von sich gegeben und ich möchte darum einige Anmerkungen machen.
Der oben genannte Artikel stimmt. Der Straftatbestamd auch. Jedoch ist die Freiheitsstrafe von einem Jahr nicht korrekt.

III. Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter in der Absicht handelt,
  1. a) einen Unglücksfall herbeizuführen oder
    b) eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
  2. durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.
Dem Täter eine Absicht zur Herbeiführung einer Verletzung zu unterstellen wird schwierig, weil da die Unterscheidung zwischen Vorsatz und Grobfahrlässigkeit eine Rolle spielt. Ich gehe nicht davon aus dass der Jogger die Bahn überquerte in der Absicht den Piloten zu verletzen. Ob der Eventualvorsatz vorhanden ist muss der Richter entscheiden. Da kommt auch der Faktor Pilot ins Spiel und was dieser zum Unfallhergang bzw. Schaden beiträgt. Meines Erachtens liegt hier der heikle Punkt. Wir kennen den Tathergang nicht und haben keine Zeugenaussagen der Beteiligten. Dass es zu einem Schadenseintritt kam belastet den Jogger natürlich erheblich.
 

jackrabbit

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@Heavy

Hallo,

§315 StGB sieht von Aufbau der Absätze m.E. anders aus:
1.) Absicht oder 2.) Schwere der Tat spielen eine Rolle:

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
1. in der Absicht handelt,
a) einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b) eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

oder
2. durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung
einer großen Zahl von Menschen verursacht.


Guck es doch noch mal nach.

Viele Grüsse
 

jackrabbit

Astronaut
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Hallo,

Eine startende ASK 21 taucht ja nicht urplötzlich aus dem Nichts auf, der Jogger hätte das doch eigentlich sehen müssen, dass da ein Segelflugzeug am Start ist!?
wie lang ist die Schleppleine/ Schleppstrecke?
Da liegt also in ein paar hundert Metern ein Segelflugzeug auf dem Rasen .... das kann schon zu Fehlannahmen verleiten.
Der Fehler war mit dem Betreten des Geländes schon geschehen.

Grüsse
 

Heavy

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@jackrabbit

Habe jetzt den Wälzer geholt... tatsächlich. Bei meiner Version war auch nach Absatz 3 Fertig. (Dass die Tat u.U. als Minderschwer beurteilt werden kann, ist bei meinem Artikel auch weggefallen.) Hast natürlich recht Recht.

Ich denke trotzdem nicht dass es so einfach bzw. eindeutig ist, wie wenn man einen Betonklotz auf die Schiene legt und der zug entgleist und jemand verletzt sich. Ich wollte eigentlich nur aufzeigen dass ein Unfall jeweils eine komplexe Sache sein kann und viele Faktoren mtispielen.

Einigen wir uns darauf, dass wir nicht in der Haut des Joggers stecken wollen... denn das könnte heftig werden.

Grüsse
 

Alex1204

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Ich denke trotzdem nicht dass es so einfach bzw. eindeutig ist, wie wenn man einen Betonklotz auf die Schiene legt und der zug entgleist und jemand verletzt sich.
Richtig, wird man auch nicht vergleichen können, muss man aber auch nicht.
Die Tatumstände beeinflussen dann das Strafmaß.
Der der den Zug entgleisen lässt wird wohl 10-15 Jahre bekommen und der Jogger vielleicht 1-1,5 Jahre auf Bewährung.

Ist der Jogger nun Beamter oder Soldat wird es wohl das Ende der Karriere sein, sofern sie ihn erwischen.
 

wilco

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Einwand:

Man muß sich nur überlegen, wie viele Rechtfertigungen, Milderungsgründe etc. (vulgo "Ausreden") wem zur Verfügung stehen. Dann kommt man ganz schnell darauf, daß hier im Endergebnis vermutlich der Fluglehrer auf dem heißesten Stuhl sitzt.

Eine "Einer für Alles"-Betrachtung scheint mir dem ganzen Fall ohnehin nicht angemessen; dazu gibt es eine zu lange Ursachenkette mit zu vielen Einzel-Verantwortlichkeiten.

Eine strenge Kausalkette von der Nichtbeachtung des Betretungsverbotes durch den Jogger bis hin zum Unfall mit Sachschaden und Verletzten kann ich nicht sehen.
 
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jackrabbit

Astronaut
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Hallo,

ja, und auf den Bildern sieht man vor allem viel Landschaft und wenig Zaun und Schilder.
Auch ist es eine große Fläche, also keine einzelne, abgegrenzte Landebahn o.ä.,
so richtig eindeutig finde ich das für einen Laien nicht.
Google Maps

Grüsse
 
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Augsburg Eagle

Augsburg Eagle

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Es wird sicher eine Rolle spielen, ob der Jogger dort wohnt. Also, ob man davon ausgehen kann, dass er wusste, dass sich dort ein Flugplatz befindet.
 
macfly

macfly

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Eine startende ASK 21 taucht ja nicht urplötzlich aus dem Nichts auf, der Jogger hätte das doch eigentlich sehen müssen, dass da ein Segelflugzeug am Start ist!?

Ich frage mich, ob und warum der Startabbruch überhaupt nötig war? Die ASK 21 befand sich nach dem ersten verlinkten Artikel ja schon in der Luft, da sie aus fünf Metern Höhe zu Boden stürzte.
Wer sich den Ablauf bei einem Windenstart nicht genauer angeschaut hat, unterschätzt die Gefahr völlig. So eine Schleppstrecke kann gut einen 1km oder länger sein. Das sieht für Laien erst mal ungefährlich aus - der Flieger ist ja weit, weit weg.

Womit sie eben nicht rechnen ist, dass da ein Seil auf dem Boden liegt, dass nur wenige Millimeter dick ist, aber beim Start innerhalb von Sekunden auf gut 100km beschleunigt - und während des ganzen Startvorgangs mit einer Zugkraft von über 1/2t belastet ist. Und wenn der Segelflieger abgehoben hat und schon einige Meter in der Luft ist, liegt das Seil am anderen Ende bzw. in der Mitte der Bahn noch eine ganze Zeit auf. Insbesondere bei Stahlseilen sorgt das Eigengewicht des Seils dafür, dass es stark durchhängt und erst relativ spät auf kompletter Länge abhebt. Ich habe mir das am WE mal bei uns am Platz angeschaut: erst wenn der Flieger 30-40m hoch in der Luft ist, hebt unser Stahlseil in der Mitte vom Boden ab. Dann schnellt es allerdings peitschenartig nach oben - das hörst man richtig pfeifen. Das ist für einen Menschen am Boden, der irgendwo über die Piste läuft, der gefährlichste Moment. Was passiert, wenn ein Mensch von dieser abhebenden "Peitsche" getroffen wird, weil er gerade einen Schritt über das Seil macht - dann kannst sich jeder ausmalen.

Und selbst wenn das ganze Seil abgehoben hat, ist die Gefahr für Menschen am Boden noch nicht gebannt: wenn der Flieger nach dem Start ausklinkt fällt das Seil aus großer Höhe zu Boden. Das Seilende soll zwar durch einen Fallschirm gebremst werden, das funktioniert aber nicht immer optimal (setzt voraus, dass der Windenfahrer das Seilende während des Fallens sauber einzieht). Und wenn das Seil z.B. reißt, fällt es auf kompletter Länge wieder zu Boden. Und auch wenn ein leichtes Kunststoffseil fällt: von den metallischen Kupplungsstück am Seilende will auch niemand getroffen werden. Wir haben einige Einschläge im Dach des Autos zum Ausziehen der Seile (weil es beim Ausziehen i.d.R. im besonders gefährdeten Bereich direkt neben der Winde steht). Diese Einschläge sind immer eine gute Warnung/Erinnerung für Flugschüler, warum sich niemand neben der Winde (oder gar der Schleppstrecke) aufhalten darf.
 
neo

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Mal ganz ehrlich, ich denke, da hat Kollege Routine seine bösen Finger im Spiel gehabt. Beim Windenstart sollte man sich jederzeit bewusst sein, dass ein Abbruch (i.A. durch Seilriss) möglich ist.
Geht es ein Ewigkeit lang gut, zupft man vielleicht ein kleines bisschen mehr am Knüppel (eher unbewusst) .. und zack ist die Sicherheitsmarge im Eimer.
Was haben die uns in der Ausbildung damals eingebleut, bis 50 Meter Höhe nicht über 30° Steigwinkel zu ziehen (1986 bei der GST). Warum wohl? Genau, um solche Ausgänge, wie hier geschehen zu vermeiden.
Ja, das kann man als illegitime und vorverurteilende Meinung interpretieren. Ich lehne so etwas eigentlich ab, und warte lieber auf den offiziellen Untersuchungsbericht.
Und nein, ich fliege schon lange nicht mehr.
Kollege Routine hat sicher auch bei dem Jogger auf dem Buckel gesessen. Auch dafür habe ich ein gewisses Verständnis, da ich regelmäßig mit MTB an einem Flugplatz vorbeischnicke. Aber das wurde ja bereits beschrieben.
 

nuggen

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Den Jogger wird man vermutlich eh nie finden.

Würdet ihr euch freiwillig melden wenn euch 1 Jahr Freiheitsstrafe bevorstehen würde?
 

jackrabbit

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Hallo,

in D macht es Sinn sich mit einem Rechtsanwalt zu stellen, zumal es mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Bewährungsstrafe (wenn überhaupt) hinausläuft.
In der Türkei und Indonesien sollte man lieber erstmal das Land verlassen ...

Grüße
 
Speedy#32

Speedy#32

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Den Jogger wird man vermutlich eh nie finden.

Würdet ihr euch freiwillig melden wenn euch 1 Jahr Freiheitsstrafe bevorstehen würde?
Tolle Einstellung! :applause1:

1. Normale Menschen gehen mit offenen Augen und Ohren durchs Leben.

2. Wenn ich schon Bockmist baue und jemand durch mich zu Schaden kommt, dann habe ich auch das Rűckrat und stehe dazu. Ist wohl aber nicht mehr selbstverständlich.
 
Nummi

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5m ist eine ganz bloede Hoehe. Wir hatten vor Jahren einen aehnlichen Unfall. Da war auch der Schlepp in 5m zu Ende und der Pilot hat, wie trainiert, den Knueppel nach vorn gepfeffert. Abfangen und Aufschlag passierten zur selben Zeit. Ich koennte mir vorstellen dass es hier aehnlich war.
 

nuggen

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Ja, vermute ich auch.

War wohl nicht vermeidbar
 
neo

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5m ist eine ganz bloede Hoehe. Wir hatten vor Jahren einen aehnlichen Unfall. Da war auch der Schlepp in 5m zu Ende und der Pilot hat, wie trainiert, den Knueppel nach vorn gepfeffert. Abfangen und Aufschlag passierten zur selben Zeit. Ich koennte mir vorstellen dass es hier aehnlich war.
Interessanter Aspekt und plausibel bzgl. des Schadensbildes am Flugzeug.
 
Stratified

Stratified

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Hallo,

ja, und auf den Bildern sieht man vor allem viel Landschaft und wenig Zaun und Schilder.
Auch ist es eine große Fläche, also keine einzelne, abgegrenzte Landebahn o.ä.,
so richtig eindeutig finde ich das für einen Laien nicht.
Google Maps

Grüsse
Die wenigsten wissen das Wiesen nicht eingezäunt sein müssen, damit ein Begehungsverbot besteht.
 
innwolf

innwolf

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Ja, vermute ich auch.

War wohl nicht vermeidbar
Widerspruch:
Grundsätzlich bei Windenstart wenn alles richtig gemacht wird vermeidbar. Störungen im Schlepp, sei es Seilriß, sei es Windenversagen führen vom Prinzip her nicht zwangsläuffig zu Unfällen.

Gruß
 
Intrepid

Intrepid

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Die wenigsten wissen das Wiesen nicht eingezäunt sein müssen, damit ein Begehungsverbot besteht.
Zumal dieses Begehungsverbot die meisten Stunden im Jahr ohne Substanz ist, weil kein Flugbetrieb herrscht und das Gelände verwaist ist. Nur mal kurz am Wochenende tagsüber könnte es geahndet werden.
 
Thema:

25.04.2019 Unfall durch Jogger beim Segelflugstart in Zierenberg/Kassel

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