Abfangjäger-Lösung: Zahlen pro Flugstunde?
Ein ganz entscheidender Knackpunkt der schwarz-grünen Regierungsverhandlungen ist bis zuletzt die Frage des Abfangjägerkaufes. Entgegen Gerüchten vom Donnerstag, man habe sich auf eine Verschiebung des Problems geeinigt, gilt für beide Seiten eine Einigung für ein Koalitionspapier als unabdingbar. Eine mögliche Befragung von Verfassungsjuristen, ob das Neutralitätsgesetz eine Luftraumüberwachung erfordere, gilt angesichts eines erwarteten Ja-Urteils eher als Überzeugungswerkzeug für die Grünen (deren Vorsitzender Van der Bellen einst im "Presse"-Interview angekündigt hatte, sich einem solchen Diktum zu beugen).
Die Grünen jedenfalls traten mit Wirtschaftssprecher Werner Kogler auch gestern erneut massiv gegen einen Abfangjägerkauf auf; und auf VP-Seite wurde ein Kompromiß zu den Abfangjägern ausgeschlossen. Teil der Gespräche in den letzten Tagen war aber dem Vernehmen nach eine Finanzierungsvariante, die beiden Seiten gerecht werden könnte: ein sogenanntes Betreibermodell, bei dem Österreich auf einer Art Leasingbasis Flugzeuge samt Wartung, Ausbildung etc. zur Verfügung gestellt werden, wobei aber nur für tatsächlich geflogene Flugstunden zu zahlen ist. Saab-Gripen, die bei der Abfangjäger-Entscheidung der Regierung im vergangenen Jahr gegenüber dem Eurofighter nicht zum Zug kamen, sind dem Vernehmen nach an so einem Modell höchst interessiert - zumal die Kosten für die Flugstunden deutlich ergäben, daß Saab mit rund 100.000 Euro/Stunde weit unter dem Preis der Konkurrenzprodukte läge.
Vorteil dieser Variante: Österreich kauft keine Abfangjäger, hat aber welche und zahlt für ihre Verwendung. Nach 20 Jahren Laufzeit kann sich die Republik entscheiden, ob sie die Abfangjäger zum Restwert übernimmt oder nicht. Daraus resultierender Vorteil: Kommt es irgendwann tatsächlich zu irgendeiner Form einer europäischen Verteidigungspolitik mit einer Verteilung von Aufgaben, kann Österreich dann frei und ohne Verluste disponieren.
Für ein derartiges Betreiber-Modell gibt es freilich weltweit kein Beispiel. Keiner der drei Hersteller (EADS, Saab-British Aerospace, Lockheed-Martin) hat bisher - offiziell - ein derartiges Angebot ausgearbeitet.
Zu viele Vorfragen harren noch der Beantwortung - einer Beantwortung, die erst eine neue Regierung geben kann. Unter anderem: Wer besitzt die Flugzeuge letztlich? Wenn es eine private Plattform wäre, wie sieht's mit der schwedischen Ausfuhrgenehmigung aus? Kann sich das Bundesheer eine solche Konstellation vorstellen (- man hört: Es kann nicht)?
"Kein Kommentar." Roger Lantz, Direktor der Gripen-Vertretung in Österreich, wird sehr einsilbig, wenn er auf ein allfälliges Betreibermodell angesprochen wird. Freilich gilt es als sicher, daß sich der Konzern derartigen Verhandlungen nicht verschließen würde.
Synergien mit Ungarn
Schwedens Botschafterin in Österreich Lindholm Gabriella, kündigt im Gespräch mit der "Presse" ein Zusammentreffen mit dem (neuen) Verteidigungsminister an - wenn die Koalitionsverhandlungen endlich abgeschlossen sind. Der Gripen-Produzent hat auch bereits ein weiteres Angebot ausgearbeitet. Er bietet Luftraumüberwachungsflugzeuge mit neuer Außenhaut, aber bereits in der Luftwaffe Schwedens eingesetzten Komponenten an. Und nach der Entscheidung Ungarns - des ersten Nato-Mitglieds, das 14 Gripen (davon zwei doppelsitzige Schulungsflugzeuge) leasen wird - öffnen sich für Österreich kostenverringernde Zusammenarbeitsmöglichkeiten mit dem Nachbarn in den Bereichen Schulung, Wartung sowie Beschaffung und Lagerung von Ersatzteilen.
Quelle: diepresse.