18. Juni 2002
Comet-Vertuschung
Als einer der ehemaligen De-Havilland-Mitarbeiter, die im TV-Programm „Secret History“ (am 13. Juni auf Channel 4) über die Unglücke der Comet 1 aufgetreten sind, würde ich gerne die Wahrheit zur Sprache bringen.
Unglücke hat es gegeben, und wir sollten sie auch nicht vergessen. Aber De Havilland und ihrem Chefdesigner R. E. Bishop vorzuwerfen, Ermüdungstests vermieden zu haben, ist unverschämt. „Geheime Briefe“ werden zur Untermauerung dieser Vorwürfe angeführt. Geheime Briefe von wem, von wann, und mit welcher Aussage? Können wir Kopien davon haben? Flüchtige Blicke auf alte Akten, die das Wort „Ermüdung“ enthalten, begleitet von düsterer Musik und gesprochenem Kommentar, beweisen überhaupt nichts.
In 1952/53 haben wir zwei vollmaßstäbliche Testsektionen des Comet-1-Rumpfes einschließlich der Fenster gebaut und sie in einem Wassertank in Hatfield getestet. Die Sektionen waren dazu angedacht, einmalige Drucküberlastungen bis zur Bruchstärke zu testen, sowie die Ermüdungsstärke bei trockener Mehrfachbelastung.
Herrschende Fachmeinung im Konstruktionsingenieurwesen war damals, dass die Ermüdungsstabilität durch „statische“ Bruchfestigkeit nachgewiesen werden könne. So pumpten wir eine der Testsektionen auf das Zweifache des normalen Arbeitsdruckes (P) auf. Wenn die Struktur bei weniger als 2,0 P versagt hätte, was sie aber nicht tat, dann wären wir zurück an die Zeichenbretter gegangen. Wir glaubten, damit die statische und die Ermüdungs-Bruchfestigkeit der Comet 1 nachgewiesen zu haben.
Chefdesigner R. E. Bishop ging noch weiter. Er sagte: „Zeigt mir 2,5 P.“ Wir taten auch dies. Dann verlangte er von uns 16.000 Belastungen in Folge mit jeweils 1,25 P. Dieser weltweit erstmalige Test ging über die Anforderungen für den Lufttüchtigkeitsnachweis hinaus. Bishop ging sogar noch weiter und verlangte den Drucktest einzelner Fenster mit 2,0 P. Als Lehrling in der Strukturtest-Abteilung im Jahre 1949 erinnere ich mich persönlich an diese Tests. Meine Aufgabe war es, die Fenster jeden Morgen mit ‚Ajax’ zu polieren, um festzustellen, ob sie dadurch an Materialstärke verloren, also, ob sich durch die Fensterreinigung im Airline-Betrieb die Stärke der Scheiben verringerte. Weit hergeholt, aber ein Gradmesser für Bishops Gewissenhaftigkeit.
All dies habe ich in gefilmten Interviews mit den Filmemachern Steve Ruggi und David Coward von ‚Channel 4’ erklärt, vielleicht zu technisch und zu langweilig. Sie haben es alles weg-editiert. Aber als Tatsache hinzustellen, De Havilland hätte sich geweigert, Ermüdungstests durchzuführen, ist vorsätzliche Unaufrichtigkeit. Man fragt sich, wieviel man von den ‚Channel 4’-Dokumentationen überhaupt glauben darf.
Ja, die Fenster der Comet 1 versagten fatal durch Ermüdungsbruch. Keine Ausreden. Aber dafür gab es Gründe – Gründe, die durch die Untersuchung ermittelt und veröffentlicht wurden, und die einen Fortschritt für das Konstruktionsingenieurwesen, die Inspektion und die Tests bedeuteten.
Die Fenster der Comet 1 versagten, weil die Verstärkungsrahmen der Fensteröffnungen in der Serienproduktion genietet – sehr schlecht genietet – waren, wohingegen die Testsektion geklebt war, im Redux-Klebeverfahren. Und die Testsektion ist durch die 2,5 P-Druckbelastung vor den 16.000 Ermüdungszyklen von je 1,25 P womöglich noch zusätzlich gefestigt worden. Das waren Fehler. Aber es waren ehrliche Fehler auf dem Weg in unbekanntes strukturelles Territorium, die durch eine öffentliche Untersuchung aufgedeckt wurden. Bishop übernahm die Verantwortung, wo ein Geringerer sie womöglich auf die Strukturabteilung oder die Fertigung – oder auf beide – geschoben hätte.
Ingenieure, die Dinge ausprobieren, die noch nie zuvor gemacht wurden, machen manche Dinge falsch. Aber ihren Ruf zu besudeln, in dem man ihre ehrlichen Fehler als Verschwörungen darstellt, ist nur noch schäbig.
Die involvierten TV-Programmmacher und Redakteure haben auch sonst noch einiges falsch dargestellt, zu vieles, um es hier darzulegen. Und manches ist lächerlich. Zum Beispiel, dass die Stärke der Außenhaut bei der Comet 1 danach bemessen wurde, ob als Triebwerke nun ‚De Havilland Ghost’ oder ‚Rolls-Royce Avon’ gewählt wurden.
Nebenbei bemerkt hat ‚Principal Films’ mir und den De-Havilland-Kollegen, die im Film erschienen sind (und persönliches Film- und Fotomaterial und Dokumente zur Verfügung gestellt haben), gesagt, dass der Anlass das Jubiläum von 50 Jahren Düsenluftfahrt sei. War dies ein ehrlicher Fehler?
J. M. (Mike) Ramsden