Bereits am 26. April 1990 beschloß die am 18. März 1990 gewählte Volkskammer ein neues Wehrdienstgesetz, indem auch eine neue Eidesformel enthalten war. Die im Frühjahr zum Grundwehrdienst einberufenen Soldaten mußten als Erste im Mai 1990 diese Formel sprechen.
Von den bereits im Dienst stehenden NVA-Angehörigen (dienstältere Grundwehrdienstleistende, Berufs- und Zeitsoldaten und Offiziere) verlangte die an die Macht gekommene Übergangsregierung die Ableistung des neuen Fahneneids am 20. Juli 1990. Dabei wurde auf die veränderten Bedingungen und die Wehrmachts-Offiziere des gescheiterten Hitler-Attentats bezug genommen. Dieser Eid wurde absichtlich und unabsichtlich von vielen nicht mehr geleistet bzw. nicht ernst genommen. Selbst demonstrative Eidesverweigerungen kamen in "nicht unbedeutender Zahl" vor. So verweigerten allein im Mot.-Schützenregiment 1 der Mot.- Schützendivision 1 in Oranienburg 21 Unteroffiziere und 21 Soldaten ihre Vereidigung. Hier muß jedoch berücksichtigt werden, daß einige der Eidverweigerer ihre vorfristige Entlassung beabsichtigten. Mangels Rechtsgrundlage war dieses Ansinnen jedoch aussichtslos und nachdem sie sich schriftlich verpflichteten, "ordentlich weiterzudienen" und "sämtliche Weisungen und Befehle" auszuführen, hatte die Verweigerung keinerlei Konsequenzen.
Anders war die Sachlage bei den Berufsoldaten und Offizieren. Hier hätte eine Ablehnung der Vereidigung zur sofortigen Entlassung aufgrund "ungenügender Eignung" gem. § 26 Abs. 2 der Dienstlaufbahnordnung der NVA geführt. Eigentlich ein Witz diese DDR-Vorschrift in diesem Zusammenhang zu verwenden, aber der NVA-Abrüstungsminister Eppelmann drohte in seinem Brief an die Kommandeure der Verbände der NVA vom 04. Juli 1990 unmißverständlich: "..., daß der Verbleib eines Berufssoldaten in den Streitkräften unmittelbar mit der Ableistung dieses Fahneneides verbunden sein muß." Die mangelnden Konsequenzen bei Unteroffizieren und Mannschaften und die sowieso massiven Abwanderungen ins Zivile bei den Berufssoldaten und Offizieren, führten offenbar dazu, daß die Eidesleistung in den Truppenteilen stark unterschiedlich gehandhabt wurde. In einigen Truppenteilen wurden nur Berufsoffiziere und Offiziere zur Vereidigung aufgefordert, in anderen der Komplettbestand. Da anschließend auch keine schriftliche Bestätigung der Eidesleistung oder gesonderte Verpflichtung verlangt wurde, schworen viele den Eid - folgenlos - nicht mehr. »Aber nur wenige Zeilen später relativierte Eppelmann diese Aussage zugunsten der Funktionsfähigkeit der NVA. Es hatte sich nämlich angedeutet, dass viele qualifizierte NVA-Angehörige den Eid verweigern würden, um gerade eher aus dem Dienst ausscheiden und unverzüglich eine zivile Karriere aufnehmen zu können. Daher sollten die Kommandeure nun vor Ort pragmatisch prüfen und bestimmen, zu welchem Entlassungstermin bis Ende Dezember 1990 der Dienst beendet werden konnte« (Bröckermann).
Interessant an der Eidesformel ist, daß in jedem der zwei Sätzen noch die "Deutsche Demokratische Republik" vorkam. Parallel wurde die Kokarde mit DDR-Wappen von den Mützen entfernt und durch die "Reichsbahnkokarde" ersetzt. Aber auch die Mißachtung dieses Befehls war in der Praxis folgenlos. Der neue Fahneneid, der bis zum offiziellen Ende der DDR galt und nicht mehr auf die Truppenfahne sondern auf die Staatsflagge der DDR abgelegt wurde, lautete:
Ich schwöre:
getreu dem Recht und Gesetzen der Deutschen Demokratischen Republik meine militärischen Pflichten stehts diszipliniert und ehrenhaft zu erfüllen.
Ich schwöre,
meine ganze Kraft zur Erhaltung des Friedens und zum Schutz der Deutschen Demokratischen Republik einzusetzen.
Die am 04. September 1990 noch zur NVA einberufenen Grundwehrdienstleistenden schworen im Oktober 1990 bereits als Bundeswehrangehörige das "Deutsche Volk" tapfer auch am Hindukusch zu "verteidigen".