Die USA bzw. den Vergleich USA / Russland sollten wir aus diesem Thread mal herauslassen - das ist ein ganz anderes Thema. Die USA spielen hier "nur" dahingehend eine Rolle, dass sie Georgien materiell und logistisch und politisch unterstützen und massgeblicher Förderer für eine Aufnahme von Georgien in die NATO sind. Zur Entspannung in der Region trug das sicherlich nicht gerade bei.
Aus meiner Sicht ist *der* Gewinn für Russland, dass sich die georgische Regierung derzeit für viele Jahre aus dem Kandidatenkreis für NATO-Neumitglieder katapultiert hat. Und natürlich hat Russland darauf hingearbeitet - die USA hätten selbiges andersherum ebenso getan.
Noch ein Gedanke zum Völkerrecht: Der Angriff Georgiens auf Südossetien ist ganz sicher nicht durch das Völkerrecht gedeckt. Verschärft wird dies noch die 16 vergangenen Jahre eines relativ (!) friedlichen Status Quo.
Und wohin Südossetien und Abchasien nun völkerrechtlich gehören, ist so eindeutig nicht, wie es mancher vielleicht sieht, der die geschichtlichen Details nicht so kennt. Ein sehr interessantes Interview mit einem Kenner der Region und ihrer Geschichte kann man
hier lesen.
Der Kaukasus beherbergte schon immer ein Völkergemisch. Auf Grund der Geographie waren die einzelnen Gruppen relativ isoliert, ausser den Küstenregionen und Zentralgeorgien war wirtschaftliche und gesellschaftliche Rückständigkeit der Standard.
Selbst noch im 19. Jahrhundert war es alles andere als selbstverständlich, dass man eine Reise durch den Kaukasus völlig unbeschadet unterstand. Und wenn eine Region einer anderen Macht "unterstand" (den Türken, früher noch den persern, später Russland or whatever), so hiess das noch lange nicht, dass dem de facto so war. Manchmal wussten die Bewohner auch gar nichts von dieser Beherrschung.
Jetzt zu den Osseten und den Abchasen: Endgültig zu Georgien kamen diese Gebiete durch einen gewissen Herrn Dschugaschwili (ein Georgier), der in den Zwanzigern unter dem Namen Stalin knallhart und nach seinen Interessen die Grenzen festgelegt hat. So wurde beispielsweise Ossetien einfach geteilt: Nordossetien zur Russischen SSR, Südossetien an seine Heimat-SSR Georgien. Einfach so, per Federstrich.
Die Osseten sind aber alles andere als Georgier, gleiches gilt für die Abchasen (die eine lange Tradition in Eigenstaatlichkeit haben!): Alle sind aus unterschiedlichen Gegenden der alten Welt zugewandert, haben jeweils eigene Sprachen, eigene Schrift, eigene Geschichte und Traditionen.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde der bisher erträgliche Zustand unter einem Dach auf einmal prekär: Die Osseten waren in zwei Länder aufgeteilt (und sie waren schon immer eher prorussisch eingestellt - das kleinere Übel? Weiss ich nicht), und Tbilissi machte in Abchasien einen extrem dummen Fehler: Die abchasische Sprache und Schrift wurden verboten. Die bis dahin viersprachigen Wegweiser (abchasische, georgische, kyrillische, lateinische Schrift) verschwanden. Die Universität in Suchumi durfte nicht mehr in abchasisch Lehrveranstaltungen abhalten (zu sowjetischen Zeiten hatte man das sogar gefördert), an den Schulen nur noch georgisch gesprochen werden. Wenn man dazu noch die Mentalität der Völker dort kennt und dass das gegenseitige Nicht-Mögen jahrhundertelange Tradition ist, weiss man, in was für ein Pulverfass damals Gamsaschurdia und Schewardnadse die Fackel gesteckt haben.
Es hat also damals (und bis heute andauernd) "bumm" gemacht, und an der Situation bedienen sich jetzt die Grossen: Russland möchte die Kontrolle über das strategisch wichtige Gebiet behalten und keine Laus am Pelz haben, sondern nur "Freunde". Die USA wollen das genaue Gegenteil: Einen geostrategisch wichtigen Posten an Russland südwestlicher Flanke.
Und während ich dies geschrieben habe, sind wieder viele Menschen vollkommen sinnlos gestorben und wurden verletzt oder haben Hab und Gut verloren. Und dabei hätte Herr Saakaschwili sich nur auf ein prosperierendes, friedliches und damit stabiles Georgien konzentrieren brauchen (aber dann würde er bestimmt nicht wiedergewählt - das müssten dann andere vollenden). Abchasien und Südossetien braucht er dafür bestimmt nicht.
Bernhard