Ein Zielbeleuchter und ein Suchradar unterscheiden sich ja erheblich in punkto Frequenz, Puls und Energie. Ein Zielbeleuchter sollte um einiges einfacher durch den Suchkopf der HARM zu finden sein, des Weiteren sollte er auch vom RWR deutlich einfacher zu diskriminieren sein. Kann eine HARM beide gleich effektiv bekämpfen oder gibt es technische Einschränkungen in punkto Frequenz oder ausgesandter Energie des Zielsenders?
Grundsätzlich gilt umso stärker die Energie, desto besser läßt sich darauf zielen.
Auf welche Frequenz genau die HARM aufgeschaltet wird liegt ausschließlich an der Art der Integration, d.h. Güte des RWR und der Fähigkeit des WSO (in der einfachen Variante) bzw. Güte des RWR und des "entscheidenden" Computers (in der komplexeren Integration). Da sitzt eine Menge taktisches Wissen hinter.
Sollte der Suchkopf der HARM sehr flexibel sein, könnte ich ihm ja theoretisch auch gegen ein gegnerischen Jäger schicken, der mich mit seinem Radar beleuchtet, oder?
Im Golfkrieg 1991 hat eine F-4G mal versehentlich eine HARM in das Radar des Heckgeschützes eines B-52 Bombers geschossen. Der Bomber hat es zwar überlebt, war aber hinten ziemlich gelöchert.
Auf das Suchradars eines Jägers zu schießen wird theoretisch nur bei älteren Radaren überhaupt möglich sein und selbst diese verwenden unterschiedliche Frequenzen und Modulationen in verschiedenen Modi. Und dann dürfte das Ziel während des Fluges der HARM die Frequenz und Modulation nicht ändern.
Moderne Radare allgemein und AESA/PESA Radare im besonderen nutzen sogenatte LPI-Strategien (Low Probability of Interception) um ihre Aufassung von vorne herein zu unterbinden. D.h. ändern Frequenz, Modulation, Phase und andere Parameter bis zu einigen hunderttausend Mal pro Sekunde (Moderne Nicht-ESA-Radare sind in ihren LPI-Möglichkeiten zwar eingeschränkt, trotzdem dürfte es unmöglich sein sie mit einer HARM zu bekämpfen).
Praktisch dürfte der Einsatz gegen schnelle, fliegende und manövrieren Ziele total sinnlos sein, da die HARM mit Mach 2 recht langsam ist, nicht für extreme Manöver ausgelegt ist und darüber hinaus mit einem Annäherungs-Splitter-Sprengkopf ausgerüst ist, der vor allem auf fixe oder langsam fahrende Ziele parametrisiert ist. Das wird auch der der Grund sein, warum die B-52 relativ glimpflich davon gekommen ist, da sie sich mit 950kmh vom Splitterkegel wegbewegt hat und nach hinten auch nur eine geringe Zielfläche bietet)
Und noch eine taktische Frage:
Würde man im Feld eher auf den Beleuchter oder eher den Sucher schießen? Die Jugoslawen haben doch seinerzeit ne Menge Raketen "blind", also ohne Beleuchter in den Himmel geschossen.
Ich tippe auf den Sucher, weil es dasjenige Radar ist was der Operator zuletzt ausschalten wird und i.d.R. einen Sektor von 360° abdeckt. Wenn mein eigener Jammr gut funktioniert, wird der Beleuchter mich gar nicht erfassen und evtl. auf ein anderen Ziel aufschalten (d.h. mich und den Suchkopf der HARM gar nicht mehr beleuchten) womit es für die HARM nicht mehr als "Wegweiser" dienen kann.
Die Ausrüstung der jugoslawischen Armee war damals nicht gerade zeitgemäß (Masse glaub ich SA-6, SA-4 und SA-2), heute stehen mit Datenlink zur Rakete andere Möglichkeiten zur Zielbekämpfung zur Verfügung, auch ohne das ein Radar die ganze Zeit "draufhalten" muss.
Gerade für die SA-2, die im übrigen immer schon per Datenlink (ordinärer Funk) gelenkt wurde, gibt es extrem neue Updates von den Chinesen, die den Datenlink so Jam-resistant machen, dass man schon absolut moderne Jammer braucht um ihn stören. Für die SA-6 bieten die Russen eine Vernetzunglösung, die ebenfalls auf dem neuen Stand ist und darüber hinaus gibt es auch eine schier unüberblickbare Menge von Upgrades für alle übrigen Systeme.
Dass der Jugoslawien Krieg in Sachen Luftabwehr so ausging wie er ausging, lag meinem Verständnis nach an der technlogischen, massen-mässigen und taktisches Überlegenheit der Allierten (vor allem an den Abstandsjammern, E-Aufklärern RC-135 und EA-6Bs und im geringeren Maße ECR-Tornados) und an der weitesgehend "defensiven" Taktik der serbischen Operateure und nicht so sehr an dem Alter der serbischen Systeme. Dass man mit alten Sa-6 und Sa-3 bei sachgemäßem Umgang und guten Geheimdienstinformationen durchaus F-16s und F-117s abschießen kann, hat man ja gezeigt. Dabei ist es unerheblich ob in den Situationen Russen (wie oft kolportiert) oder Serben die Systeme bedient haben.