Jede Waffe hat ihre Zeit und deshalb muss man sich schon fragen was man von einem Kampfhubschrauber heute und in dem beträchtlichen Zeithorizont dieser erheblichen Investition erwartet.
Einen überlebensfähigen und hoch beweglichen Führungs- und Kommikationsknoten und Träger für taktische UAS und NLOS-Lenkwaffen. Plus halt die ganze vorhandene Bandbreite an klassischen Fähigkeiten in Konflikten geringer und mittlerer Intensität.
UAS können derzeit und auch in absehbarer Zukunft nicht alle Rollen bemannter Plattformen gleichwertig ersetzen, und auch neu gewonnene Fähigkeiten anderer Waffengattungen (z.B. Artillerie) können es nicht. Dazu sind noch viel zu viele Baustellen offen, die für einen querschnittlich vernetzten Einsatz von UAS erforderliche Kommunikationsinfrastruktur (Bandbreite, Verschlüsselung, Störfestigkeit, Aufklärbarkeit, Abhängigkeit von Sichtlinie) ist da nur die offensichtlichste.
Große MALE-Plattformen wie Bayraktar konnten nur in der Anfangszeit des Ukraine-Konflikts und danach nur unter günstigen Bedingungen, wirksam eingesetzt werden. Selbst dann war der Einfluss auf den Gesamtkonflikt überschaubar und hat hauptsächlich beeindruckendes und psychologisch wertvolles Bildmaterial geliefert. Derzeit sind sie quasi ohne Bedeutung. Auch im Bergkarabach-Konflikt zuvor waren aserbaidschanische Bayraktar nur deshalb so wirksam, weil Armenien schlichtweg keine wirksamen Mittel hatte, sie aufzuklären oder zu bekämpfen. Es gab keine Luftverteidigung durch Kampfflugzeuge, kein bodengebundenes IADS mit Ausnahme einzelner, nicht wirksam eingesetzer S300-Batterien, und die wenigen vorhandenen taktischen Flugabwehrfähigkeiten (GECKO, GOPHER) hätten so hoch fliegende Ziele auch dann nicht bekämpfen können, wenn sie sie hätten aufklären können.
Der überwältigend größte Anteil des Impact von UAS, den wir in der Ukraine sehen, geht dagegen auf Tageslicht-Bildaufklärung durch ubiquitär vorhandene kommerzielle Drohnen zurück, gegen die beide Seiten, aber primär die Russen, keine ausreichenden Aufklärungs- und Bekämpfungsmöglichkeiten haben. Dass entsprechende Abwehrmöglichkeiten fehlen ist eine klare und unbestrittene Erkenntnis aus den Konflikten der letzten Zeit. Deswegen gibt es eigentlich fast überall auch bereits erste Entwicklungs- und Beschaffungsvorhaben, um diese Schwachstelle anzugehen. Gerade der Nutzen kommerzieller (Freizeit-)Drohnen wird hier erheblich abnehmen, spätestens dann, wenn Fähigkeiten zur elektronischen Kampfführung auf immer niedrigere taktische Ebenen verschoben und klassische Flugabwehrmittel wieder organisch in Verbände integriert werden.
Weltweit werden derzeit dedizierte Kampfhubschrauber beschafft und sogar neu entwickelt. Offensichtlich wird hier weiterhin Bedarf gesehen. Selbst komplexe, UAS-lastige Einsatzkonzepte bauen noch immer auf einen Kern aus bemannten Plattformen auf, die ganz überraschend nach Kampfhubschrauber aussehen. Deren Einsatzgrundsätze werden sich ändern (müssen), ja, aber aus der Zeit gefallen sind sie deswegen noch lange nicht.