In der letzten Ausgabe der FR gab es einen Bericht über einen weiteren erfolgreichen Testflug einer Angara, die eine Satellitenattrappe auf eine sonnensynchrone Umlaufbahn gebracht hat.
Die Angara 5 sollte einst die neue Standardrakete der russischen Raumfahrt werden und die betagte Proton-Rakete ablösen, die in den vergangenen Jahren mit einigen Fehlstarts auffiel. Außerdem möchte man die giftigen Treibstoffe der Proton ersetzen.
Das soll sie heute immer noch. Sechs Jahre nach dem Flug des ersten Prototyps folgte am 14.12.2020 erst der zweite Flug, der praktisch nochmal ein zweiter Jungfernflug war. Er war erfolgreich. Durch zahlreiche Korruptionsskandale verzögerten sich die Fertigstellung des neuen Startplatzes Wostotschny und die Produktion der Rakete. Aber selbst beim zweiten Flug startete die Angara nicht in Wostotschny, sondern wieder vom Militärstartplatz in Plesetsk.
Anders als vor dem ersten Flug wurden die Raketenmodule diesmal auch nicht in Einzelfertigung als Prototypen hergestellt, sondern in der endgültigen Fabrik. Trotzdem kommt die Rakete mit ihrer innovativen Konstruktion zu spät. Ihre erste Stufe besteht aus fünf
"universellen Raketenmodulen", mit identischen Treibstofftanks und je einem RD-191-Triebwerk. Eine Angara-3-Variante mit drei Modulen zum Ersatz der Sojus war geplant, wurde aber aufgegeben. Die kleine Angara 1 gibt es auch, sie flog bislang nur einmal im Jahr 2014, soll aber 2021 den regulären Flugbetrieb aufnehmen.
Ähnlich wie bei der Falcon Heavy oder Delta IV Heavy dienen die äußeren Module der Angara 5 als Seitenbooster der ersten Stufe, während das mittlere Modul nach der Abtrennung der äußeren Module weiterfliegt und als zweite Stufe fungiert. Um Treibstoff für diese Phase des Flugs übrig zu haben, läuft das zentrale Triebwerk vor der Abtrennung der Seitenbooster nicht mit vollem Schub.
Obwohl die Triebwerkstechnik noch aus den 1980er der Sowjetunion stammt, sind Triebwerke wie das RD-191 noch immer die effizientesten Kerosin-Triebwerke der Welt, auch wenn die Technik inzwischen vom methanbetriebenen Raptor-Triebwerk von SpaceX in den Schatten gestellt wird. Die Angara als Universalrakete war ein sehr modernes Konzept, bevor SpaceX die wirtschaftliche Wiederverwendung von Raketenstufen demonstrierte. Durch Massenproduktion sollten die Module billiger werden und Angara-Varianten alle anderen Raketen überflüssig machen. Aber dazu ist es nicht gekommen.
Das neue russische bemannte Raumschiff
Orjol soll nun offenbar doch nicht mit dem ebenfalls neuen Mittelklasse-Träger
Sojus-5, sondern mit einer schweren
Angara-Rakete ins All geschossen werden. Der Entwurf für die
Angara-A5P (das P steht für bemannt) wurde bis zum Jahresende 2019 beim
Chrunitschew-Konzern abgeschlossen, meldete die Moskauer Nachrichtenagentur
TASS.
Die Idee für den Trägerwechsel gehe vom Chef der
GK Roskosmos (Dmitri Rogosin) aus, heißt es weiter. Seine Vorgänger hätten noch die
Sojus-5 favorisiert, für die gemeinsam mit Kasachstan eine Rampe in
Baikonur geplant ist. Doch dafür hätte ihre Nutzlast mit hohem Kostenaufwand auf 18 Tonnen gesteigert werden müssen.
Die
Angara-A5P kann von
Wostotschny im Amur-Gebiet aus starten. Die Arbeiten für die Rampe haben Ende 2019 begonnen. Damit macht sich Russland auch bei den bemannten Starts von Kasachstan unabhängig.
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