Kesselrings Rolle bei der Absetzung der schweren Bomberprojekte 1937: ungeklärt

Diskutiere Kesselrings Rolle bei der Absetzung der schweren Bomberprojekte 1937: ungeklärt im WK I & WK II Forum im Bereich Geschichte der Fliegerei; Da hätte ich mich wohl etwas genauer Ausdrücken müssen. Große Rüstungsbetriebe der SU waren den Deutschen durch die Gegenseitigen Besuche bekannt...

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Das war aber nicht der Punkt. Es ging um die Behauptung, man habe nicht um den Standort wichtiger Industrieziele gewusst und die Zielfindung sei ein "ungelöstes Problem" gewesen - und das ist einfach falsch. Angesichts der sehr starken Zusammenfassung der sowjetischen Produktion in großen Fertigungszentren, der Abhängigkeit von wenigen Kraftwerken und der mangelhaften Luftabwehr, war die sowjetische Rüstungsindustrie sehr stark luftgefährdet. Ähnlich lag es zunächst mit den alliierten Geleitzügen, weil in den Weiten des Atlantik die Abwehr der Masse der Jäger wegfiel. Es fehlte schlicht an der Reichweite dahin zu kommen, "wo kein Jäger ist."

Gruß Rainer
Da hätte ich mich wohl etwas genauer Ausdrücken müssen. Große Rüstungsbetriebe der SU waren den Deutschen durch die Gegenseitigen Besuche bekannt. Doch schon 1940 und vor allem 1941 ergab sich eine Dynamik in der SU, die der deutschen Aufklärung verborgen blieb. Die deutschen Luft-Angriffe auf Moskau und Leningrad 1941 haben es ja gezeigt, wie schwierig es ist Punktziele aus der Luft zu finden und vor allem zu treffen. Die "Luftgefährdung" ist da relativ und führt fast nie zum Totalausfall. Es hatte seine Gründe, warum die deutsche Luftwaffe sich auf wenige Angriffe beschränkte.
Die alliierten Geleitzüge konnten mögliche deutsche Angreifer mit dem Radar erfassen. Wie schwierig Schiffsziele auch unter idealen Bedingungen sind, zeigen ja die Erfahrungen des X Fliegerkorps auf Sizilien oder die deutschen Luftangriffe von Norwegen auf die Nordmeer Geleitzüge.
PS
Die deutsche Option für die Aufgabe und warum sie scheiterte. Unabhängig davon zeigten die praktischen Erfahrungen der Amerikaner mit ihren B-17 und B-24, dass sie nur mit Geleitjägern uneingeschränkt einsetzbar waren.
Mustervorlage für Blankobogen (adl-luftfahrthistorik.de)
 
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Scheinbar war die Luftwaffe auch von den Leistungen der Maschinen nicht überzeugt:

"Eine weitere oftmals vorkommende Fehlinterpretation findet sich in der Bewertung der Geschehnisse um die Verschrottung der viermotorigen schweren Fernbombermodelle vom Typ Junkers Ju89 und Dornier Do19 im Frühjahr 1937. Die Überlegung eines „strategischen“ Einsatzes der eigenen Luftstreitkräfte gegen feindliche Industriezentren und Verkehrsknotenpunkte hatte, entgegen der weit verbreiteten Ansicht, die Luftwaffe hätte keinerlei strategische Konzeption besessen, auch vor dem Generalstab nicht halt gemacht. Bereits im Sommer 1934 hatte Wever die Entwicklung eines viermotorigen Langstreckenbombers angeordnet, dessen Aktionsradius bis zum Ural oder nach Schottland reichen sollte. Die daraufhin entstehenden Prototypen wurden jedoch 1937 auf Befehl Kesselrings mit Görings Einverständnis verschrottet (...)

Tatsächlich waren die Do19 und Ju89 so untermotorisiert, dass sie noch weit davon entfernt waren, die Grundlage für einsatzbereite Kampfflugzeuge abzugeben. Es ist gesichert, dass bereits zu Wevers Lebzeiten entschieden wurde, "dass Fernbomberprojekte den Schnellbombern nachzuschalten" seien und der Wunsch Wevers nach Schaffung einer strategischen Bomberflotte sowieso zurückgestellt werden musste, da die notwendigen Motoren noch nicht lieferbar waren."

Heinrich Koppenberg schrieb dazu nach dem Krieg: "Die Ju89 galt als für den militärischen Bereich nicht ausgereift und wurde deshalb eingestellt."

(Ernst Stilla: Die Luftwaffe im Kampf um die Luftherrschaft)

Gruß Rainer
 
Junkers-Peter

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Begriff "Uralbomber". Es werden gedankenlos irgendwelche Schlagwörter übernommen, ohne sie zu hinterfragen. "Aber das steht doch überall in der Literatur so". Mag fürs Forum reichen, für mehr aber auch nicht. Bin aber gern für Fundstellen in zeitgenössischen Originalquellen offen.

Stilla schreibt veritablen Unsinn. Kössler/Ott beschreiben es, wie es wirklich war, auch die Rolle Wevers.

Untermotorisierung: Halte ich ebenfalls für Unfug, der von allen gedankenlos übernommen wird.

1936 plante man bei der Ju 89 mit 4 x DB 601 oder Jumo 211 mit moderaten 1000 PS. (1937 waren es bereits 1200 PS) Damit sollte die Ju 89 bei einem Fluggewicht von 18 t eine Bombenlast von 1500-2500 kg über eine Reichweite von 2000 km befördern. Dabei erreichte die Ju 89 eine Vmax von 410 km/h in 4 km Höhe. Die Dienstgipfelhöhe betrug dabei 8500 m. Durchaus beachtliche Werte, wenn man noch die Nutzlast-Weltrekorde in Betracht zieht. (Quelle: JFM AG, Juli 1936, Der heutige Stand der Flugzeugentwicklung/4-motoriger Großbomber Ju 89)
 
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Begriff "Uralbomber". Es werden gedankenlos irgendwelche Schlagwörter übernommen, ohne sie zu hinterfragen. "Aber das steht doch überall in der Literatur so". Mag fürs Forum reichen, für mehr aber auch nicht. Bin aber gern für Fundstellen in zeitgenössischen Originalquellen offen.

Stilla schreibt veritablen Unsinn. Kössler/Ott beschreiben es, wie es wirklich war, auch die Rolle Wevers.

Untermotorisierung: Halte ich ebenfalls für Unfug, der von allen gedankenlos übernommen wird.

1936 plante man bei der Ju 89 mit 4 x DB 601 oder Jumo 211 mit moderaten 1000 PS. (1937 waren es bereits 1200 PS) Damit sollte die Ju 89 bei einem Fluggewicht von 18 t eine Bombenlast von 1500-2500 kg über eine Reichweite von 2000 km befördern. Dabei erreichte die Ju 89 eine Vmax von 410 km/h in 4 km Höhe. Die Dienstgipfelhöhe betrug dabei 8500 m. Durchaus beachtliche Werte, wenn man noch die Nutzlast-Weltrekorde in Betracht zieht. (Quelle: JFM AG, Juli 1936, Der heutige Stand der Flugzeugentwicklung/4-motoriger Großbomber Ju 89)

Mein lieber Junkers-Peter: "Gedankenlos Schlagwörter übernommen", "für mehr aber auch nicht" ist schlicht eine Unverschämtheit! Richard Overy hat beispielsweise einen Aufsatz veröffentlicht namens "From ‘uralbomber’ to ‘amerikabomber’: The Luftwaffe and strategic bombing" - wenn Du meinst, das sei ein Schlagwort, dann solltest Du Dich vielleicht mit der Bedeutung von Sekundärliteratur in der wissenschaftlichen Arbeit befassen.

Ich bemühe mich, hier etwas Sinnvolles beizutragen, aber das hier ist ein Internet-Forum - kein wissenschaftlicher Kongress. Ich selber habe wissenschaftliches Arbeiten gelernt, aber ich kann und will nicht zu jedem Thema einer Hobby-Angelegenheit erst ins Archiv laufen. Ich schätze Deine Kenntnisse, ich sehe aber den Zweck Deiner verbissenen Art und Deine Unfreundlichkeit nicht ein: Ein Steckenpferd zu Tode reiten, macht keine Freude ohne Publikum.

Gruß Rainer
 
Junkers-Peter

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Sollte nicht unverschämt rüberkommen. Wenn du den Eindruck hattest, tuts mir leid. Und ich anerkenne deine Bemühungen um eine niveauvolle Diskussion hier ohne Einschränkung.

Die Bedeutung von Sekundärliteratur ist mir durchaus bewußt. Hier muss man aber in der Qualität abwägen zwischen den verschiedenen Autoren. Und die jahrelange Erfahrung hat mich gelehrt, besonders bei Autoren aus dem anglo-amerikanischen Raum in Sachen deutsche Luftrüstung sehr zurückhaltend zu sein.

edit:
Ansonsten wäre es interessant, den Ursprung des Begriffs "Uralbomber" herauszufinden. Würde mich nicht wundern, wenn die aus der Nachkriegszeit und aus der Feder von Green/Heumann stammt, wie so viele andere "Erfindungen" der beiden.
 
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"Eine weitere oftmals vorkommende Fehlinterpretation findet sich in der Bewertung der Geschehnisse um die Verschrottung der viermotorigen schweren Fernbombermodelle vom Typ Junkers Ju89 und Dornier Do19 im Frühjahr 1937. Die Überlegung eines „strategischen“ Einsatzes der eigenen Luftstreitkräfte gegen feindliche Industriezentren und Verkehrsknotenpunkte hatte, entgegen der weit verbreiteten Ansicht, die Luftwaffe hätte keinerlei strategische Konzeption besessen, auch vor dem Generalstab nicht halt gemacht. Bereits im Sommer 1934 hatte Wever die Entwicklung eines viermotorigen Langstreckenbombers angeordnet, dessen Aktionsradius bis zum Ural oder nach Schottland reichen sollte. Die daraufhin entstehenden Prototypen wurden jedoch 1937 auf Befehl Kesselrings mit Görings Einverständnis verschrottet (...)

Tatsächlich waren die Do19 und Ju89 so untermotorisiert, dass sie noch weit davon entfernt waren, die Grundlage für einsatzbereite Kampfflugzeuge abzugeben. Es ist gesichert, dass bereits zu Wevers Lebzeiten entschieden wurde, "dass Fernbomberprojekte den Schnellbombern nachzuschalten" seien und der Wunsch Wevers nach Schaffung einer strategischen Bomberflotte sowieso zurückgestellt werden musste, da die notwendigen Motoren noch nicht lieferbar waren."

Heinrich Koppenberg schrieb dazu nach dem Krieg: "Die Ju89 galt als für den militärischen Bereich nicht ausgereift und wurde deshalb eingestellt."

(Ernst Stilla: Die Luftwaffe im Kampf um die Luftherrschaft)

Gruß Rainer
Ural-Bomber – Wikipedia
.....
James Corum behauptet, dass es entgegen der landläufigen Meinung nicht Kesselring war, der das Konzept des Ural-Bombers zunichte machte; Vielmehr war es Hermann Göring, der auf Anraten von Kesselring, Ernst Udet und Erhard Milch die Entwicklung strategischer Bomber in Nazi-Deutschland vor Beginn des Zweiten Weltkriegs einstellte.......
Milch wollte, dass das Projekt einfach deshalb abgebrochen wird, weil die deutsche Flugzeugindustrie zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage war, eine große Flotte schwerer Bomber zu bauen, und dies auch bleiben würde. So legte Göring das Projekt auf Eis und soll später gesagt haben: "Der Führer wird mich nie fragen, wie groß unsere Bomber sind, sondern wie viele wir haben.".....
(So auch bei Ernst Stilla)

In der Rückschau kann man sagen, dass es im DR keine Kapazitäten für strategische Bomber gab. Man war noch nicht einmal in der Lage die He-177 dafür anzupassen und zu nutzen als man Ende 1941 militärisch scheiterte.
 
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Sollte nicht unverschämt rüberkommen. Wenn du den Eindruck hattest, tuts mir leid. Und ich anerkenne deine Bemühungen um eine niveauvolle Diskussion hier ohne Einschränkung.

Die Bedeutung von Sekundärliteratur ist mir durchaus bewußt. Hier muss man aber in der Qualität abwägen zwischen den verschiedenen Autoren. Und die jahrelange Erfahrung hat mich gelehrt, besonders bei Autoren aus dem anglo-amerikanischen Raum in Sachen deutsche Luftrüstung sehr zurückhaltend zu sein.

edit:
Ansonsten wäre es interessant, den Ursprung des Begriffs "Uralbomber" herauszufinden. Würde mich nicht wundern, wenn die aus der Nachkriegszeit und aus der Feder von Green/Heumann stammt, wie so viele andere "Erfindungen" der beiden.
Ok, Schwamm drüber!
 
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Ansonsten wäre es interessant, den Ursprung des Begriffs "Uralbomber" herauszufinden. Würde mich nicht wundern, wenn die aus der Nachkriegszeit und aus der Feder von Green/Heumann stammt, wie so viele andere "Erfindungen" der beiden.
Den Begriff "Uralbomber" kenne ich schon seit Jahrzehnten, aber wo ich den das erste Mal bewusst wahrgenommen habe, weiß ich nicht mehr, Green/Heumann waren es sehr sicher nicht.
So wie ich das heute verstehe, war das auch keine offizielle Bezeichnung, sondern eher ein Spitzname für einen Bomber, der bis zum Ural kam.
Der "Uralbomber" kommt auch heute noch in Literatur mit wissenschaftlichem Anspruch vor, u.a. bei dem schon erwähnten Richard Overy, der einer der renommiertesten Geschichtsforscher zu Kriegen im 19. und 20. Jehrhundert ist und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kein "Abschreiber".

In seinem Buch "Der Bombenkrieg Europa 1939 - 1945" schreibt er z.B.

Die Geschichte des sogenannten "Uralbombers" ist recht langatmig....
Laut Andreas Nielsen, einem der deutschen Luftwaffenoffiziere, die später von der amerikanischen Luftwaffe beauftragt wurden, historische Studien über den Krieg zu schreiben, war Wever davon überzeugt, dass die wichtigen Ziele die sowjetische Industrie sowie die äußersten Gebite des europäischen Russlands seien und sogar darüber hinaus in den sibirischen Regionen östlich des Urals lägen.
Zwei Unternehmen, Junkers und Dornier, wurden beauftragt, ein Flugzeug zu entwickeln, das schon bald den Spitznamen "Uralbomber" erhielt.
Das Ergebnis waren die Do 19 und die Ju 89, die beide 1936 zu ihrem Erstflug starteten...
 
Hagewi

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Auch der "Uralbomber" stand auf jeden Fall schon in Bekkers "Angriffshöhe 4000", Seite 282. Erstauflage war 1964.

Angeblich hatte schon Wever diesen Begriff verwendet.
 
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Es geht ja um eine Erwähung in zeitgenössischen Dokumenten bis 1945. Und da steht der Nachweis noch aus. Ich bezweifle auch, dass man den finden wird. Selbst wenn es sich um einen Spitznamen gehandelt haben sollte, muss der sich überliefert haben, wenn er nach Kriegsende auftaucht.
Ich habe Ott/Kössler zur Ju 89 überflogen und den Begriff nicht finden können. Kann aber auch sein, dass ich ihn überlesen habe.

Overy: Schwieriger Fall. Ich möchte nur seinen 10-seitigen Aufsatz "Symbole des Blitzkrieges und veraltete Maschinen: Junkers-Flugzeuge im Zweiten Weltkrieg" erwähnen. Erschienen im Sammelband "Dessau 1945. Moderne zerstört" (Leipzig 2014).
Alleine darin sind so viele Fehler, dass ich nur ein paar davon erwähnen möchte:
  • 4555 Exemplare [der Ju 52] gingen an die Luftwaffe, nur 186 an die Lufthansa - komplett falsche Zahlen
  • Die Ju 52 wurde Anfang 1945 aus der Produktion genommen - Das war bereits Mitte 1944 geschehen
  • Ju 88 - die ersten Maschinen waren erst im August 1940 im Einsatz - Erster Einsatz der Ju 88 war bereits im September 1939
  • Bei Kriegsende waren sämtliche Ju 88-Bombergruppen aufgelöst - Es gab noch etliche Verbände mit Ju 88
  • Das im Dezember 1944 eingeführte Modell [Ju 88] G-7... - Die G-7 wurde bis Kriegsende nicht mehr eingeführt.
Das sind nur einige der rein sachlichen Fehler, nicht zu sprechen von den inhaltlichen Fehleinschätzungen von ihm. So ein Autor ist leider komplett raus bei mir, der nicht in der Lage ist, die Fakten richtig zu recherchieren. Es ist schon eine Kunst, so viele Fehler auf so wenigen Seiten unterzubringen. Muss aber jeder selber entscheiden, wen und was er als Quellen nutzt.
 
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Es geht ja um eine Erwähung in zeitgenössischen Dokumenten bis 1945. Und da steht der Nachweis noch aus. Ich bezweifle auch, dass man den finden wird. Selbst wenn es sich um einen Spitznamen gehandelt haben sollte, muss der sich überliefert haben, wenn er nach Kriegsende auftaucht.
Ich habe Ott/Kössler zur Ju 89 überflogen und den Begriff nicht finden können. Kann aber auch sein, dass ich ihn überlesen habe.

Overy: Schwieriger Fall. Ich möchte nur seinen 10-seitigen Aufsatz "Symbole des Blitzkrieges und veraltete Maschinen: Junkers-Flugzeuge im Zweiten Weltkrieg" erwähnen. Erschienen im Sammelband "Dessau 1945. Moderne zerstört" (Leipzig 2014).
Alleine darin sind so viele Fehler, dass ich nur ein paar davon erwähnen möchte:
  • 4555 Exemplare [der Ju 52] gingen an die Luftwaffe, nur 186 an die Lufthansa - komplett falsche Zahlen
  • Die Ju 52 wurde Anfang 1945 aus der Produktion genommen - Das war bereits Mitte 1944 geschehen
  • Ju 88 - die ersten Maschinen waren erst im August 1940 im Einsatz - Erster Einsatz der Ju 88 war bereits im September 1939
  • Bei Kriegsende waren sämtliche Ju 88-Bombergruppen aufgelöst - Es gab noch etliche Verbände mit Ju 88
  • Das im Dezember 1944 eingeführte Modell [Ju 88] G-7... - Die G-7 wurde bis Kriegsende nicht mehr eingeführt.
Das sind nur einige der rein sachlichen Fehler, nicht zu sprechen von den inhaltlichen Fehleinschätzungen von ihm. So ein Autor ist leider komplett raus bei mir, der nicht in der Lage ist, die Fakten richtig zu recherchieren. Es ist schon eine Kunst, so viele Fehler auf so wenigen Seiten unterzubringen. Muss aber jeder selber entscheiden, wen und was er als Quellen nutzt.
Ich kann den Ärger zwar verstehen, weil jeder seine eigenen Quellen hat.
Doch Vorsicht bei der Kritik. Dazu gehören immer auch die eigenen Zahlen zum Vergleich. Die Produktion in Frankreich lief ja noch weiter.
Junkers Ju 52/3m – Wikipedia
Bis Ende 1939 gab es nicht genügend Ju-88 für ein vollständiges Geschwader und nur vereinzelte Einsätze über der Nordsee.
Junkers Ju-88: Bomber, Aufklärer, Nachtjäger – das vielseitigste Flugzeug der Luftwaffe - WELT
 
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Ural-Bomber – Wikipedia
.....
James Corum behauptet, dass es entgegen der landläufigen Meinung nicht Kesselring war, der das Konzept des Ural-Bombers zunichte machte; Vielmehr war es Hermann Göring, der auf Anraten von Kesselring, Ernst Udet und Erhard Milch die Entwicklung strategischer Bomber in Nazi-Deutschland vor Beginn des Zweiten Weltkriegs einstellte.......
Milch wollte, dass das Projekt einfach deshalb abgebrochen wird, weil die deutsche Flugzeugindustrie zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage war, eine große Flotte schwerer Bomber zu bauen, und dies auch bleiben würde. So legte Göring das Projekt auf Eis und soll später gesagt haben: "Der Führer wird mich nie fragen, wie groß unsere Bomber sind, sondern wie viele wir haben.".....
(So auch bei Ernst Stilla)

In der Rückschau kann man sagen, dass es im DR keine Kapazitäten für strategische Bomber gab. Man war noch nicht einmal in der Lage die He-177 dafür anzupassen und zu nutzen als man Ende 1941 militärisch scheiterte.
Um das noch einmal festzuhalten: Die Entwicklung strategischer Bomber ist vor dem Krieg nicht eingestellt worden. Mit der Absetzung von Ju 89 und Do 19 fiel keine konzeptionelle Entscheidung, denn praktisch zeitgleich ging eine neue Ausschreibung für einen schweren Bomber heraus, aus der dann schon 1937 das Heinkel Projekt P 1041 entstand. Man hatte aufgeschoben, weil man gerade in einer so frühen Phase der Aufrüstung personell und rohstoffmäßig nicht alles auf einmal machen konnte. Diskussionen über Fehlende Weitsicht im RLM und "Verhaftung in traditionellem Heeresdenken" erübrigen sich also. Man kann im Gegenteil sagen: Von 1934 bis 1944 waren in Deutschland immer strategische Bomber in der Entwicklung und wurden von der obersten Führung immer wieder gefordert. Der Grund dafür, dass sie nie zum Tragen kamen, lag allein in der Technik begründet. Am 9.6.44 heißt es in der GL-Sitzung: "Sie (die He 177) auf Fernziele einzusetzen, ist zum großen Teil eine Utopie."

Gruß Rainer
 

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Dornier Do 19 – Wikipedia
und
Von der Dornier Do 19 zur Heinkel He 177: das Scheitern der deutschen schweren Bomberentwicklungen - luftfahrt24
Da gibt es weitere Details und sicherlich gab es keine Ausschreibung mit dem Namen ,,Ural-Bomber". Immerhin schien es ein informeller Name zu sein, der bis heute fortlebt und die Phantasie beflügelt.
Das DR hatte nie die Devisen, um alle Rüstungsprojekte zu realisieren. Auch die entscheidende Motorenindustrie schaffte es gerade erst den Anschluss an die rasante Entwicklung in den 30igern zu erreichen. Die Erkenntnisse aus Spanien schienen ja den Königsweg für eine eher taktische Luftwaffe zu weisen.
 
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HolgerXX

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Danke Sens für den Beitrag zum Thema.

James Corum behauptet, dass es entgegen der landläufigen Meinung nicht Kesselring war, der das Konzept des Ural-Bombers zunichte machte; Vielmehr war es Hermann Göring, der auf Anraten von Kesselring, Ernst Udet und Erhard Milch die Entwicklung strategischer Bomber in Nazi-Deutschland vor Beginn des Zweiten Weltkriegs einstellte.......
Dazu fällt mir Folgendes ein:
1) Der Satz aus den englischsprachigen Wikipedia widerspricht sich selbst. Denn die Entscheidung Görings wird sehr wohl auf den Einfluss unter anderem Kesselrings zurückgeführt.
2) Für diesen und den folgenden Satz: "Kesselring was a vocal supporter of twin engine bombers and backed up Udet who preferred dive bombers."
(und überhaupt) liefern die englischsprachigen Wikipedia keine Originalquellen.
3) James Corum hat mehrere Veröffentlichungen zur Luftwaffe abgeliefert. Aus welcher die englischsprachigen Wikipedia zitieren, ist nicht ersichtlich. Ich könnte die Prüfung dieser Veröffentlichungen auf meine Agenda setzen. Jedoch werde ich das Gefühl nicht los, dass auch Corum wieder nur von anderen Werken, die ihrerseits keinen Bezug zu Originalquellen herstellen, abgeschrieben hat.

Grüße, Holger
 

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Der Oberbefehlshaber und damit Hauptverantwortliche war Göring. Der für die Umsetzung Verantwortliche war Milch. Der Organisator des Aufbaus war Wever und nur durch seinen vorzeitigen Tod kam der Funktionsträger Kesselring in dessen Position, die zu dem eine zeitlich beschränkte war.

"Als erstem Generalstabschef der Luftwaffe kam Wever damit die Aufgabe zu, in Anlehnung an die Ideen Douhets die Grundsätze der strategischen wie auch taktischen Luftkriegführung zu entwickeln und die technischen Vorgaben für den Bau moderner Flugzeuge festzulegen. Um die strategische Bedeutung der Luftwaffe zu unterstreichen, ließ er neben Stukas, Jagdflugzeugen und kleineren Bombern auch viermotorige Bomber entwickeln, die er Uralbomber (Ju 89 und Do 19) nannte. Nach neueren Forschungen ließ er dieses Projekt jedoch wenige Wochen vor seinem Tod stoppen, als ihm immer klarer wurde, dass sich das Regime auf Kriegskurs befand." [Ob man diesen von mir markierten Satz so stehen lassen kann ist müßig, dafür sorgten ja schon die Produktionszwänge jener Zeit.]
"Trotz der Schwierigkeiten, die der schnelle Aufbau mit sich brachte, waren die Jahre 1933 bis 1936 durch eine effektive Zusammenarbeit der führenden Männer im Reichsluftfahrtministerium geprägt; der mit Ämtern überhäufte Göring ließ seinen Mitarbeitern Erhard Milch, Wilhelm Wimmer und Walther Wever größtenteils freie Hand. Die Luftrüstung dieser Jahre berücksichtigte (mehr als bei Heer und Marine) wirtschaftliche Faktoren (Kosten, Produktionskapazitäten u. Ä.) der Rüstung. Rüstungsschwerpunkt waren taktische Bomber; daneben erkannte man die Bedeutung der strategischen Einsatzmöglichkeiten (Wever als Chef des Luftkommandoamtes erklärte 1935 in seiner »Vorschrift zur Luftkriegführung«, dass die Aufgaben der Luftwaffe in der Offensive gegen die „Kampfkraft des Gegners, also gegen die feindliche Luftwaffe und dann gegen die Kraftquellen der feindlichen Armee“ liegen, und ließ deswegen Richtlinien für die weitere Entwicklung eines strategischen Bombers erstellen).[4]

Nach Wevers Tod bestimmte Göring Generalleutnant Albert Kesselring zu dessen Nachfolger. Gleichzeitig wurde der Generalstab nun Göring direkt unterstellt.[5] Damit wurde die Position von Milch als stellvertretender OB der Luftwaffe im täglichen Dienstgeschäft faktisch beendet; er sprang in dieser Funktion nur noch in echten Bedarfsfällen für Göring ein.[6] Göring mischte sich ab 1936 stärker in die Amtsgeschäfte ein und begann, die drei höchsten Luftwaffenoffiziere gegeneinander auszuspielen."
Walther Wever (General) – Wikipedia

Zum Zuge kam die Entwicklungsrichtung, die sich kurzfristig verwirklichen lies.
 
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Ansonsten wäre es interessant, den Ursprung des Begriffs "Uralbomber" herauszufinden. Würde mich nicht wundern, wenn die aus der Nachkriegszeit und aus der Feder von Green/Heumann stammt, wie so viele andere "Erfindungen" der beiden.

General Paul Deichmann war zwischen 1934 und 1937 in der Führungsabteilung des Generalstabes tätig. Er schreibt in seinem Buch "Der Chef im Hintergrund" Folgendes:

"Trotz allem wurden die viermotorigen Bombermuster Junkers Ju 89 und Domier Do 19 weiterentwickelt. In der Führungsabteilung liefen sie unter dem Schlagwort »Uralbomber«. Diese Bezeichnung sollte sich bald als vollauf berechtigt erweisen. Es war im Frühjahr 1936. Wir hatten die »Aufmarsch- und Kampfanweisungen« für dieses Jahr fertig, und die Schrift war bereits gedruckt und sollte verteilt werden, als Göring sie plötzlich anhalten ließ. Auf seinen Befehl mußte ein Zusatz aufgenommen werden, in dem die Möglichkeit eines Krieges mit Rußland vorgesehen war." (S.66)

Kesselring verwendet den Begriff in einer Stellungnahme vom 17. 3. 1954 zur Absetzung Do 19 / Ju 89, die auf Seite 83 abgedruckt ist: "Die Programmstellung (zum Beispiel Uralbomber) ging der Zeit und der politischen Konzeption um Jahre voraus. Dafür deckte sich die politische Programmstellung mit den erreichbaren technischen Leistungen, sie war kontinental mit den für den kontinentalen Krieg gegebenen Einschränkungen für die Luftstrategie."

Ich denke, das macht es ziemlich evident, dass "Uralbomber" ein zeitgenössischer Begriff aus dem Luftwaffen-Generalstab ist.

Deichmann bestreitet übrigens vehement Kesselrings Behauptung, dass Rohstoffmangel zur Absetzung der Fernbomber zwang.

Gruß Rainer
 

HolgerXX

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Danke Rainer, sehr gut!:thumbsup:

Grüße, Holger
 
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Zur Rolle Kesselrings in der Viermot-Frage schreibt Deichmann:

"Zu meinem größten Erstaunen erfuhr ich nach dem Krieg, daß die Initiative zur Absetzung des Langstreckenbombers von meinem Chef Generalleutnant Kesselring ausgegangen war. Davon hatte weder Göring noch Milch während meines Vortrags etwas durchblicken lassen. Daß der Chef des Generalstabs es versäumt hat, seine Führungsabteilung zu dieser Entscheidung zu hören oder wenigstens davon in Kenntnis zu setzen, war nicht nur ein Verstoß gegen die Dienstordnung, sondern zeigte auch, daß er sich damals über die Bedeutung einer langfristigen strategisch-technischen Planung nicht im klaren gewesen ist (…)

Die These Kesselrings von der »politischen Programmstellung« entsprach 1936/37 nicht mehr der Wirklichkeit. Im Mai 1936 war Abessinien unter dem italienischen Angriff zusammengebrochen. Seit November kämpften deutsche und italienische Verbände im spanischen Bürgerkrieg. Auf einer Besprechung mit den Amtschefc des RLM am 3. Dezember 1936 erklärte Göring, es sei fraglich ob ernsthafte Verwicklungen, wie ursprünglich geplant, bis zum Jahre 1941 vermieden werden könnten. »Wir befinden uns bereits im Krieg - nur wird noch nicht geschossen. Die allgemeine Lage ist sehr ernst. Rußland will den Krieg, England rüstet auf.« Daß Hitler keinen Krieg mit Großbritannien wollte, war bekannt. Aber ob England neutral bleiben würde, falls es zu Verwicklungen mit Frankreich und der Tschechoslowakei kam, wurde zumindest vom Generalstab des Heeres bezweifelt. Die strategisch-technische Planung auf einen kontinentalen Krieg zu beschränken, war also generalstabsmäßig nicht zu verantworten."

Angesichts der Bedeutung dieser rüstungswirtschaftlichen und konzeptionellen Entscheidung, kann man aber nach meiner Meinung davon ausgehen, dass weder Kesselring, noch Göring hier entscheidend waren, sondern dass dieser Entschluss nur nach Rücksprache mit Hitler gefallen sein kann, der ja bis September 1939 in der Erwartung lebte, einen Krieg gegen England vermeiden zu können. Möglicherweise spielte in diesem Entscheidungsprozess auch eine Rolle, dass man vom neuen "Standardbomber" der Luftwaffe, der Ju 88, eine deutlich größere Reichweite erwartete, als sie nachher Wirklichkeit wurde.

Gruß Rainer
 

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Deichmann als Zeitzeuge, der sich erst nach Kriegsende in dieser Form äußert ist mit Vorsicht zu genießen! Es ist zu beachten, welche Dienststellung er 1936/37 hatte und damit Zugang zu den jeweiligen Informationen.
Der schwere Bomber der Briten jener Zeit war die Vickers Wellington – Wikipedia als Standard Bomber des Bomber Command. Das deutsche Gegenstück die Junkers Ju 88 – Wikipedia und Zeitgleich die Heinkel He 111 – Wikipedia
Der Erstflug der jeweiligen 4-mot samt notwendigen Motorisierung gab es auf beiden Seiten ab 1939. Nur die Amerikaner schafften es noch bis 1939 ihre Boeing B-17 – Wikipedia einsatzreif zu machen.
Die zeitgleiche Entwicklung in der SU hat da, die Iljuschin DB-3 – Wikipedia und die Petljakow Pe-8 – Wikipedia Da sind die jeweiligen Zahlen selbsterklärend.
 
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Kesselrings Rolle bei der Absetzung der schweren Bomberprojekte 1937: ungeklärt

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