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Schweiz fordert von Wien Luftraumabkommen für Fußball-EM
Luftwaffenchef Knutti im STANDARD-Interview: "Die Zeit wird knapp" - Verteidigungsministerium: EURO '08 "in Planungsphase"
Wien – Bei der EURO 2008 muss die Republik nicht nur in den Stadien für Ordnung sorgen, sondern auch darüber – und den Luftraum sichern. Walter Knutti, Kommandant der Schweizer Luftwaffe, bedauert im Interview mit dem Standard, dass Österreich – im Gegensatz zu Frankreich, Italien und Deutschland – noch keinen Vertrag zur gemeinsamen Luftraumüberwachung mit dem Ausrichtungspartner Schweiz zustande gebracht hat: „Die Arbeiten zu einem entsprechenden Vertragswerk wurden 2005 gestartet und durch Österreich aufgrund der politischen Lage leider sistiert“, erklärt der Luftwaffenchef. Und er mahnt: Die Zeit werde knapp, „denn ein solches Abkommen“ müsse von beiden Parlamenten „ratifiziert werden“. Die Vereinbarungen mit den anderen Nachbarländern wären in der Schweiz bereits „in der parlamentarischen Behandlung“.
Das Wiener Verteidigungsministerium gibt zu, man befände sich im Hinblick auf die Fußball-EM noch in der „Planungsphase“, beschwichtigt aber: Die Kooperation habe bisher gut funktioniert, „dementsprechend sind alle notwendigen Abstimmungen im Hinblick auf die EURO 2008 im Laufen und im Zeitplan.“
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STANDARD: Die Republik Österreich hat 18 Eurofighter bestellt und verhandelt nun mit dem Hersteller über eine Reduktion der Stückzahl. Ihre Expertise: Wie viele Abfangjäger braucht es, um einen Luftraum von unserer Größe zu sichern?
Knutti: Das ist eine Frage, die von der österreichischen Regierung beantwortet werden muss. Diese benötigt bestimmt keine Ratschläge vom Schweizer Luftwaffenchef. Grundsätzlich kann man aber festhalten: Es gibt verschiedene Sicherheitsszenarien, die die Anzahl von Abfangjägern variieren lässt.
STANDARD: Die Schweiz ist halb so groß wie unser Land, hat aber mehr als 80 Jagdflugzeuge. Wozu diese Riesenflotte?
Knutti: Diese Zahl ist zu relativieren. Die Schweiz verfügt über 33 Hornet. Diese vielseitigen Kampfflugzeuge sind für unseren Luftpolizeidienst bestens geeignet. Dazu hat unsere Luftwaffe 54 Tiger, zwölf Maschinen davon sind an Österreich ausgeliehen, ein weiterer Teil wird für Schulungszwecke gebraucht. Den Tigers, die bald aus Altersgründen ausgemustert werden, kommt „nur“ eine unterstützende Rolle der Hornet zu, weil ihnen die Nachtflug-, Schlechtwetter- und Look-down-Fähigkeiten fehlen.
STANDARD: Das klingt alles nach einer permanenten Kampfjet-Präsenz am Schweizer Himmel.
Knutti: Unseren Vorstellungen nach ist eben eine angemessene Luftraumraumüberwachung mit „nur“ 33 modernen Flugzeugen nicht aufrechtzuerhalten. Unsere Modellrechnungen zeigen, dass für die Schweiz – bei den gegebenen Wartungszyklen, adäquaten Trainings für die Piloten und der Leistungsfähigkeit der Maschinen – eine Flottengröße von rund 66 modernen Flugzeugen nötig wäre. In naher Zukunft wird die Politik zu entscheiden haben, ob und wie die Tiger ersetzt werden. Mit einem Tiger-Teilersatz könnte dieses Ziel erreicht werden.
STANDARD: Liegt Ihre hohe Anzahl an Jagdflugzeugen nicht auch einfach daran, dass die Schweiz die Neutralität viel ernster nimmt als Österreich?
Knutti: Wegen der Kleinräumigkeit der Schweiz und den daraus resultierenden kurzen Vorwarnzeiten ergibt sich für uns ein Bedarf erhöhter Alarmbereitschaft. Aber natürlich sind wir auch als bündnisfreies, neutrales Land aus völkerrechtlicher Sicht dazu angehalten, selbst für die Integrität der Landesgrenzen zu Luft und Boden zu sorgen. Souveränität im Luftraum kann aus Schweizer Sicht nicht delegiert werden.
STANDARD: Übertreibt es die Schweiz nicht ein bisschen, wo man doch von lauter friedlichen Nachbarn umgeben ist?
Knutti: Nein. In puncto Abfangjäger haben viele westliche Länder durchaus vergleichbare Flottengrößen: Belgien, Holland und Dänemark etwa – ich möchte aber festhalten, dass aufgrund der genannten Argumente letztlich keine Verbindung zwischen Landesgröße und Anzahl an Abfangjägern allein hergestellt werden kann. Aus meiner Sicht ist ein solcher Vergleich unzulässig.
STANDARD: Ihre Landsleute stören die vielen Jets nicht?
Knutti: Natürlich gibt es auch in der Schweiz nicht nur Befürworter der Luftwaffe. Aber es gab auch positive Plebiszite: Am 6. Juni 1993 etwa, als das Schweizer Stimmvolk der Beschaffung der Hornet mit 57 Prozent zustimmte. Nun steht das nächste Plebiszit an: Vorraussichtlich 2008 kommt die Volksinitiative „Gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten“ zur Abstimmung.
STANDARD: Hat eigentlich jemals einer Ihrer Jets die so genannte „Güteprüfung“ vor der Abnahme nicht bestanden?
Knutti: Ja, einmal: Mitte der 1950er-Jahre entwickelte und baute die Schweiz mit dem P-16 ein eigenes strahlgetriebenes Erdkampfflugzeug. Technische Probleme führten jedoch zu einer Stornierung der Bestellung durch die Luftwaffe. Stattdessen kaufte die Schweiz Hawker Hunter.
STANDARD: Gab’s auch einmal Probleme mit der Ausstellung von Lizenzen?
Knutti: Mir ist jedenfalls kein Fall bekannt.
STANDARD: Warum genau will die Schweiz von Österreich die gemieteten F-5-Jets zurück?
Knutti: Wie Sie wissen, läuft der Vertrag mit Österreich Ende Juni 2008 aus. Die zwölf F-5 wurden als nachbarschaftliche Hilfe Österreich für eine befristete Zeit zur Verfügung gestellt. Da wir aus politischer Sicht betreffend einen Tiger-Teilersatz in einer ungewissen Situation sind, muss die Luftwaffe nun als Worst Case Szenario mit der Tiger-Flotte planen. Die Flugzeugzelle der Schweizer Tiger ist auf 4000 Flugstunden ausgelegt, diese Kampfjets haben heute schon zwischen 2500 und 3000 Flugstunden auf dem Buckel. Um die Lebensdauer der Tiger-Flotte zu verlängern, benötigt die Luftwaffe die Maschinen, denn dann sinkt die Zahl der Flugstunden pro Stück.
STANDARD: Anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2008 haben die Nachbarländer vereinbart, in puncto Luftraumüberwachung zu kooperieren. Im Gegensatz zu Frankreich, Italien, Deutschland hat Österreich noch kein Abkommen mit der Schweiz ratifiziert. Aus Ihrer Sicht kontraproduktiv?
Knutti: Die Arbeiten zu einem entsprechenden Vertragswerk wurden 2005 gestartet und durch Österreich aufgrund der politischen Lage leider Ende 2005 sistiert. Dies ist selbstverständlich zu akzeptieren. Weil aber Landesgrenzen für die Sicherheitsvorsorge in der Luft keine Rolle spielen, sind solche Abkommen – vor allem im Hinblick auf die EURO 2008 – sehr wichtig.
STANDARD: Es eilt also?
Knutti: Wie Sie richtig festhalten, haben wir bereits Vereinbarungen mit Frankreich, Italien und Deutschland – letzteres Abkommen befindet sich derzeit bei uns in der parlamentarischen Behandlung. Ich bin zuversichtlich, dass Österreich und die Schweiz das auch noch schaffen werden. Allerdings wird die Zeit knapp, denn ein solches Abkommen muss von den Parlamenten ratifiziert werden.
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Zur Person
Walter Knutti (59) ist seit 1. 1. 2006 Kommandant der Schweizer Luftwaffe. Der gelernte Flugzeugmechaniker und Jus-Absolvent der Uni Basel ist seit 1982 bei der Fliegerabwehr. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.6.2007)
http://derstandard.at/?id=2903539...Aus dem Verteidigungsministerium von Norbert Darabos (SPÖ) hörte man bisher bloß, dass man das Überwachungskonzept den Entwicklungen anpassen werde, denn Einsätze mit Eurofightern seien nach derzeitigem Stand natürlich nicht geplant. Mit gutem Grund: Weil Minister Darabos mit dem Hersteller derzeit noch über eine Reduktion der Stückzahl verhandelt, steht noch in den Sternen, wie viele der Jets Österreich im nächsten Juni im Rahmen einer Luftkooperation für die Euro 2008 aufbieten kann.
„Wir sind erst in der Planungsphase“, präzisiert Darabos-Sprecher Answer Lang im Gespräch mit dem Standard. Die gebotene Eile von Schweizer Seite sieht man von österreichischer Seite nicht so streng,...
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Hierzulande wird für die Luftstreitkräfte jedenfalls der Raum um die Spielstadien in Wien, Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt die Prioritätsstufe 1 haben.
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:D
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