Während sich die Einsatzdauer der beiden Rover nun der 900 Tage Marke nähert (Herstellergarantie: 90Tage; NASA Erwartung 120 Tage, JPL Hoffnungen 180 Tage), drohen die beiden Rover nun Opfer ihres eigenen Erfolges zu werden.
Spirit mit einem beschädigten Rad ist davon ironischerweise noch am wenigsten bedroht, den seine etwas eingeschränkte Mobilität und seine andere geographische Position haben zu einer Veränderung seines Missionsprofils geführt.
Anders sieht es aber mit dem immer noch voll einsatzfähigen Opportunity Rover aus. Sobald er es zum Vicotria Krater geschafft hat, wird man eine Reihe von risikobehafteten Entscheidungen treffen müssen, die für Opportunity das Ende bedeuten können. Der Druck, einen Abstieg in den Krater zu wagen, um dort die freiliegenden tieferen Gesteinsschichten zu untersuchen, wird immer größer und die Argumente der Gegenseite werden immer schwächer. Nächsten Monat will man eine Vorentscheidung treffen und es sieht sehr danach aus, als ob der Vicotria Krater die Endstation sein könnte. Dort im Inneren könnte Opportunity noch einmal all seine Messe- und Arbeitssysteme zum Tragen bringen und seine geologische Mission krönen, dafür ist aber ein Abstieg ins Kraterinnere erforderlich. Der Krater ist zwar sechsmal größer als alle die die Rover bislang untersucht haben, aber man darf sich da nicht einen riesigen Einschlagskrater vorstellen. Es wird mit eher sanft abfallenden Hängen gerechnet, die der Rover sehr gut hinabfahren und rutschen könnte, aber möglicherweise nicht mehr hinauf. Ein Opfer, dass die Geologen bereit sind zu erbringen, sie verweisen nicht ohne Grund darauf, dass es primär eine geologische Mission ist. Die Gegenseite, die es mehr als eine technologische Mission sieht, und lieber den Rover noch weiter herumfahren sehen würde, verliert aber zunehmend an Boden. Jenseits des Vicotria-Kraters gibt es keine Ziele, die derzeit als lohnen eingestuft werden, nur kleine Sanddünen von der Art, in der der Rover sich ja schon zweimal festgefahren hat. Die zuständige gemeinsame Führungskommission der NASA, des JPL und der Cornell Universität haben schon vor Monaten die technologische Mission für extrem erfolgreich abgeschlossen erklärt. Dies sollte schon im Vorwege solche Entscheidungen entschärfen. Ein Sprecher vom JPL sagte gestern in einem Webcast, dass man aber keine falschen Schlüsse aus der Diskussion ziehen solle, die Parteien selber stehen sich bei weiten nicht so unversöhnlich gegenüber, wie es bei den jeweiligen Zielen erscheinen mag, teilweise sind es die gleichen Wissenschaftler, die mal die eine und mal die andere Meinung vertreten. Das einzige, was der Technologie-Fraktion nun noch als Argument übrig bleibt ist der Hinweis darauf, dass man durch die zusätzliche Fahrzeit die autonomen Steuerungssysteme verbessern könne, die für zukünftige Systeme von großen Wert sein könnten, die gehe nicht mit Spirit, da bei diesem Rover ein Rad defekt sei. Die Lösung dieses Steuerungsproblems sei zwar auch eine reizvolle und große Herausforderung, aber die Software für den Normalbetrieb sei die wichtigere Aufgabe.
Sicherheit darüber, ob in Abstieg überhaupt möglich ist, wird man aber erst haben, wenn der Rover bis zum Kraterrand vorgedrungen ist und sein zukünftiges Forschungsfeld abfotografiert hat. Vermutlich wird man dann - wenn möglich - Opportunity nach seiner kürzeren Winterpause ins Kraterinnere schicken. Die Technologiemission kann auch hier sehr viel lernen, denn das Innere eines Krater gilt für Geologen immer als äußerst interessante Arbeitsfläche; die Fähigkeit zum Abstieg in einen größeren Krater ist also eine Funktion die auch zukünftige Rover beherrschen sollten. Der Rover wird dann wahrscheinlich für mehrere Monate dort beschäftigt sein. Die Kommunikation wird dabei sehr stark über den im Orbit kreisenden Mary Odyssey erfolgen, da die Erde nicht immer über den Kraterrand seteigen wird.
Dann muss man wieder eine Entscheidung treffen, nämlich wie viel Zeit man im Krater investieren und wie man sie verteilen will. Da die Technik - auch wenn im Augenblick nichts darauf hindeutet - im Prinzip jeden Tag ausfallen könnte, wird man zunächst einen Schnelldurchgang aller besonders interessanter Stellen machen, um schnell das Maximum an diesen Daten zusammeln. Wenn dann noch Einsatzzeit bleibt, wird man vertiefende Studien betreiben. Wenn man sich entschließt, im Krater zu bleiben, könnte man ihn - im Rahmen des Möglichen - bis ins letzte Detail erforschen, oder - und danach sieht es derzeit aus - als Konzession an die Technologiefraktion einen Aufstiegsversuch machen, den Rover wieder aus dem Kraterinneren zum Kraterrand hochfahren lassen. Die Gefahr, dass sich der Rover hierbei festfährt ist durchaus gegeben, einen Sandhügel kann man auf der Oberfläche gleitend runterrutschen, zum Hochfahren muss man Bodenhaftung haben, die Räder würden sich also möglicherweise dauerhaft und unrettbar eingraben und wenn sie dann kein Grund finden, wäre die Fahrmission zu Ende. Für diesen Fall gibt es für beide Rover die Anweisung in eine statische Mission überzugehen und mit Wetterbeobachtungen und Fotoaufträge für großflächige Panoramabilder fortzufahren.
Für Spirit sieht die Herausforderung etwas anders aus, die Fahrspezialisten müssen eine Möglichkeit finden, den Rover ohne sein beschädigtes sechstes Rad fahrtüchtig zu halten und solche Strecken zu finden, die den Rover - nach seiner Winterpause - zu weiteren lohnenden Zielen bringt. Es gibt ein Feld von zerklüfteten Steinen in einer gut zu erreichenden Entfernung, die viele Geologen sehr gerne untersuchen würden. Simulationen, wie man mit sechs Rädern, von denen nur fünf funktionieren fahren kann, sind schon sehr weit fortgeschritten. Es bleibt genug Zeit hierfür während der Winterpause.
Das Projekt insgesamt lebt von der intensiven Beteiligung der Cornell Universität, die aus fast jedem Detail ein lohnendes Wissenschaftsprojekt für seine Studenten machen kann. Beim JPL sieht man dies einerseits mit Wohlwollen, hier reift die dringend benötigte nächste Generation von Mitarbeitern heran, anderseits macht es vielen JPL-Angestellten etwas Sorgen, dass die NASA aus Kostengründen immer öfter auch funktionelle Aufgaben an Universitäten abgeben könnte, denn irgendwann könnten es auch Aufgaben sein, die jetzt noch von JPL-Angestellten abgearbeitet werden. Gerade das Entwicklen einer angepassten Fahrsoftware für Spirit sieht man durchaus als Konkurrenz.
Es bleibt also weiterhin spannend auf dem Mars und auch der Erde.