AW: Mitsubishi Regional Jet
Kann mir eigentlich mal jemand erklären warum die Montagehallen alle immer so glänzen!? Ich meine das das Flugzeug noch neu ist ist ja logisch, aber wer leckt denn bitte jeden Abend den Boden sauber
.
Das wird auch nicht nur bei neuen Flugzeugen so gehandhabt, sondern auch bei "gebrauchten". Es trifft auch nicht nur auf Flugzeuge zu, sondern auf nahezu alle hochpräzisen Fertigungen.
Auf hellen, glänzenden und sehr sauberen (!) Flächen sieht man jeden Fremdkörper - ein Alarmsignal für jeden in solchen Stätten Beschäftigten und eine unabdingbare Voraussetzung, um bestimmte Ereignisse zumindest nachhaltig zu erschweren:
Ich stelle vor: "Karli". Ein kleiner Metallspan, der "irgendwo" entstanden ist. Grau, silbrig glänzend, keinen Zentimeter lang, und er wirkt richtig unscheinbar auf dem staubigen Betonfussboden.
Und da kommt auch schon Gunter - ahnungslos tritt er auf den armen Karli, und Karli geht auf Reisen. Zunächst nur wenige Meter, bis er sich nicht mehr halten kann an der nagelneuen Hartgummisohle von Gunters Arbeitsschuhen.
Über zehn Stunden liegt er da (es sieht ihn ja keiner), er langweilt sich schrecklich, der kleine Span. Diese lange Zeit hat sich für den kleinen Kerl aber richtig gelohnt: Der Heiner hat weiche Gummisohlen an seinen Schuhen, mit denen er sich seinem Arbeitsplatz nähert. Er nimmt den gelangweilten Span mit auf eine neue Tour, fast fünf Meter über dem staubigen, dreckigen Betonboden, hoch hinauf auf die Tragfläche eines grossen, glänzend weissen Flugzeuges. Viele Stunden kann der kleine Karli eine Welt ergründen, die er sich unten im Dreck nie erträumen konnte: Grosse, helle Flächen, Kabel und Rohre und Gestänge, die im Licht der grellen Lampen erstrahlten.
Nach vielen Stunden wurde Karli müde, und er konnte sich an Heiners so herrlich weichen Gummisohlen nicht mehr halten. Selig schlief er ein - die ganze Nacht und die Hälfte des nächsten Morgens ...
Dann - plötzlich und mitten im Traum von all dem wunderschönen Erlebten wurde er jäh in die Wirklichkeit gerissen - es folgt ein schrecklicher Sturz in die Dunkelheit: Karli wird nie erfahren, wer mit einer wischenden Bewegungen diesen kleinen Luftzug erzeugt hat, der ihn in die Tiefe eines schrecklich tiefen Spalts befördert. Und es ist vollkommen dunkel dort! Doch das ist noch nicht alles: Karli hängt fest! Eine klebrige Substanz fesselt ihn an Metall. Kein "Abfall" wie er - nein, glänzend, poliert. Und eiskalt.
Karli ist nur ein ein armer Metallspan. Von griechischer Mythologie hat er natürlich keine Ahnung. Er denkt nicht an Prometheus, gefesselt an einen Felsen und den Adler, der an seiner Leber frisst. Er leidet ganz still. Kaum ein Moment der Ruhe, und da bewegt sich schon wieder das kalte, glänzende Metall, an das er gefesselt ist. Und jedes Mal stösst er an dieses schwarze Ding! Es ist viel wärmer, es ist auch nicht so hart - aber es tut doch auch jedes Mal so verdammt weh!
Karlis einziges Glück war: Täglich ging für ihn mehrfach die Sonne auf! Manchmal war es schwaches Licht, manchmal war es sehr kalt, und auch viel Wasser fiel schon auf ihn oder er sah nur Sterne. Aber einem diesem einem Tag - da war alles anders:
Die Geräusche waren wie immer, wenn es Licht werden sollte, aber es wurde nicht hell. Und die Töne waren auf einmal anders - ganz anders! Alles drehte sich. Immer schneller. Und es wurde heiss - und dann kam das Licht. Aber es hatte eine Farbe, die er noch nie gesehen hatte. Und niemals wieder sehen würde ...
Und deswegen sind viele Produktions- und Wartungshallen so sauber, das man die kleinen Karlis möglichst rechtzeitig in Sicherheit bringen kann.
Bernhard