@Friedarrr sehr viele deiner angesprochenen Kritikpunkte kann ich nachvollziehen. Die Schuld brauchst du jedoch nicht bei den Soldaten suchen. Es ist das ganze System, welches kaputt ist. In diesem System haben tagespolitisch korrekte Streamliner das Sagen und erzeugen einen neuen Typus von Soldaten der zu nichts mehr taugt. Wir auf der Arbeitsebene raufen uns die Haare und sprechen diese Punkte an, aber man wird von genau den oben genannten noch für Blöd verkauft.
Ein nicht unwichtiger Punkt war in den Medien der letzten Wochen präsent genug, er heißt Vorbilder/Traditionen.
Ich musste mir die letzten Wochen von der höher bezahlten Einsicht mehrmals erklären lassen wer unsere Vorbilder sind und dass die Soldaten sich Traditionen und Vorbilder aussuchen und diese nicht von oben befohlen werden können.
Unsere glorreiche Bundeswehr hat es jedoch in den letzten 61 Jahren auf ganzer Linie versäumt auch nur im Ansatz einen eigenen Geist zu erschaffen. Wir haben keine Vorbilder zu denen wir aufblicken können. Militärische Leistung ist in dieser postheroischen Gesellschaft schon lange nicht mehr salonfähig. Zu Zeiten des kalten Krieges war alles klar und einfach. Man hatte einen Auftrag. Kämpfen können um nicht kämpfen zu müssen, die Richtung war klar, der Feind hatte einen Namen, ein Gesicht. Disziplin war notwendig, die Welt war analog und als Vorbilder dienten alte Wehrmachtshaudegen, welche zur damaligen Zeit eben noch traditionswürdig waren.
Dann wurden Stück für Stück Vorbilder genommen und man begann die Soldaten in regelmäßigen Abständen zu gängeln. "Klagt nicht, kämpft" wird verboten, wer das nutzt ist ein Nazi. "Treue um Treue" wird verboten, nur Nazis nutzen das. Jetzt wird "Gott mit uns" zum Nazi-Skandal mitten in Afrika. Wer seine Untergebenen so massiv für dumm verkauft, ihnen in den Arsch tritt und ständig Handlungssicherheit nimmt, der muss sich nicht wundern, wenn Soldaten es mit Motivation ganz sein lassen, oder sich neuen, eigenen Vorbildern zuwenden. Die einen blicken weiterhin in die Vergangenheit, versuchen an militärischen Leistungen ihrer Großväter festzuhalten, andere nehmen sich NATO-Partner als Vorbilder, welche sie selbst im Einsatz kennen lernen durften. Bei den Kampfverbänden sind dies eben auch gerne die Erscheinungsformen der "Spezialeinheiten". Silent Professionals. Warum sind wohl Hosengummis für manche völlig out. Der Gefechtsbart ist modern.
Das von dir monierte äußere Erscheinungsbild wird immer mehr zum Selbstläufer in Zeiten in denen Vorgesetzten regelmäßig die Flügel gestutzt werden, wenn sie versuchen eben solche Mängel abzustellen. Es sind Zeiten in denen jeder dahergelaufene Mensch eingestellt wird, weil man vor lauter Personalmangel lieber den Weg "Krücke statt Lücke" beschreitet. Nebenbei muss ja alles "attraktiv" sein. Man möchte Individualist sein, sich hervorheben. Gerne auch in Sachen Anzug und Ausrüstung. Oftmals ist der Dienstherr aber auch gar nicht in der Lage einheitliche Ausrüstung zu beschaffen.
Stubendurchgang ist sowieso so gut wie passé. Ist ja schließlich der Intimbereich des jungen Jobbers. Soldat ist man ja höchstens kurzzeitig in der Grundausbildung zwischen 07:00 bis 16:30 Uhr. Dann ist eh Dienstschluss. Aber auch in der Grundausbildung geht es schon los. Man ist neuerdings auf Du und Du mit dem Zugführer und Gruppenführer. Ist ja auch viel netter so.
Wohlfühlklima ist eben angesagt. Und wenn es regnet nutzt man einen Regenschirm. Nur Idioten würden stumpf weiterhin nass im Regen stehen bleiben, nur um soldatisch zu wirken.
Das alles ist das Resultat einer krankhaften politischen Vorgabe aus Streitkräften ein international tätiges Unternehmen mit tollen Jobs zu machen, aktiv, attraktiv und anders sein zu wollen, vergewaltigter Innerer Führung, Vorgesetzten, welche auf jeder einzelnen Sprosse der Karriereleiter nicht anecken wollen und deshalb jeglicher Konfrontation in Sachen militärischer Ordnung aus dem Wege gehen.
Man macht es sich einfach auf seinem Dienstposten bequem, lebt nach dem Motto "tu du mir nichts, dann tu ich dir nichts" und wartet. Wer nichts macht macht nichts kaputt und die nächste Beförderung ist ja eh garantiert. Passen Zahlen nicht, werden diese geschönigt. Ampel Grün Mentalität lässt grüßen. Wer bei all den Mißständen noch versucht gegen diese Windmühlen und Amtsschimmel anzukämpfen, der wird dann noch von der bürokratischen Lawine überrollt, oder findet im Regulierungswirrwar nicht mehr zurecht.
Und all diese vielen Problemchen, Nadelstiche, geduldeten Inkompetenzen, mangelnde Fehlerkultur führt in letzter Konsequenz dazu, dass wir nicht mal mehr in der Lage sind unser Personal auszubilden. Da sind gerade mal 18 Tiger Piloten die "combat ready" sind doch gerade mal die Spitze des Eisberges.
Kürzlich unterhielt ich mich erst mit einem General über Probleme in der Ausbildung. Und er vertritt genau die gleiche Sicht wie ich. Früher war die Bundeswehr stolz auf ihre Ausbildung. Man wurde immer eine Stufe höher ausgebildet als man gebraucht hat. Es war gute Ausbildung und das Niveau hoch. Bei den NATO-Partnern war man deswegen angesehen. Heute ist das Niveau nicht nur deutlich niedriger, wir haben nicht mal mehr die Möglichkeiten dieses niedrige Niveau zu halten. Man weiß es, man ist jedoch nicht mal mehr in der Lage das zu korrigieren.
Was ist da schon ein Anzug... wir sind seit 61 Jahren ungeschlagen siegreich im Felde.