Schorsch schrieb:
Sag mal mcnoch, was hat es eigentlich mit diesen Startfenstern auf sich? Könnten die Shuttle nicht jederzeit starten?
Hallo Schorsch,
vom rein technischen Standpunkt aus gesehen, könnte jede Rakete zu jedem Zeitpunkt starten, vorausgesetzt natürlich, dass alle sonstigen Start-Parameter (wie z.B. Windbedingungen, etc..) eingehalten werden. Ein bestimmter Zeitpunkt spielt für den reinen Weg ins All keine Rolle.
Will man allerdings nicht nur einfach geradeaus von der Erde wegfliegen, sondern sich mit einen anderen Objekt - sei es nun der Mond oder die ISS - treffen oder schlicht einen bestimmten Punkt in einem bestimmten Orbit um die Erde (z.B. bei geo-synchronen Satelliten) ansteuern, so wird es etwas komplizierter, schließlich müssen sich zwei bewegliche Objekte treffen. Man errechnet also einen Rendezvous-Kurs, an dessen Endpunkt sich beide (die eigene und die des Zielobjektes) Umlaufbahnen so kreuzen oder zumindest soweit annähern, dass man sich mittels der eigenen Steuerdüsen an diesen Zielpunkt bewegen kann. Dabei ist heutzutage auch auf immer mehr große Objekte in erdnahen Umlaufbahnen Rücksicht zu nehmen, mit denen man auf dem Weg ja nicht kollidieren darf. Kurz, diese Berechungen sind sehr komplex und führen bei den in die Rechnung einzustellenden Geschwindigkeiten und Entfernungen zu einem sekundengenauen Wert.
Das wäre nicht nur der optimale Start-Zeitpunkt, sondern für Objekte ohne eigene Steuerungsmöglichkeiten oftmals auch der einzige Start-Zeitpunkt, weil sie sonst keine Chance haben ihr Ziel zu erreichen. Rund um diesen optimalen Start-Zeitpunkt öffnet sich dann das jeweilige Start-Fenster. Wie groß das jeweilige Startfenster ist, hängt einmal von den Besonderheiten der jeweiligen Anflugbahnen und einige weitere Faktoren ab und zum anderen - und dies ist der eigentliche Hauptfaktor - von der Steuerungsfähigkeit der ins All geschossenen Nutzlast.
Satelliten sind meist klein, haben also nur wenig Platz für Treibstoff und sollten daher nur ganz wenig Treibstoff für den Anflug verbrauchen, da ihnen sonst der verbrauchte Treibstoff während ihrer Einsatzzeit für die immer mal wieder notwenigen Positionskorrekturen fehlt. Kann ein Satellit seine Position nicht mehr genau genug einhalten, wird er in den meisten Fällen unbrauchbar. Gesparter Treibstoff bedeutet hier also gewonnene Lebens- bzw. Einsatzzeit. Daraus ergeben sich die sehr kurzen Startfenster bei Satelliten, meist nur einige Sekunden, und die gehen oftmals auch eher auf die Steuerungsfähigkeit des Trägersystems denn der Nutzlast zurück.
Das Shuttle und andere Systeme (z.B. Progress) hingegen sind auf mehrere Kurskorrekturen ausgelegt und haben daher auch mehr Treibstoff für solche Manöver zur Verfügung. Die werden deshalb trotzdem nicht wie Harry auf die Tube drücken und sofort auf Abfangkurs gehen und das Ziel ansteuern, schon allein weil sie dann bei Erreichen der Position sehr viel Energie aufwenden müssten, um sich auf die für diese Zielumlaufbahn erforderliche Geschwindigkeit wieder einzubremsen. Aber sie können häufiger die eigene Umlaufbahn verändern und sich so über mehrere kleine Korrekturen und die damit verbundenen Umlaufbahnen optimal ans Ziel hangeln. Im Endergebnis ist dies nicht immer schneller als bei einem optimalen Startzeitpunkt, aber es ermöglicht ein wesentlich breiteres Startfenster, da man ja eine größere Zahl an Umlaufbahnen ausnutzen kann, um ans Ziel zu kommen.
Sollten wir irgendwann mal Weltraumfahrzeuge haben, bei denen ein sparsamer Einsatz der vorhandenen Energie nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, dann werden auch Startfenster keine Rolle mehr spielen. Solange aber die Trägheit der Masse und die Gravitation noch die Weltraum-Navigation bestimmen, wird es Startfenster geben. Verpasst man eines, muss man auf das nächste warten.
Darum ist diese ganze Debatte um einen Notstart eines zweiten Shuttles auch sehr fadenscheinig, es ist nämlich leider - auch bei vollem Treibstoffeinsatz - nicht gesagt, dass man selbst mit einem Shuttle schnell genug an den Rendezvous-Punkt kommen könnte. Bei zwei voll beweglichen Shuttles wäre dies allerdings schon recht schnell möglich. Aber es kommt eben auf den Notfall an.