Hummerich
Bisher habe ich über die hellen Seiten der Reichssegelflugschule berichtet. Aber es gab auch Dunkele und eine dieser Unsympatischen war der Geist, der in dieser Schule herrschte. Doch auch darüber und über ein sehr schreckliches Erlebnis möchte ich berichten.
Blicken wir zurück. Es war das Jahr 1944. Der Krieg dauerte nun schon 4 Jahre an und die Verluste an Menschen und Material waren enorm. Die Luftwaffe brauchte unbedingt neue Piloten. Die relativ wenigen Reichssegelflugschulen schafften es nicht, den Bedarf zu decken. Also schritt die Luftwaffe zur Selbsthilfe. Sie richtete sogenannte „Fluglager“ ein und bildete die Angehörigen der Flieger-HJ mit aus. Natürlich nicht so komfortabel wie es die Schulen konnten. Das Fluglager, das ich als Anfänger besuchte, bestand aus 2 RAD-Baracken mit je 3 Räume. In der ersten Baracke waren die Küche, die beiden Ausbilder (Verwundete Feldwebel der Luftwaffe, zur Reha in die Heimat abkommandiert) und ein Magazin untergebracht. In der Zweiten waren wir Flugschüler untergebracht. 24 Mann. Wir schliefen in doppelstöckigen Feldbetten auf Strohsäcke.
Nebenan war der Aufenthalts- und Essraum.
Toiletten? Gab es nicht. Aber Beile. Und damit fällten wir einen Baum, sägten 2 Astgabeln ab und rammten sie in kurzen Abständen in den Boden. Den dünnen Baumstamm schälten wir ab und sägten ihn auf Länge und legten ihn auf die beiden Astgabeln. Fertig war der Donnerbalken.
Um unsere Verpflegung kümmerten sich 2 gutproportionierte Muttis aus dem nahen Dorf - und die kochten sehr gut.
Geflogen wurde von 7:00 – 19:00 Uhr, sofern es die Spitfire & Co. es zuließen.
Und diese erschienen rudelweise. Fast täglich. In ca. 10Km Entfernung lag der Flughafen Hangelar und von dort aus stiegen im 10min-Abstand eine V1 auf. Unverkennbar am röhrenden Geräusch der Pulsotriebwerke. Die unterirdischen Abschussrampen suchten sie, um sie zu zerstören. Fanden sie aber nicht, da diese sehr gut getarnt waren. In diesen Zwangspausen saßen wir oben auf dem Hang und schauten den ca. 100 Jägern beim Luftkampf zu.
Morgens um 7:00 hieß es: Antreten zum Appell. Der Fluglehrer ( Feldwebel Krupp) begrüßte uns: „Guten Morgen Jungens“ und wir grüßten zurück mit: „Guten Morgen Herr Feldwebel.“ Nach dem Abzählen hieß es weggetreten und wir gingen zum Hang und begannen mit dem Flugbetrieb.
Nachdem wir (Wir 3 Freunde, Heinz, Toni und ich) diesen Lehrgang absolviert hatten, kam zu unserer freudigen Überraschung die Einberufung zur Reichssegelflugschule Hummerich. Das war eine freudige Überraschung. Wir betrachteten es als eine Auszeichnung.
Die Freude schlug schnell ins Gegenteil um.
Betrieben wurde die Schule vom NSFK, dem Nationalsozialistischem Fliegerkorps. Schul- und oberster Fluglehrer war der Obersturmbannführer Plewe. Auch die beiden Fluglehrerrinnen waren Angehörige des NS-Fliegerkorps.
Das erste, was uns der Obersturmbannführer einpaukte war: Auf den Gängen der Schule herrscht Rechtsverkehr und jeder entgegenkommende Angehöriger der Schule ist mit dem Hitlergruß ( Rechter gestreckter Arm hoch, Fingerspitzen in Augenhöhe) zu grüßen. 3 Schritte vor und 2 Schritte nach der Begegnung. Dabei ist der Kopf nach links zu drehen und den oder die Führer anzusehen. Dieses Grüßen beschränkte sich nicht nur auf die erste Begegnung, sondern hatte bei Jeder zu erfolgen und das rund um die Uhr, egal wie oft und wann.
Mann, war das bescheuert!
Ich könnte noch mehrere, ähnliche Beispiele aufführen. Lasse es aber bei dem Einen, weil man schon an Diesem erkennen kann, welche Arroganz in diesen Kreisen und auf dieser Schule herrschte.
Zum Schluss noch das traurigste Erlebnis aus dieser Zeit: Es war Nacht und wie üblich gab es Fliegeralarm. Einen Luftschutzkeller oder Schutzbunker hatte die Schule nicht. Frühere Flugschüler hatten im Vorgelände Schützengräben ausgehoben in die wir bei Gefahr flüchten konnten, standen aber sonst im Freien.
Wir hörten sie kommen, die viermotorigen Bomber mit dem an- und abschwellenden Brummen der nicht synchronlaufenden Motore.
„Wo wollen die hin?“ fragten wir uns, als das Bombengeschwader Kurs auf uns zu nahm. Wir sollten es bald erfahren, den hinter dem Hummerich leuchtete und krachte es. Schnell stiegen wir zum Gipfel hoch,um zu sehen was da los war.
Vom Hummerich aus hatte man bei Tag einen wunderbaren Ausblick über Koblenz und Umgebung. In dieser Nacht war Koblenz das Ziel dieses Bombenangriffes. Die Erste Welle hatte Brandbomben abgeworfen. Als die Dachstühle richtig brannten kamen weitere Wellen und warfen Sprengbomben ab, die die Brände verteilten, bis ganz Koblenz in Flammen stand. Wir beobachteten mit ohnmächtiger Wut im Bauch das Inferno vom „Logenplatz“ aus. Unsere Gedanken möchte ich hier nicht beschreiben, wurden uns aber einig, das Krieg der größte Wahnsinn ist, den sich Menschen ausdenken.
Damit möchte ich meinen Bericht über die „Reichssegelflugschule Hummerich“ beenden und hoffe, das zukünftigen Generationen die Erfahrungen erspart bleiben, die wir dort machten. Hoffe aber auch, das dieser Bericht dazu beiträgt, das sich mehr Jugendliche –trotz allen zunehmenden Beschränkungen- für diesen wunderschönen Luftsport begeistern werden.
Ende