Swiss und KLM geben nicht ganz freiwillig ihre Selbstständigkeit auf
In der europäischen Luftfahrt werden die Karten neu gemischt. Nicht ganz freiwillig müssen Fluggesellschaften - allen voran Swiss - ihre Selbstständigkeit aufgeben. Die durch Konjunkturschwäche, Terrorangst, Krieg und Sars ausgelöste Branchenkrise beschleunigt die Konsolidierung, aus der Experten zufolge nur drei große Airlines - Lufthansa, British Airways und Air France - hervorgehen dürften.
Dieses Trio spielt denn auch bei der Suche der ums Überleben kämpfenden Swiss die Hauptrolle, genauso wie bei den Annäherungsversuchen der KLM. Im Nervenkrieg um die Swiss jagt eine neue Facette die nächste: Zuletzt hieß es, die Schweizer seien mit British Airways bereits sehr weit, man verhandle über Details.
Nur wenige Tage später stand die Lufthansa wieder im Vordergrund. Von einer Konferenz von Swiss-Präsident Peter Bouw und Lufthansa-Boss Wolfgang Mayrhuber wurde berichtet, aber auch von unterschiedlichen Präferenzen im neunköpfigen Swiss-Verwaltungsrat.
Experten geben freilich zu bedenken, dass die Swiss angesichts ihrer angespannten Finanzlage - 500 Mill. Franken frisches Geld sind unbedingt notwendig - sich nicht viel aussuchen könne. Und die "weißen Ritter" aus Deutschland und von der britischen Insel, beide noch dazu zentrale Pole in unterschiedlichen Allianzen (Lufthansa bei Star Alliance, BA bei Oneworld), spielen mit verdeckten Karten. Zumal sie wohl auf den lukrativen Schweizer Markt schielen - aber dafür sicher nicht viel Geld springen lassen wollen.
Etwas besser ist die Position der KLM. Auf ihrer langen Suche nach einem Allianz-Partner in Europa haben die fliegenden Holländer eine Vorentscheidung getroffen: Die Gespräche mit BA wurden beendet, mit Air France wird nun exklusiv verhandelt. Bis Jahresende will KLM endgültig entscheiden.
Das hieße aber nicht, dass die Gespräche mit Air France bindend seien, und die Verhandlungen mit BA nicht wieder aufgenommen werden könnten, ließ KLM wissen. Also wieder alles offen? Eher ein Schachzug, um die Position gegenüber den Franzosen zu verbessern, sagen Branchenkenner.
Sollte die Annäherung von KLM und Air France tatsächlich über eine Allianz hinausgehen, wäre das die erste mehrheitliche Übernahme einer Fluggesellschaft innerhalb der EU. Bisher sind bei Fluglinien wichtige Landerechte an jeweils nationale Mehrheitsverhältnisse geknüpft, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes könnte dies nun aufbrechen.
Derzeit denkt die französische Regierung freilich "nur" über eine Kapitalverflechung im Zuge der Air-France-Privatisierung nach, schreibt der Branchendienst "L'Agefi". Der Staat könnte im Zuge der geplanten Privatisierung 15 Prozent der Air-France-Anteile an die KLM abgeben und nur 20 Prozent an die Börse bringen. Im Gegenzug erhielte Air France in der gleichen Größenordnung Aktien von KLM - was angesichts des Börsenwerts einer kompletten Übernahme entspreche.
Die KLM ließ wissen, sie halte sich alle Optionen offen, auch die des Aktientausches. KLM flog im letzten Geschäftsjahr einen Verlust von 416 Mill. Euro ein und schrieb auch im ersten Quartal wieder rote Zahlen. Air France, die mit Delta, Alitalia, Korean Air, Aero Mexico und CSA das "Sky Team" bildet, behauptet sich dagegen ganz gut. An der Pariser Börse legten die Aktien seit Jahresbeginn um mehr als 55 Prozent zu.
Ein Zusammenschluss der viertgrößten europäischen Airline KLM mit der zweitgrößten Air France zur größten europäischen Airline wäre auch deshalb leichter als mit British Airways, weil der US-Partner der KLM, Northwest, in der Heimat mit Delta kooperiert, dem US-Partner im Sky Team. Außerdem hat Frankreich anders als Großbritannien mit den Amerikanern ein Open-Skies-Abkommen. British Airways hingegen, bisher die Nummer eins in Europa, gehört zu Oneworld und kooperiert mit American Airlines.
Quelle : die presse.com