Inflationsbereinigt. "Im Jahr 2020 betrug das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts in der Türkei rund 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für das Jahr 2021 wird das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts in der Türkei auf rund 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr prognostiziert."
das ändert nichts daran, dass das Bevölkerungswachstum zuletzt größer war
(für 2020 hab ich noch keine Daten) als das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Um jedem Einwohner seinen Anteil am BIP zu erhalten, müsste (unabhängig von Verteilungskämpfen zwischen Arm und Reich) das BIP Wachstum mindestens genauso hoch sein wie das Bevölkerungswachstum.
Einfach einen Kuchen vorstellen - auch wenn der "inflationsbereinigt"
um 0,92 % (2019) größer wird: wenn die Zahl der Esser (
2019 + 1,39 %) stärker wächst, werden die auf jeden Esser anteilig entfallenden Tortenstücke kleiner.
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Die Regionalmacht Türkei hat ihren militärischen Schwerpunkt im östlichen Mittelmeer. Als Maßstab für die türkische Marine dient dort z.B. die Ägyptische Marine und ihre Kapazitäten.
Es ist ja gerade die Mobilität der Marine, die eine militärische Schwerpunkt-Bildung erlaubt. Man ist ja nicht auf das östliche Mittelmeer beschränkt. Da gibt es ja noch das Schwarze Meer mit seinen Anliegern und nicht zuletzt den persischen Golf.
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A) östliches Mittelmeer:
Die Türkei und Ägypten rivalisieren regional, auch um die Vorherrschaft im sunnitisch-islamischen Raum - stimmt.
Aber Ägypten steht als (von den Saudis und den VAE gesponserte) arabische Führungsmacht im regionalen geostrategischen Vergleich besser da. Die amphibische Flotte der Ägypter erlaubt im Konfliktfall eine schnelle Schwerpunktbildung in den ägyptischen Nachbarländern, die zudem über den Landweg und für Luftlandetruppen gut erreichbar sind.
Etwas anders sieht es in Syrien aus. Da ist die Türkei in der besseren geostrategischen Position, benötigt dann aber auch keine LHDs um in Syrien einzumarschieren. Zumal sich Russland an der syrischen Küste und im Randbereich der türkischen Einflusszone zunehmend mehr festsetzt.
Bleibt Libanon (als ohnehin zahnlos zu vernachlässigen) und Israel:
für einen amphibischen Einsatz ist Israel zu weit entfernt, die Türkei könnte allenfalls versuchen, eine israelische Blockade das Gaza-Streifens zu durchbrechen um dort etwa Hilfsgüter anzulanden - oder selbst die israelischen Küsten zu blockieren.
Den Versuch, eine Seeverbindung zum Gaza-Streifen herzustellen und dazu LHDs und die türkische Marine als Begleitschutz zu nutzen, würde ich Erdogan sogar zutrauen. Es gab schon mal so einen ähnlichen Ansatz (
"Friedensflotte" - 2010 und
2011), der mangels militärischem Schutz der Teilnehmer gescheitert ist.
Das war
kein Ruhmesblatt für die angestrebter islamisch-regionale Führungsrolle und wird Erdogan immer noch nachhaltig ärgern.
B) Schwarzes Meer:
Fangen wir im Uhrzeigersinn an:
Bulgarien und Rumänien sind als NATO-Partner und EU-Mitglieder eher unantastbar, zumal es keine erkennbaren (Grenz-)Konflikte gibt.
Moldawien - da sitzen die Russen im östlichen Teil neben der Ukraine, der westliche Teil wäre eher Einflußsphäre der Rumänen;
Ukraine - ein potentieller Verbündeter, um dessen Absatzmarkt die Türkei wirbt (Drohnen) und kein Gegner;
Russland - die russische Schwarzmeerflotte und Luftwaffe wird im Konfliktfall mit der Türkei das Schwarze Meer dominieren;
Georgien als potentieller Gegner? Da ist man "über Land" und mit Luftlandetruppen schneller da ...
C) Persischer Golf:
Um dort agieren zu können, müsste eine Flotte erst hinkommen - durch den Suezkanal oder um Afrika herum. Als Unterstützer oder Verbündeter von Katar wird sich eine türkische Flotte eher nicht gegen den Iran wenden, sondern mehr zur Abschreckung von Saudi-Arabien und den VAE benötigt.
Da halte ich den Weg durch den Suezkanal (Ägypten ist Verbündeter der Saudis) und entlang der saudischen Küste durch das Rote Meer für wenig zielführend.
Eine türkische Interventionsflotte müsste im Konflikt also den langen Weg um Afrika nehmen. Denkbar - ja, aber realistisch?