Teillastbetrieb von mehrstufigen Verdichtern
Obwohl sich mit steigender Wellenanzahl das Teillastverhalten verbessert, haben bei einem Zwei- oder Dreiwellenkonzept die einzelnen mehrstufigen Verdichter noch ein so schlechtes Teillastverhalten, dass weitere Abhilfemaßnahmen vorgesehen werden müssen. Das Teillastverhalten wollen wir im Folgenden erklären, bevor wir im Anschluss die Abhilfemaßnahmen diskutieren. Dieser mehrstufige Verdichter sei auf den Volllastpunkt AP hin ausgelegt, was üblicherweise so gemacht wird.
Dann stellt sich in Teillast, z.B. beim Anlassen des Triebwerkes, der Betriebspunkt BP1 ein. Nun zeigt sich bei praktisch allen Verdichtern, dass beim Übergang von AP auf BP1 der geförderte Massenstrom m˙ stärker abfällt als die Drehzahl. Wie in Abbildung 4.3 angedeutet, ist gleichzeitig der statische Druckaufbau bei BP1 deutlich geringer, so dass die Dichte im hinteren Teil des Verdichters stärker als der Massenstrom abnimmt und der Volumenstrom damit größer als in AP ist. Daraus folgen die in Abbildung 4.4 gezeigten Geschwindigkeitsdreiecke:
die durchgezogenen Vektoren zeigen die inzidenzfreie Zuströmung der ersten und letzten Stufe im Auslegungspunkt AP. Im Vergleich hierzu kommt es bei BP1 in der ersten Stufe zu einer positiven Inzidenz, da die Axialgeschwindigkeit stärker als u abnimmt. Aufgrund der Zunahme des Volumenstromes bei gleichzeitiger Reduktion von u hat dagegen die letzte Stufe eine deutliche negative Inzidenz. Man erkennt auch, dass die Umlenkung (beta1 − beta2) der ersten Stufe in Teillast zu- und in der letzten abnimmt. Somit treibt die Teillast den Betriebspunkt der vorderen Stufen Richtung Pumpgrenze und den der hinteren Stufen Richtung Sperrgrenze. Aufgrund dieses Phänomens ist es immer extrem schwierig, das Triebwerk in tiefer Teillast zu betreiben, so dass insbesondere beim Anlassen des Triebwerkes in der Regel alle im Folgenden genannten Abhilfemaßnahmen gleichzeitig angewandt werden. Selbst wenn noch ausreichend Abstand zur Pumpgrenze vorhanden ist, führt die beschriebene Fehlanströmung zu erheblichen Wirkungsgradeinbußen, so dass auch deshalb Abhilfe geschaffen werden muss.
Die naheliegendste Möglichkeit, die Fehlanströmung zu beseitigen, besteht in einer Anpassung der Drehzahl. Für die vorderen Stufen ist eine Absenkung der Drehzahl erforderlich, die hinteren Stufen benötigen eine höhere Drehzahl, um den in Teillast verringerten Massenstrom und verringerten statischen Druckaufbau zu kompensieren. Mit dem Dreiwellenkonzept ist dieser Maßnahme allerdings die obere Machbarkeitsgrenze gesetzt. Als zweites könnte die Belastung – sprich, die Umlenkung (beta1 − beta2) – der ersten Stufen im Auslegungspunkt AP von vornherein reduziert und in den letzten Stufen erhöht werden. Somit bestünde im Teillastfall ein größerer Abstand zu den Stabilitätsgrenzen (Pump- bzw. Sperrgrenze). Hierdurch würde aber gerade auf die im kalten vorderen Bereich mit relativ wenig delta h erzielbare Druckerhöhung delta p teilweise verzichtet werden, um dies dann mit viel Aufwand in vergleichsweise ineffektiven hinteren Teil wettzumachen. Das ist keine sinnvolle Lösung.
Die dritte Möglichkeit besteht im Abblasen über die so genannten stability bleeds, am besten im mittleren Bereich des Verdichters. Hierdurch wird der Durchsatz bzw. die Axialgeschwindigkeit im vorderen Teil erhöht und im hinteren reduziert.
Die vierte Möglichkeit ist die sogenannte Leitschaufelverstellung. Sie ermöglicht das Verdrehen der Leiträder. Durch das Zudrehen des Vorleitrades im Teillastbereich kann der erste Rotor wieder inzidenzfrei angeströmt werden. Auch die nachfolgenden „regulären“ Leiträder können gleichermaßen in Teillast zugedreht werden, was sowohl die Zuströmung der nachfolgenden Rotoren als auch deren eigene Zuströmung gesundet. Es besteht also
keine Notwendigkeit, auch die Rotoren zu verstellen, was aufgrund der Fliehkraft der rotierenden Schaufeln mechanisch sowieso unmöglich ist.