Stand heute in der Zeitung
Russische Langstreckenbomber über den Ozeanen
MOSKAU - Russlands Luftwaffe will ihre Langstreckenbomber künftig weit außerhalb der eigenen Landesgrenzen über dem Pazifik und dem Atlantik rund um die Uhr einsetzen.
Die Luftwaffe müsse wieder anknüpfen an die Sowjetzeiten, als der Rekord für einen Flugeinsatz am Stück bei 48 Stunden lag, sagte der Kommandeur der Luftwaffeneinheit, Generalmajor Pawel Androssow, nach Angaben der Agentur Interfax. Kremlchef Wladimir Putin hatte als Reaktion auf die «wachsende Bedrohung durch andere Länder« angekündigt, die mit Raketen bestückten Langstreckenflugzeuge erstmals seit 15 Jahren wieder dauerhaft fliegen zu lassen.
Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte Moskau die Flüge 1992 eingestellt. Washington reagierte gelassen auf die Entscheidung. Nach russischen Angaben waren die Bomber in den vergangenen Tagen auch über Alaska und die US-Insel Guam gefolgen. Dabei seien die russischen Flieger von etwa 20 amerikanischen Flugzeugen verfolgt worden, sagte Androssow. Im Norden Russlands seien acht Raketen auf Übungsziele abgefeuert worden.
Kampf um Rohstoffe im Polarmeer
Russische Experten begrüßten die neuen Dauereinsätze. Damit habe sich ein weiterer Teil der früheren Atommacht Russland in der internationalen Arena zurückgemeldet, sagte der Luftwaffen-Experte Valentin Rog der Agentur Itar-Tass. Die ständige Präsenz der russischen Luftwaffe sei auch bedeutsam für den Kampf um die Rohstoffe im Nordpolarmeer, meinte der Generalmajor. Russland hofft darauf, in den kommenden Jahren von den Vereinten Nationen Zugang zu den Öl- und Gasvorräten zu erhalten.
Moskau ist seit einigen Wochen bemüht, seine militärische Stärke zu demonstrieren. Im Streit mit den USA um eine Raketenabwehr in Mitteleuropa hat Russland mehrfach mit der Stationierung eigener Raketen etwa in der Exklave Kaliningrad gedroht. Zudem hatte Putin nach mehreren erfolgreichen Atomraketentests und der Stationierung des neuen Raketenabwehrsystems S-400 «Triumph« bei Moskau ein großes Programm zur Modernisierung der gesamten Raketenabwehr des Landes angekündigt.
19.8.2007 11:21 MEZ
und der zweite Teil:
Putin lässt seine Bomber kreisen
Russland meldet sich militärisch als Supermacht zurück
MOSKAU - Als Wladimir Putin unlängst mit angespannten Arm- und Brustmuskeln beim Angeln posierte, war die Botschaft eindeutig: Russland ist stark. Kaum eine Gelegenheit lässt der Kremlchef aus, um der Welt die neue Stärke vor Augen zu führen. Langstreckenbomber in Dauerpatrouille, atomare Interkontinentalraketen in Serienproduktion, U-Boote am Nordpol sowie neue Raketenabwehrsysteme sind nur die jüngsten Drohgebärden gegen den Westen. Im Poker um US-Raketenabwehrpläne in Mitteleuropa dürften dem russischen Präsidenten die Trümpfe auch künftig nicht ausgehen.
"Wir wollen sichergehen, dass wir uns in jeder Situation verteidigen können, damit uns niemand unter Druck setzen kann", sagte der für Rüstungsfragen zuständige Vizeregierungschef Sergej Iwanow. Als möglicher Nachfolger Putins bei der Präsidentenwahl im März 2008 rührt er immer wieder am Sicherheitsgefühl der Russen. Mit ihren Erfolgsmeldungen will die russische Führung den Wählern klarmachen, dass ihr Land wieder eine Supermacht ist.
Wo der russische Bär protzt
Auf dem Flugfeld in Schukowski bei Moskau wird "der russische Bär" von morgen an auf der bisher größten Internationalen Luft- und Raumfahrtmesse MAKS mit modernster Militärtechnik protzen. Zu sehen sind unter anderem Kampfjet-Flugshows, Jagdflugzeuge der Firma MiG für Indiens Kriegsmarine, moderne Mehrfachraketenwerfer und Raketenabwehrsysteme sowie Raumfahrttechnik. Bis 2010 will Russland 20 Aufklärungssatelliten für das Navigationssystem Glonass ins All schießen, um im Ernstfall damit seine Marschflugkörper zu steuern.
Der Westen reagiert bisher gelassen. Denn obwohl Russland seine Militärausgaben in den vergangenen Jahren auf inzwischen umgerechnet rund 25 Milliarden Euro vervierfacht hat und weiter erhöht, steht das größte Land der Welt immer noch weit hinter den USA mit Verteidigungsausgaben von rund 341 Milliarden Euro zurück.
Zu einer Bündelung seiner Kräfte in der Luft- und Weltraumverteidigung sieht sich Moskau nicht zuletzt wegen der Aufkündigung des ABM-Vertrags über die Begrenzung von Abwehrsystemen durch die USA gezwungen. Dank der immensen Öl- und Gasvorräte und anderer Rohstoffe gilt das groß angelegte Sanierungsprogramm für die Streitkräfte als finanzierbar. Das neue russische Selbstbewusstsein lässt in den Reihen der Militärbefehlshaber inzwischen auch Rufe nach Bildung eines neuen Blocks als Gegengewicht zur Nato aufkommen.
Neue Akzente nach der "Schwächephase"
Im Kreml heißt es, dass Moskau nach einer langen, vom Westen genutzten Schwächephase während der 1990er Jahre nun international wieder eigene Akzente setze. Dazu gehört auch Putins Drohung, aus dem KSE-Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa - einem der wichtigsten Abkommen zur Rüstungskontrolle - auszusteigen, wenn eine Ratifizierung durch die Nato-Staaten ausbleibt. "Es scheint, wir haben das Glück, dem Beginn eines neuen Kalten Krieges beizuwohnen", kommentierte das russische Magazin The New Times.
Gerade verfügte Putin per Dekret eine schnellere Entwicklung von Flugzeugtriebwerken, um russische Kampfjets im Wettstreit mit den USA als Exportartikel konkurrenzfähig zu halten. Im Rüstungsexport liegt Russland nur noch knapp hinter den USA - und bedient vor allem die Gegner Washingtons wie den Iran und Venezuela mit Waffen.
Erstmals seit dem Zerfall der Sowjetunion lief in diesem Jahr ein gigantisches Atom-U-Boot der neuen Borei-Klasse vom Stapel. Bis zu 20 ballistische Bulawa-Raketen mit jeweils mehr als zehn atomaren Sprengköpfen können darauf stationiert werden. Wie im Kalten Krieg kreisen seit Freitag strategische Langstreckenbomber wieder weit außerhalb russischer Grenzen über Atlantik, Pazifik und Nordmeer rund um die Uhr. Der Kommandeur der Luftwaffeneinheit, Pawel Androssow, formulierte als Ziel, "wie zu Sowjetzeiten rekordverdächtige 48 Stunden lang in der Luft zu bleiben". Putin gab ihm Recht: "Unsere Piloten haben lange genug stillgesessen, nun beginnt für sie ein neues Leben."
ULF MAUDER (dpa)
19.8.2007 18:08 MEZ
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