Bei einer ersten Fahrt durch die Wohnviertel der einheimischen Bevölkerung wurde den deutschen Soldaten von den Kongolesen durch Gesten unmißverständlich klargemacht, was ihnen droht, falls sie ihre Fahrzeuge verlassen würden: durchgeschnittene Hälse!
Quelle: Bericht des Deutschlandfunks, 4. Juli 2006, "Informationen am Morgen"
Walther Stützle, Staatssekretär a. D. im Bundesverteidigungsministerium, beurteilt die Entscheidung,
die Bundeswehr in den Kongo zu entsenden, ausgesprochen kritisch:
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Deutschlands Kongo-Mission
Von Walther Stützle
So viel Außenpolitik war lange nicht - und so viel gedankliche Unordnung auch nicht. Bundeswehrsoldaten werden als Wahlhelfer in den Kongo entsandt; so hat es der Bundestag entschieden; doch niemand vermag den Soldaten überzeugend zu sagen, Teil welchen Konzeptes sie eigentlich sind. Bundeskanzlerin Merkel schwieg im Parlament - ungenutzt ließ sie die Möglichkeit verstreichen, Bundestag und Öffentlichkeit, vor allem aber auch die Bundeswehr, über Hintergründe und Ziele ihrer fragwürdigen Entscheidung aufzuklären. Und ihr Schweigen steckte an. Auch der Außenminister sagte kein einziges Wort und selbst die Fraktionen schickten - mit Ausnahme der Grünen - nicht ihre Vorsitzer ins Rennen. Was zu einer Sternstunde außenpolitischer Nachdenklichkeit hätte werden können und müssen geriet zu einer Koalition des Schweigens der Großen in der Großen Koalition.
Geredet aber wurde dennoch und nicht gerade wenig; vor allem die Verteidigungsexperten sollten die Kohlen aus dem Feuer holen. Vor ihnen aber hatte der Wehrbeauftragte des Bundestages, also der vom Parlament bestellte Sorgenanwalt der Soldaten und Soldatinnen, eine hohe Hürde aus Warnungen vor dem Kongo-Einsatz aufgebaut, die zu nehmen sich die Außenpolitiker erst gar nicht die Mühe machten und die zu überspringen keinem der Verteidigungs-Experten gelang. Komisch - um kein anderes Wort zu bemühen -komisch mußte da der Zuruf eines Abgeordneten an die Kongo-Truppe anmuten, die Soldaten sollten gut auf sich aufpassen und gesund wieder nach hause kommen; die Qualität dieser trostlosen Ermutigung entsprach jener anderen, nämlich, die Bundeswehrsoldaten träfen in Kongos Hauptstadt Kinshasa auf eine ihnen wohlgesinnte Stimmung. Mag ja sein - doch um Stimmung geht es nicht, sondern um außenpolitische Interessen und um Konzepte.
Fraglos liegt eine friedliche Entwicklung afrikanischer Staaten auch im Interesse Europas. Handelt es sich gar um einen so unendlich reichen Rohstoffstaat wie den Kongo, dann ist das europäische Interesse mit Händen zu greifen. Und fraglos erreicht Europa für Afrika und für sich selbst am meisten, wenn die Europäer gemeinsam und geschlossen auftreten. Eine gründliche Diskussion der vor zwei Jahren von der Europäischen Union beschlossenen Afrika-Strategie hätte viel zur Erhellung beitragen können. Doch niemand hatte den Mut, sich auf dieses schwierige Gedanken-Gelände zu begeben. Wann aber soll das geschehen, wenn nicht vor einem so einschneidenden Beschluß, wie dem, Bundeswehrsoldaten in den Kongo zu entsenden!
Und wann hätte es eine sinnvollere Gelegenheit gegeben zu fragen, ob die Kongo-Mission wirklich eine EU-Mission ist und nicht nur eine französische, die europäisch bemäntelt wird! Vor allem die Nichtteilnahme Londons am Kongo-Einsatz hätte mehr verdient gehabt als den rührenden Hinweis, England sei schon so stark in Afghanistan engagiert. Deutschland etwa nicht? Vergessen scheint, daß London und Paris sich treueste Partnerschaft für ihr gemeinsames Auftreten auf dem afrikanischen Kontinent geschworen haben! Gleichwohl hält England sich vom Kongo-Abenteuer fern; London ist das politische Risiko eines militärischen Fehlschlages zu groß und überdies hat Großbritannien kein Interesse daran, einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf die Beine zu helfen, in deren Namen die Kongo-Mission nämlich stattfinden soll.
Schließlich: wie oft noch darf man Soldaten in eine Mission schicken, die weder richtig erklärt ist noch große Aussichten auf Erfolg verheißt. Hört denn niemand die warnenden Signale aus Afghanistan, wo es der Bevölkerung zunehmend schwer fällt, Helfer nicht für Besatzer zu halten!
Nein, diksussionswürdige Fragen für eine ergiebige Kongo-Debatte hätte es wahrlich genug gegeben - doch die vor allem von den Liberalen ins Feld geführten Einwände zerschellten an der fest gefügten Mauer überwachter Fraktionsdisziplin in der Großen Koalition..
Streitkräfte sind ein Instrument der Außenpolitik - aber nicht ihr Ersatz. Zu einer Zeit, da so viel Außenpolitik ist wie selten, droht unser Land Schaden zu nehmen am Verzicht auf konzeptionelle Klarheit. Außenpolitik ohne Außenpolitiker - ein Rezept für Mißerfolg.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/themenderwoche/507641/ ........ - Sendung im Deutschlandfunk, 3. Juli 2006
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